Berlin. Syrische Drogenproduzenten scheffelten Milliarden. Anscheinend profitierte auch der Assad-Clan von den bei Terroristen beliebten Pillen.

Die Macher eines Videos, die nach dem Sturz von Baschar al-Assad durch die Privatgarage des Langzeitherrschers fuhren, staunten nicht schlecht: Lamborghini Diablo, Mercedes SLS AMG und Ferrari F50 stehen Seit an Seit. Und das in dem Land, das seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 wirtschaftlich am Boden liegt. Die millionenschwere Luxussammlung ist der finale Beweis für den Reichtum, in dem der Assad-Clan schwelgte.

Obwohl der Westen das brutale Regime durch Sanktionen wirtschaftlich in die Knie zwang, schien sich die Herrscherfamilie auf stabile Einnahmequellen zu stützen. Besonders lukrativ: kleine Pillen mit einer großen Gewinnmarge. Denn der Exportschlager, mit dem auch die afghanischen Taliban den Weltmarkt bestimmten, brachte auch Syrien Milliarden ein: Drogen.

Syrien: Was die Pillen zur „Dschihadisten-Droge“ macht

Was für die Taliban der Opiumanbau gewesen ist, war in dem bürgerkriegsgeplagten Land die Herstellung von Captagon. Die kleinen Pillen, bestehend aus Amphetamin und Koffein, kosten in der Herstellung unter einem Dollar. Auf den Straßen bringen sie dann 14 bis 20 Dollar ein, heißt es in einer Studie des Malcolm H. Kerr Carnegie Middle East Center.

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Seit dem Sturz der Herrscherfamilie stoßen Kämpfer der islamistischen HTS-Miliz fast täglich auf Beweise für das florierende Drogengeschäft: In Lagerhäusern, Garagen oder Steinbrüchen fanden sie Tausende der kleinen beigen Pillen, versteckt in Exportgütern wie Elektrogeräten.  „Es ist wirklich eine riesige Menge“, sagte ein Kämpfer über ein Drogenlager auf dem Luftwaffenstützpunkt Masseh gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Von dort aus fanden die Pillen ihren Weg auch vermehrt an europäische Häfen, sind für deutsche Sicherheitsbehörden keine Unbekannte. Hauptabnehmer blieben bis zuletzt aber die Staaten des Nahen Ostens, insbesondere die wohlhabenden Einwohner von Metropolen wie Riad. Captagon habe eine Epidemie des Drogenmissbrauchs in den wohlhabenden Golfstaaten ausgelöst, schreibt das Carnegie Middle East Center.

Bekannt wurde die Droge einst unter dem Namen „Dschihadisten“- oder „IS-Droge.“ Auf ihrem Vormarsch in den Irak und in Syrien sollen die Pillen die Terroristen des Islamischen Staates für den Kampf gepuscht haben. Sie dämpfen Hunger und Müdigkeit und steigern die Konzentration, schreibt die Denkfabrik.

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„Narkostaat“ Syrien: Milliarden-Einnahmen aus dem Drogengeschäft

Syrien war bis 2011 eigentlich für seine restriktive Drogenpolitik bekannt, schreiben die Analysten. Doch der Ausbruch des Bürgerkriegs sollte das ändern: Das Land verkam zum „Narkostaat“, wie Medien in Anlehnung an mexikanische Drogenkartelle Syrien von nun an tauften. Mitnichten hinkt der Vergleich: Das Auswärtige Amt schätzt die jährlichen Einnahmen aus dem Captagon-Handel auf fünf bis zehn Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt des Landes lag 2021 lediglich bei knapp neun Milliarden Euro. Durch die Abhängigkeit der Golfstaaten diente die Droge auch als nützliches Druckmittel, Syrien aus der politischen Isolation zu befreien, schreibt die Denkfabrik. Tatsächlich wurde Syrien 2023 wieder in die Arabische Liga aufgenommen.

Konflikt in Syrien
Ein syrisches Rebellenmitglied zeigt Amphetamintabletten, die als Captagon bekannt sind, versteckt in einem elektrischen Bauteil in einem Lagerhaus, in dem die Droge vor dem Sturz der Regierung von Bashar Assad hergestellt wurde. © DPA Images | Hussein Malla

Die Ausmaße des Drogenhandels riefen schließlich auch die US-Regierung auf den Plan: „Gemeinsam mit unseren Verbündeten werden wir diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die das Regime von Bashar al-Assad mit illegalen Drogeneinnahmen und anderen finanziellen Mitteln unterstützen“, sagte der Vertreter einer US-amerikanischen Finanzbehörde 2023. Man habe erkannt, dass das Assad-Regime Milliarden mit den Drogen umsetze. Im Verbund mit Großbritannien belegten die Staaten einzelne Akteure, die im syrischen Drogengeschäft mitmischten, 2023 mit Sanktionen.

So war der Assad-Clan beteiligt

Ihren Weg ins Ausland fanden die Pillen über die vom iranischen Regime unterstütze Hisbollah. Beteiligt sollen bis zu 120 Gruppen gewesen sein, schreibt die „FAZ“. Laut Experten des „New Lines Instituts“ führt die Spur der Hinterleute aber in die vordersten Reihen des Assad-Clans. Expertin Caroline Rose sprach gegenüber der „Tagesschau“ von einem „Para-Staat“, also einem parallelen Sicherheitsapparat der Assad-Familie zur eigentlichen Regierung.

Syriens ehemaliger  Herrscher Baschar al-Assad mit seinem Bruder Maher 2003. Letzter hat die berüchtigte 4. Division befehligt, die sich auch am Drogenhandel beteiligt haben soll.
Syriens ehemaliger Herrscher Baschar al-Assad mit seinem Bruder Maher 2003. Letzter hat die berüchtigte 4. Division befehligt, die sich auch am Drogenhandel beteiligt haben soll. © AFP | RAMZI HAIDAR

An vorderster Front – und im Visier der US-Behörden: Maher al-Assad, der Bruder des mittlerweile vertriebenen syrischen Herrschers. Er leitete die berüchtigte „Vierte Brigade“ in Syrien, ein Trupp aus Elitesoldaten, die einen Totenkopf im Wappen tragen. Die Soldaten des als Warlord berüchtigten Assad-Bruders sollten eigentlich den Machtapparat in der syrischen Hauptstadt Damaskus schützen. Die 25.000 Soldaten fungierten wohl aber auch als nützliches Drogennetzwerk.

„Maher al-Assad und die Vierte Division sind dafür bekannt“

„Maher al-Assad und die Vierte Division sind dafür bekannt, viele illegale Einnahmequellen zu erschließen, die vom Zigaretten- und Mobiltelefonschmuggel bis hin zur Förderung der Produktion und des Handels von Captagon reichen“, hieß es vom US-Finanzministerium. Auf der Sanktionsliste der USA steht er an oberster Stelle.

Mit dem Sturz der Assad-Regierung dürfte das Drogengeschäft allerdings zum Erliegen kommen. Langzeitherrscher Baschar al-Assad floh am in der Nacht auf den 8. Dezember 2024 nach Moskau. Wo sich sein Bruder Maher aufhält, ist nicht bekannt. Als Warlord wird er von den Eroberern am liebsten tot gesehen.