Berlin. Noch während Syrer über den Fall Assads jubeln, wird ihr Bleiberecht infrage gestellt. Dabei ist völlig ungewiss, ob sich die Lage Syrien stabilisiert.

Ob in Hamburg, Berlin, Essen oder München: An diesem zweiten Adventssonntag gleichen sich an den zentralen Plätzen deutscher Städte die Bilder. Männer, Frauen und Kinder schwenken Fahnen, tanzen im Rhythmus der Trommeln und Sprechchöre. Syrien ist frei, rufen sie. Assad, der Schlächter von Damaskus, und mit ihm sein gesamter Terrorapparat, versteckt sich unter den Fittichen des russischen Machthabers Wladimir Putin. Geblieben sind nur zur Plünderung überlassene Paläste.

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Die Bilder tun gut in diesen Tagen. Endlich eine gute Nachricht. Die da tanzen und trommeln, sind schließlich diejenigen, die die Assad-Tyrannei aus ihrer Heimat getrieben hat. Doch schon trübt Wahlkampfkalkül die Stimmung, indem nur wenige Stunden nach dem Regimesturz das Aufenthaltsrecht der Syrer in Deutschland infrage gestellt wird: Wenn der Fluchtgrund weg ist, also politische Verfolgung durch das Regime und Krieg, dann falle auch der Asylgrund weg sowie auch der sogenannte subsidiäre Schutz, heißt es vor allem von Unions-Politikern.

So erklärt Hessens Innenminister Roman Poseck: „Wir haben ein hohes Interesse, Flüchtlinge aus Syrien wieder in ihre Heimat zurückzuführen, freiwillig oder im Rahmen von Abschiebungen.“ CDU-Außenexperte Peter Beyer betont, es gebe keinen Asylgrund mehr, wenn „Humanität und Stabilität in Syrien jetzt einkehren“.

In Syrien haben Islamisten Baschar al-Assad vertrieben

Humanität und Stabilität sind in diesem Zusammenhang hervorragende Stichworte. Für beides steht Deutschland. Ob diese Werte auch nur annähernd in Syrien eine Chance haben, ist bislang völlig ungewiss. Denn bei den siegreichen Rebellen handelt es sich größtenteils um Islamisten. Dass unter ihnen ein demokratischer Staat entstehen kann, ist nicht gerade naheliegend, um es mal vorsichtig auszudrücken. Rebellenführer Abu Muhammad al-Dscholani gilt zwar als pragmatischer Radikaler. Doch die Wurzeln seiner HTS (Haiat Tahrir al-Scham) sind der sogenannte Islamische Staat (IS) und al-Qaida. Wie falsch es sein kann, Islamisten zu vertrauen, zeigt Afghanistan. Dort sind seit der Machtübernahme der Taliban trotz gegenteiliger Versprechungen Frauen nahezu komplett aus dem öffentlichen Leben verschwunden.

Eine syrische Familie, die sich in Deutschland ein Leben aufgebaut hat, Steuern zahlt und in die deutsche Gesellschaft integriert ist, wäre sicher schlecht beraten, jetzt aus purer Sehnsucht nach der Heimat die Koffer zu packen und in das Charterflugzeug zu steigen, das sich Jens Spahn (CDU) neben 1000 Euro Starthilfe für syrische Rückkehrer vorstellen kann.

Birgitta Stauber ist Textchefin in der FUNKE Zentralredaktion.
Birgitta Stauber ist Textchefin in der FUNKE Zentralredaktion. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Und zu dieser relativ gut integrierten Flüchtlingsgruppe gehören ziemlich viele Syrer, das zeigt der Faktencheck. So lag im Sommer dieses Jahres die Beschäftigungsquote von syrischen Männern der ersten Welle von 2015 und 2016 bei 70 Prozent. In Zeiten von Fach- und Arbeitskräftemangel sollte es gar nicht im deutschen Interesse sein, diese Gruppe zurückzuschicken.

Islamisten sorgen für ein mulmiges Gefühl auf Weihnachtsmärkten

Anders sieht es mit Flüchtlingen aus, die diese Gesellschaft und ihre Gesetze ablehnen; allen voran Schwerstkriminelle und Islamisten. Sie sorgen dafür, dass für viele Menschen das mulmige Gefühl zum Besuch eines Weihnachtsmarktes dazu gehört.

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Wie dramatisch die Folgen sind, wenn nichts unternommen wird, zeigt der Attentäter von Solingen, der im August bei einem Stadtfest zwei Menschen erstach und acht weitere zum Teil schwer verletzte. Er wurde weder an seinem mörderischen Plan gehindert noch in Abschiebehaft genommen und außer Landes geschafft. Derartige Fälle gehören ganz oben auf die Tagesordnung der deutschen Innenpolitik. Bei allem Drang, Gefährder abzuschieben, gilt aber auch: Das letzte, was Syrien braucht, sind noch mehr zu allem bereiten Islamisten, die dabei helfen, ein neues internationales Terrornest zu züchten. Sie gehören ins Gefängnis. In Syrien oder hier.

Jetzt sollten wir uns mit den Menschen aus Syrien über den Fall Assads freuen. Und dann mit aller verfügbarer Kraft den Aufbau einer stabilen Regierung zu unterstützen, damit Syrien all den Menschen, die in den vergangenen Jahrzehnten geflohen sind, eine Perspektive bietet. Dann kehren sie von allein zurück, denn ihre Sehnsucht ist groß. Das haben die Bilder vom Sonntag gezeigt.