Berlin. Assad ist weg, Syrien ist frei: An der syrisch-libanesischen Grenze kommt es zu Staus, die Menschen jubeln. Doch die Lage bleibt prekär.
Diktator Baschar al-Assad ist gestürzt, das von ihm beherrschte Syrien ist frei. Während aktuell völlig unklar ist, in welche politische Zukunft das Land steuert, machten sich offenbar schon Tausende aus dem Land geflüchtete Menschen auf, in ihre Heimat zurückzukehren.
Videos in den sozialen Netzwerken zeigten unter anderem lange Staus an der Grenze zwischen Syrien und dem Libanon. Euphorisch feierten die Menschen den Sturz Assads, während sie gen Heimat fuhren. Bepackt mit Koffern und mit Taschen behängt, machten sich einige auch zu Fuß auf den Weg, wie Bilder von Pressefotografen zeigen.
Kameraleute der Deutschen Welle hielten Jubelnde in ihren Autos fest. Eine Person sagte: „Wir gehen zurück in unser Land.“ Nicht mehr Assads Land, nicht das des Iran, nicht Russlands sei Syrien, sondern „unser Land“.
Syrien: Stabiles Land?
Es sind einige wenige von Millionen, die vor dem Bürgerkrieg, Fassbomben und Folterkellern geflohen sind, in die Nachbarländer Libanon und Türkei oder nach Europa, nicht zuletzt auch nach Deutschland. Rund 1,3 Millionen Geflüchteten aus Syrien hat die Bundesrepublik Schutz gewährt.
Manche von ihnen sind Deutsche geworden, wollen und dürfen bleiben. Andere wollen zurück nach Syrien, ihre Heimat wieder aufbauen. Mancher wird einmal gehen müssen.
In Deutschland sind unmittelbar nach dem Sturz Assads schon Forderungen laut und Feststellungen getätigt worden, man werde wohl zu einer Neubewertung der Lage in Syrien kommen und damit auch in der Frage, wer hier noch schutzbedürftig sei. Andere, da war der letzte Schuss in Damaskus noch nicht abgegeben, boten Startgeld und forderten Charterflüge.
Migrationsexperte Gerald Knaus stellte fest, mittelfristig könne sich die Situation in Europa hinsichtlich des Zustroms fliehender Menschen entspannen. Dem „Stern“ sagte er: „Mittelfristig - sollte Stabilität hergestellt werden - könnte das für die gesamte Flüchtlingssituation, auch in Europa, ein historischer Wendepunkt sein.“ Geflüchtete in den Nachbarländern hätten jetzt die Chance zu sehen, ob es in ihrer Heimat wieder sicher ist. „Ist das so, werden auch Asylanträge in Deutschland und anderen europäischen Ländern zurückgehen.“
Syrien selbst ist, Stand jetzt, weit davon entfernt, ein sicheres Land zu sein. Das Machtvakuum, das nach dem Sturz des Diktators gefüllt werden muss, ist groß. Ob die islamistische HTS-Miliz rund um ihre zentrale Figur, Abu Muhammed al-Dscholani, die Kontrolle über Syrien erhalten – und ausbauen – kann, ist unklar.
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Syrien: Rückkehr in eine zerstörte Heimat
Ob und wie viele Syrer sich auf den Heimweg machen, wird nicht zuletzt auch davon abhängen, wie die HTS das Land regiert, ob die Versprechen von Mäßigung und einem Ende der Verfolgung von religiösen Minderheiten ernstgemeint waren, oder doch nur Propaganda. Auch ob syrische LGBTQIA künftig sicher in ihrer Heimat werden leben können oder weiter tödlichem Hass ausgesetzt sind: offen.
Nicht zuletzt ist Syrien auch ein von mehr als einem Jahrzehnt Bürgerkrieg zerbombtes Land. Die humanitäre Lage ist teilweise katastrophal, knapp 17 Millionen Syrerinnen und Syrer sind laut dem Weltflüchtlingshilfswerk UNHCR auf Unterstützung angewiesen – neun Prozent mehr als noch im vergangenen Jahr 2023.
Unter diesen Menschen befindet sich auch die Mehrheit der Geflüchteten: Rund 7,2 Millionen Menschen haben ihre Häuser und Wohnungen innerhalb Syriens verlassen, auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Hunger.
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Diese Menschen haben teilweise keine Häuser mehr, in die sie zurückkehren könnten: Das Regime habe sie enteignet oder plattgewalzt, teilweise per Gesetz die Rückkehr verboten, klagt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
Im Jahr 2018 erlassene Gesetzgebung zwang Landbesitzende, einen Beweis für ihre Liegenschaften zu erbringen, sollten diese nicht in den Unterlagen verzeichnet sein. Wessen Land für „Wiederaufbau“ vorgesehen war, musste sich binnen Jahresfrist melden, sonst fiel der Besitz an die Kommune oder den Staat. Für Geflüchtete – innerhalb wie außerhalb Syriens – eine unlösbare Aufgabe.
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Zentrale Frage: In welche Zukunft steuert Syrien?
Ob nun also der große Exodus der syrischen Diaspora beginnt, steht zu bezweifeln. Der britische Migrationsforscher Rob McNeil von der Universität Oxford in der „Daily Mail“: „Im optimistischen Szenario beginnt jetzt eine Periode der Stabilität für Syrien.“ Dann könne man tatsächlich den Beginn einer Rückwanderung erleben.
„Wenn dies nun aber nur der Vorbote einer weiteren Zeit des Chaos in Syrien ist, dann sind dort immer noch eine Menge Menschen, die sich nicht sicher fühlen könnten und dann versucht sind, das Land zu verlassen“, schätzt der Experte. Viele dieser Menschen dürften dann wieder nach Libanon oder in die Türkei fliehen – oder nach Europa, nach Deutschland.
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Stabilisiert sich Syrien ist das schlecht für die AfD
Je nachdem, sieht Migrationsexperte Knaus die Möglichkeit einer Auswirkung auf die Politik in Deutschland: „Wenn sich Syrien stabilisiert, könnte das auch unsere Politik dramatisch und positiv verändern“, sagte er. „Sollte sich die Zahl syrischer Asylanträge 2025 schnell verringern, würde extrem gefährlichen Kräften das Wasser abgegraben – der AfD hierzulande, der FPÖ in Österreich. Deswegen muss das Thema der Stabilisierung Syriens absoluten Vorrang haben, auch was die außenpolitischen Anstrengungen angeht.“
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