Kevelaer/Homs. Julian Yacoub Mourad ist Erzbischof von Homs und hat enge Beziehungen zum Niederrhein. Seine Freunde sind besorgt

Ende September war Julian Yacoub Mourad am Niederrhein. Im Marienwallfahrtsort Ginderich bei Wesel betete der Erzbischof von Homs für Frieden in seiner syrischen Heimat und schilderte eindringlich die Not der Menschen in dem kriegswunden und wirtschaftlich am Boden liegenden Land. In Kevelaer hatte ihm die Hilfsorganisation „Aktion Pro Humanität“ (APH) zuvor eine mobile Krankenstation übergeben. Jetzt ist der eingefrorene Konflikt in Syrien wieder entflammt und am Niederrhein bangen Menschen um das Wohl des engagierten Geistlichen. „Würde er bei einem Luftangriff sterben, würde seine Führungskraft fehlen. Das stimmt mich sorgenvoll“, sagt Elke Kleuren-Schyvers, die Vorsitzende der APH.

Die „Aktion Pro Humanität“ hilft seit beinahe drei Jahrzehnten Menschen in Afrika, zunächst in Benin, später auch im Krisenland Niger. Seit 2017 sind die Helfer vom Niederrhein zudem in Syrien aktiv, wo sie sich zunächst für kriegstraumatisierte Kinder in Aleppo einsetzten, der zweitgrößten Stadt Syriens, die vor wenigen Tagen bei einer überraschenden Blitzoffensive von islamistischen Aufständischen eingenommen wurde. Im vergangenen Jahr entschied sich die Organisation, auch in der Region Homs Unterstützung zu leisten, konkret: die medizinische Versorgung zu verbessern.

Die APH-Vorsitzende Elke Kleuren-Schryvers bei einem Vortrag in Rees.
Die APH-Vorsitzende Elke Kleuren-Schryvers bei einem Vortrag in Rees. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp

Ihr Ansprechpartner dort: Erzbischof Mourad. Der 64-Jährige ist ein bemerkenswerter und wortmächtiger Mann. 2015, damals Vorsteher des Klosters Mar Elian, wurde er von Dschihadisten entführt und kam erst nach fünf Monaten Geiselhaft frei. Es waren Muslime, die ihn befreiten. Mourad setzt sich seit Jahren vehement für den interreligiösen Dialog ein. Anfang vergangenen Jahres bestätigte Papst Franziskus seine Ernennung zum Erzbischof von Homs.

Mourad kritisierte immer wieder die zurückgehende Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für sein versehrtes Land und machte mit deutlichen Worten auf die Not seiner Landsleute aufmerksam. „Das syrische Volk ist zum Sterben verurteilt, ohne etwas sagen zu können“, klagte er, nachdem das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen Anfang dieses Jahres die Hilfen für Syrien gestrichen hatte.

Die islamistischen Rebellen haben sich bis nach Hama vorgekämpft. (Archivbild)
Die islamistischen Rebellen haben sich bis nach Hama vorgekämpft. (Archivbild) © AP/dpa | Ghaith Alsayed

Jetzt droht die Not noch größer zu werden. Der jüngste Gewaltausbruch in Syrien hat erneut Zehntausende Menschen in die Flucht getrieben. Am Donnerstag wurde die Stadt Hama nördlich von Homs von den Islamisten der Haiat Tarhrir as-Scham (HTS) eingenommen. Jetzt können sie über die Autobahn M5 auf Homs vorstoßen. In den Kirchen und Versammlungsräumen dort leben bereits Tausende Menschen, die aus anderen Landesteilen geflohen sind. Oder Menschen, die bei Ausbruch des Kriegs in Syrien in den Libanon geflohen waren, nach den israelischen Luftangriffen auf den Zedernstaat aber wieder nach Syrien gekommen waren.

Kleuren-Schryvers: „Unsere Aufgabe ist jetzt Katastrophenhilfe“

„Unsere Aufgabe ist es jetzt, Krisen- und Katastrophenhilfe zu leisten“, sagt die APH-Vorsitzende Kleuren-Schryvers. Die Menschen in den provisorischen Flüchtlingseinrichtungen lebten unter prekären Bedingungen, schliefen auf dem nackten, kalten Boden, bräuchten Lebensmittel und Medikamente. Aktuell sei es in Homs selbst zwar vergleichsweise ruhig. Aber im nur etwa 50 Kilometer entfernten Hama habe es heftige Bombardements und Drohnenangriffe gegeben. Aktuell wird in der Umgebung Hamas gekämpft. Sollte die Islamisten ihren Siegeszug so schnell wie bisher fortsetzen können, ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis auch in Homs gekämpft wird.  

„Wir hoffen sehr, dass Erzbischof Mourad die psychische, physische und spirituelle Kraft findet, die Menschen anzuleiten“, sagt Kleuren-Schryvers. Die Christen in Syrien sind wie in den Nachbarländern auch eine Minderheit, ihre Zahl schwindet seit vielen Jahren. Diejenigen, die bleiben, versuchen sich irgendwie mit den seit dem Beginn des Krieges vor 13 Jahren immer wieder verändernden Herrschaftsverhältnissen in den unterschiedlichen Regionen zu arrangieren.

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Bislang scheinen die Islamisten der HTS in den jüngst von ihnen eroberten Gebieten nicht gegen Christen vorzugehen, so ist es jedenfalls aus Aleppo zu hören. Ihre Zukunft aber ist ungewiss, entsprechend groß ist die Angst. Nachdem Homs 2012 von islamistischen Rebellen eingenommen worden war, wurden Zehntausende Christen von dort vertrieben. Die Streitkräfte des Regimes bombardierten die Stadt, große Teile von Homs wurden zerstört. 2017 übernahm das Assad-Regime wieder die Kontrolle. Ein ähnliches Schicksal könnte der Stadt jetzt wieder drohen, sollten die HTS Homs einnehmen.

Am Donnerstagabend stehen die Islamisten nur noch 25 Kilometer vor der Stadt. Die Hälfte der Einwohner von Homs sollen geflohen sein. „Aber wir sind noch da, wir beten, wir beten an und wir bleiben hier“, teilt der Erzbischof mit. Die mobile Krankenstation, die die Helfer der „Aktion Pro Humanität“ Mourad übergaben, soll jetzt erstmal am Niederrhein bleiben, sagt Kleuren-Schryvers. „Der Erzbischof hat gesagt, sie ist hier sicherer“.