Essen. Das Wiederaufflammen des Konflikts erhöht den Fluchtdruck nach Europa und stellt Kremlherrscher Putin vor ein Dilemma
In Syrien ist ein Konflikt neu entflammt, der lange Zeit so eingefroren war, dass er von der Welt fast vergessen wurde. Jetzt bekämpfen sich in dem kriegsvernarbten und wirtschaftlich am Boden liegenden Land erneut die unterschiedlichen bewaffneten einheimischen Gruppen und ihre Schutzmächte.
Islamistische Rebellen um die dschihadistische Haiat Tahrir al Scham sind auf breiter Front nach vorne gerückt und haben mit Aleppo erneut die zweitgrößte Stadt Syriens eingenommen. Die überraschten Truppen des Assad-Regimes versuchen mit der Hilfe vom Iran kontrollierter Milizen aus dem Libanon und dem Irak die Verteidigung zu konsolidieren, die russische Luftwaffe bombardiert Aleppo und Idlib. Die Türkei nutzt die Gunst der Stunde und attackiert mit anderen islamistischen Milizen kurdische Enklaven nördlich von Aleppo.
Es ist ein Gewaltausbruch, der den Fluchtdruck auf Hunderttausende Menschen massiv erhöht. Trecks ziehen derzeit aus der Sheba-Region nördlich von Aleppo Richtung Osten. Es sind Flüchtlinge, die sich vor dem türkischen Einmarsch in Afrin im Jahr 2018 in Sicherheit gebracht hatten und die jetzt erneut fliehen müssen. Viele von ihnen werden angesichts der Sicherheitslage und der wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit versuchen, weiter nach Europa zu kommen.
Die Eskalation ist eine Reaktion auf andere Kriege. Die schiitische Hisbollah aus dem Libanon als wichtiger Verbündeter des Assad-Regimes ist durch die Auseinandersetzung mit Israel geschwächt. Russland als Schutzmacht des Diktators hat im mörderischen Angriffskrieg gegen die Ukraine enorme Ressourcen verbraucht.
Für Kreml-Herrscher Putin ist es ein Dilemma. Einen Sturz Assads kann er sich nicht leisten, er braucht den Marinestützpunkt in Tartus am Mittelmeer als geopolitischen Machtfaktor und darf nach der ukrainischen Offensive in der russischen Kursk-Region nicht erneut Schwäche zeigen. Andererseits könnte ein größeres Engagement in Syrien seine Streitkräfte überfordern.
Das Wiederaufflammen dieses regionalen Konfliktes wird weitreichende Konsequenzen haben.