Berlin. Islamistische Rebellen überrumpeln syrische Regierungskräfte. Vier Nato-Staaten rufen zur Deeskalation auf, darunter auch Deutschland.

Die USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben die Konfliktparteien in Syrien zur Deeskalation aufgefordert. Nachdem Rebellen syrische Regierungstruppen aus Aleppo verdrängt haben, bekommt der Bürgerkrieg in dem Land nach Jahren des weitgehenden Stillstands innerhalb weniger Tage wieder gefährliche Dynamik.

Russische und syrische Kampfflugzeuge verstärkten ihre Angriffe, um die Lage für die Regierung unter Kontrolle zu bekommen. Auch der iranische Außenminister sicherte Syrien weiterhin Unterstützung im Kampf gegen oppositionelle Kräfte zu. 

Westliche Staaten: Weitere Vertreibungen verhindern

Die neue Eskalation in Syrien fällt angesichts der Kriege im Libanon und im Gazastreifen mitten in eine höchst angespannte Lage im Nahen Osten. Die Rebellen dürften die Schwäche proiranischer Milizen und des Irans selbst für ihren Vorstoß ausgenutzt haben. Russland ist im Ukraine-Krieg gebunden. 

„Wir verfolgen die Entwicklungen in Syrien genau und fordern alle Parteien zur Deeskalation und zum Schutz der Zivilbevölkerung und der Infrastruktur auf, um weitere Vertreibungen und Unterbrechungen des humanitären Zugangs zu verhindern“, hieß es in einer in der Nacht vom US-Außenministerium veröffentlichten gemeinsamen Erklärung der vier Nato-Staaten USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien. 

Die derzeitige Eskalation unterstreiche nur die dringende Notwendigkeit einer politischen Lösung des Konflikts unter syrischer Führung im Einklang mit der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats. Das oberste Gremium der Vereinten Nationen hat eine Reihe von Resolutionen zum Syrienkrieg verabschiedet. Die Resolution 2254 vom 18. Dezember 2015 sieht unter anderem die Vermittlung von Friedensgesprächen der Regierung mit der Opposition vor.

Bürgerkrieg seit 2011

Einem von der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) angeführten Bündnis von Rebellen war es gelungen, syrische Regierungstruppen in kürzester Zeit aus Aleppo zu verdrängen und am Wochenende die Kontrolle über die Stadt zu übernehmen. Die Gruppierung HTS wird unter anderem von den USA als Terrororganisation eingestuft und verfolgt Experten zufolge eine salafistisch-dschihadistische Ideologie. 

Für Assad sind die Aufständischen Terroristen

Syriens Machthaber Assad hat eine Gegenoffensive angekündigt. Die „Zerschlagung des Terrorismus“ diene der Stabilität und Sicherheit der gesamten Region, sagte Assad bei einem Treffen mit dem iranischen Außenminister. Assad werden Kriegsverbrechen wie der Einsatz von Giftgas und Folter vorgeworfen.

Angst in Aleppo

Aleppo war bereits in den ersten Jahren des Bürgerkriegs Schauplatz schwerer Kämpfe zwischen Rebellengruppen und Truppen der Regierung. Die Stadt wurde dabei verwüstet. Anwohner der Millionenstadt sorgen sich angesichts der angekündigten Gegenschläge der Regierung.

Bei russischen Luftangriffen kamen Aktivisten zufolge neben HTS-Kämpfern auch Zivilisten ums Leben. Bei Bombardements nahe einer Klinik im Zentrum von Aleppo seien zwölf Menschen getötet worden, darunter acht Zivilisten, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London mit. 23 Menschen seien verletzt worden.

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Syrische Kurden in Bedrängnis

Die unübersichtliche Lage nach der Rebellenoffensive nutzen Beobachtern zufolge derzeit auch von der Türkei unterstützte Rebellen für ihre Zwecke. Derzeit greifen sie verstärkt die ihnen verhassten Kurdenmilizen in Nordsyrien an. 

Nach heftigen Kämpfen eroberten protürkische Kämpfer am Sonntag den Ort Tal Rifat, der rund 30 Kilometer nördlich von Aleppo liegt. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte übernahmen die von Ankara unterstützten Rebellen auch weitere Orte in der Gegend. Derzeit sitzen noch rund 200.000 Kurden dort fest. Diese fürchteten sich vor Massakern durch die protürkischen Rebellen.

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