Xanten. Ein Plädoyer für Gewaltlosigkeit: Pater berichtete in Xanten von seiner Geiselhaft durch den „Islamischen Staat“

Er war von zwei Dschihadisten des sogenannten Islamischen Staates (IS) entführt worden, war fünf Monate lang in Geiselhaft. Er wurde gedemütigt, misshandelt, war mehrmals dem Tod sehr nah. Dann gelang ihm die Flucht, und er überlebte. Nun sprach der syrische Ordensmann Jacques Mourad im Xantener Dom von seinen Erlebnissen. Doch er zeigte sich weder zornig noch durch die Gewalttaten gebrochen. Vielmehr appellierte er daran, den Prinzipien der Gewaltlosigkeit, der Begegnung, der Vergebung zu folgen. Ein beeindruckender Vortrag, der rund 60 Menschen in der Kirche und zahlreiche weitere im Livestream bewegte.

Möglich gemacht hat diesen Abend die Stiftung Aktion Pro Humanität (APH) im Zuge ihrer diesjährigen Friedensaktionen. „Schön, dass das in der Form möglich ist“, sagte die Mitbegründerin der Stiftung, Elke Kleuren-Schryvers, angesichts der großen Resonanz trotz der Corona-Pandemie. Die Klarinettistin Annemarie Ouwens sorgte zu Beginn und zwischen den Gesprächsblöcken mit ihrem Spiel für innige Atmosphäre. Propst Stefan Notz begrüßte die Gäste, machte deutlich, wie wichtig es sei, „auch andere Aspekte der Wirklichkeit nicht aus dem Auge zu verlieren“.

Weitere Mitglieder wurden verschleppt

Weihbischof Rolf Lohmann beschrieb den Lebensweg des syrischen Gastes, der als Ältester von fünf Kindern in Aleppo aufgewachsen war und kurz nach dem Abitur entschieden habe, katholischer Priester zu werden.

Sein Weg habe ihn schließlich in die Jabal al-Qalomoun-Berge geführt, wo Mourad gemeinsam mit dem italienischen Jesuiten Paolo Dall’Oglioder die syrische Ordensgemeinschaft Mar Musa al-habashi (Heiliger Moses von Abessinien) gründete. Trotz der Bemühungen für einen islamisch-christlichen Dialog sei zunächst 2013 Pater Paolo vom IS entführt worden, der bis heute in dessen Gewalt ist. Im Mai 2015 wurden schließlich auch Pater Jaques, sein Novize und weitere Mitglieder seiner Gemeinde verschleppt, von IS-Milizen große Teile des Klosters zerstört.

Lange über das Thema Religion gesprochen

Nachdem Weihbischof Lohmann zusammen mit dem syrischen Gast die Friedenskerze mit den Worten „im Gedenken an alle Menschen in Syrien, auf dass der Wille zur Versöhnung Geist und Herz beseelt“ entzündet hatte, sprach Mourad selbst von seinen Erlebnissen.

Und die Erinnerung an den Tag der Entführung, so der Ordensmann, sei noch allgegenwärtig. Der Schmerz sei zwar noch vorhanden. „Die Erfahrung der Gefangenschaft empfinde ich im Nachhinein aber wie eine Zeit der Gnade.“ Prägend dafür sei der achte Tag der Entführung gewesen, als ein führender IS-Kämpfer mit drei bewaffneten Dschihadisten in seine Zelle kam – und die Bewaffneten hinausschickte, um sich mit ihm lange über Religion zu unterhalten. „Das war der Moment, in dem ich wusste, dass ich nicht zum Tode verurteilt war“, erinnerte sich der Pater.

Nicht vom Himmel gefallen

Er habe im Dialog ein „Gefühl des Friedens erlebt, obwohl ich fest überzeugt war, umgebracht zu werden“. Das Ende der Geiselhaft für ihn und seine Gemeindemitglieder sei auf die Weisung eines Kalifen hin erfolgt, weil sie als Christen nie die Hand gegen die Muslime erhoben hätten. „Das Reich Gottes fällt nicht vom Himmel, wir Menschen müssen täglich etwas dafür tun“, erklärte Mourad und rief zu „Gewaltlosigkeit, Begegnung, Dialog, bedingungsloser Liebe und Glaube“ im Umgang miteinander auf.

In Bezug auf den IS müsse man verstehen lernen, „warum er existiert und dass er sich in anderer Form wiederholen kann“. Jeder müsse sich selbst fragen: „Suchen wir die materielle Freiheit oder die innere Freiheit?“– das sei eine Kernfrage der heutigen Zeit.