Kleve. Kleve treibt seit Jahren Klimaschutzprojekte voran, ist eine Vorreiterin. Warum Schulhöfe grüner werden und Parkplätze weichen müssen.

Das ins Ungleichgewicht geratene Weltklima im Alleingang zu retten, dieser schier unmöglichen Mission hat sich Christian Bomblat nicht verschrieben. Der Umweltexperte und Technische Beigeordnete der Stadt Kleve ist, das wird im Gespräch mit ihm schnell klar, Realist. „Wir werden es allein in Kleve nicht hinbekommen, durch unsere Projekte und Ideen den CO₂-Ausstoß global gesehen zu verringern.“

Auf Folgen des Klimawandels reagieren

Sprichwörtlich den Kopf in den Sand zu stecken, davon hält Bomblat jedoch nichts. „Was wir aber machen können, ist auf die Folgen des Klimawandels zu reagieren und hier vor Ort aktiv werden.“ Denn Klimaschutz sei prinzipiell Menschenschutz. „Es sind ja gerade Kinder, Menschen mit einer chronischen Erkrankung und Seniorinnen und Senioren, die besonders unter hohen Temperaturen leiden.“

Christian Bomblat ist Technischer Beigeordneter der Stadt Kleve.

„Was wir aber machen können, ist auf die Folgen des Klimawandels zu reagieren und hier vor Ort aktiv werden.“

Christian Bomblat

Aktiv wird die Stadt Kleve nicht erst seit gestern, kann sich durchaus als Vorreiterin nicht nur am Niederrhein sehen. Schon 2012 verabschiedete der Stadtrat einen Klimaschutzfahrplan. Symbolisch wurde im Juni 2019 der Klimanotstand ausgerufen, bei nur zwei Enthaltungen stimmten dem von der Fridays for Future Ortsgruppe initiierten Antrag ansonsten alle Stadtverordnete zu.

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„Es gibt unter den demokratischen Parteien einen Konsens in Kleve“, betont Bomblat, der gebürtig aus der Schwanenstadt stammt und nach Jahrzehnten in Bolivien im Jahr 2020 zurückkehrte, erst als Klimaschutzmanager agierte und nun Technischer Beigeordneter seiner Heimatstadt ist. „Viele Klimaschutzprojekte werden als gemeinsame Anträge eingebracht.“

Dachbegrünung und Photovoltaik sollen Standard werden

Und diese Projekte werden auch benötigt, um den Anforderungen nach Klimaanpassung und Hitzeschutz gerecht zu werden. Die Stadtverwaltung geht so gegen Schottergärten vor, plant neue Vorgaben für das klimafreundliche Bauen. Diese sehen etwa eine verpflichtende Anlage von Gründächern bei Privathäusern mit einer Dachneigung von weniger als 30 Prozent, die Ausstattung von Gewerbehallen mit Photovoltaikanlagen und generell eine Fassadenbegrünung vor. Etwas Überzeugungsarbeit müsse dafür aber bei den politischen Gremien noch geleistet werden.

Neue Fahrradständer gehören zur Umgestaltung des Pausenhofs der Montessorischule dazu.
Neue Fahrradständer gehören zur Umgestaltung des Pausenhofs der Montessorischule dazu. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Wie ein Klimaschutzprojekt in der Realität ausschaut, ist an der städtischen Montessorischule zu erleben. Die offizielle Eröffnung des umgestalteten Schulhofes, Kostenpunkt zwischen 800.000 und 900.000 Euro mit beachtlicher Landesförderung, steht kurz bevor. „Der Hof ist von zwei Hitzeinseln eingerahmt. Die Fläche war zu großen Teilen versiegelt“, führt Pascale van Koeverden, Nachhaltigkeitsexpertin der Stadt Kleve, an. Bei hohen Temperaturen im Sommer staute sich die Hitze. Es musste reagiert werden.

Land NRW möchte Kommunen unterstützen

Die nordrhein-westfälische Landesregierung möchte die Kommunen und die Einrichtungen des Gesundheitswesens beim Hitzeschutz unterstützen. „Für Kinder sowie ältere und erkrankte Menschen können hohe Temperaturen sehr belastend und sogar gefährlich sein. Häufig werden diese Risiken noch unterschätzt“, erklärt Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Es sei daher unerlässlich, zu lernen, „die Risiken richtig einzuschätzen und dass wir uns bestmöglich auf Hitze und Hitzewellen vorbereiten“. Beim Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG) würden Kompetenzen gebündelt.

„Die Klimakrise wird immer mehr zur Belastung für Mensch, Umwelt und unsere Infrastruktur. Tage mit Temperaturen von mehr als 30, manchmal sogar 40 Grad, und Nächte mit mehr als 20 Grad werden in Zukunft häufiger auftreten“, sieht
Umweltminister Oliver Krischer ebenfalls einen akuten Handlungsbedarf. Die Landesregierung wolle Kommunen beispielsweise finanziell durch Förderprogramme unterstützen, sowie Daten und Beratung bereitstellen.

Die Konzeption, verantwortlich zeigt hierfür das Landschaftsarchitektur-Büro „Hoff & Koch“ aus Essen, geht dabei über eine bloße bauliche Umgestaltung hinaus. „Bei den Planungen haben wir auch auf die Belange der Kinder gehört“, erklärt die Agrarbetriebswirtin Miriam Loss vom Essener Büro. „So wollen wir mit pädagogischen Ideen den Kindern den Klima- und Naturschutz näher bringen.“

Unterricht im grünen Klassenzimmer zwischen Him- und Stachelbeeren

Entstanden ist ein grünes Klassenzimmer, Unterricht kann also bei entsprechender Witterung draußen stattfinden. „Die Schülerinnen und Schüler werden selbst Nutzpflanzen anbauen können.“ Nistmöglichkeiten für Insekten sollen noch entstehen. In einem Beet wachsen bereits Himbeeren und Stachelbeeren. „Bei den Spielgeräten haben wir auf Naturbaustoffe zurückgegriffen.“ Regenwasser wird nicht mehr in die Kanalisation abgeleitet, sondern über Sickerflächen aufgegangen und unterirdisch gespeichert, um so die neu gepflanzten Bäume auch im Hochsommer mit Flüssigkeit zu versorgen.

Das helle Pflaster verfügt über breite Fugen, so dass sich etwas Wasser sammeln und verdunsten kann.
Das helle Pflaster verfügt über breite Fugen, so dass sich etwas Wasser sammeln und verdunsten kann. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Auf dem gesamten Schulhof wurde helles Pflaster verbaut. „Dunkles Pflaster heizt sich sehr stark auf. Wir haben jetzt zum Beispiel auch breite Fugen verbaut, damit sich Wasser etwas sammeln und wieder verdunsten kann. Dadurch gibt es einen weiteren Abkühlungseffekt“, so die Expertin Loss.

Einem komplett grünen Schulhof stehen aber diverse Überlegungen entgegen. „Wir müssen für Rettungswege und vor allem die Feuerwehrzufahrt sorgen.“ Zudem müsse es auf dem Hof Platz zum Toben geben, Kinder bolzen hier mit Bällen, fahren mit Dreirädern, Tretrollern und weiteren Gefährten umher.

Spielplätze sollen durch Bäume Schatten erhalten

Dirk Posdena, Fachbereichsleiter Klimaschutz, Umwelt und Nachhaltigkeit der Stadt Kleve, hat weitere Pläne im Sinn. „Es gibt Spielplätze, die im Sommer verlassen waren, weil es einfach zu warm war.“ Posdena nimmt nun alle knapp 70 Spielplätze im Stadtgebiet in den Fokus. „Wir wollen für eine vernünftige Verschattung sorgen, sodass Kinder auch an heißen Tagen dort spielen können.“ Dafür sollen Bäume gepflanzt werden.

Ein großes Projekt ist ein neuer Radweg entlang des Spoykanals zwischen dem Ortsteil Wardhausen und der Hochschule Rhein-Waal, der für die Anbindung eines Gewerbegebietes an die Innenstadt sorgen soll. Für das 4,9 Millionen Euro teure Vorhaben wird es Landesmittel in Höhe von 4,5 Millionen Euro geben.

Stellplätze für Autos werden zurückgebaut, dafür Baumscheiben angelegt.
Stellplätze für Autos werden zurückgebaut, dafür Baumscheiben angelegt. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Unmittelbar vor dem Gelände der Montessorischule ist derzeit schweres Baufahrzeug zu sehen. Es finden Kanal- und Straßenbauarbeiten statt. Und auch hier hat der Klimaschutz Einfluss. Denn nach dem Umbau wird es weniger Stellplätze für Autos als vorher geben. Dafür werden zusätzliche Baumscheiben entstehen, die von den Anwohnern mit gepflegt werden. Dass dies nicht überall auf Gegenliebe stößt, das ist Posdena bewusst. „Ich glaube aber schon, dass die Argumentation mit den Vorteilen verfängt, der Schulweg für die Kinder wird sicherer.“ Und das Stadtklima gesünder.

Neuer Schub durch die Landesgartenschau?

Einen weiteren Schub für Klimaprojekte erhoffen sich Dirk Posdena und Christian Bomblat durch den Zuschlag Kleves für die Austragung der Landesgartenschau 2029. „Die Entscheidung für uns war, glaube ich, auch ein Stück weit eine Anerkennung für unsere bisherigen Anstrengungen“, so Posdena. Die mit dem Zuschlag einhergehenden Fördermittel in Millionenhöhe sollen etwa für eine weitere Entsiegelung von Flächen genutzt, auch der zentral durch die Stadt fließende Spoykanal soll aufgewertet werden.

Der Schwanenstadt komme zugute, so berichtet Posdena, dass sie über einen verhältnismäßig großen kommunalen Flächenbestand verfüge. „Es gab in der Vergangenheit viele kluge Entscheidungen, sich frühzeitig Flächen zu sichern. So können wir selbst als Stadt weiterhin aktiv sein und müssen oft nicht langwierig mit weiteren Eigentümern verhandeln.“

Ein großes Zukunftsthema sei die sogenannte Nachverdichtung. „Wir wollen bei Neubauprojekten künftig eher in die Höhe, denn in die Breite gehen.“ Alles überragende Landmarke wird aber die Schwanenburg bleiben. Versprochen.