Kreis Kleve. Kleve startete Beratungsinitiative „Grün statt Grau“. Versiegelung bedeutet: hohe Temperatur, hohe Gebühren, sinkendes Grundwasser.

Christian Bomblat, Wolfgang Gebing und Dirk Posdena (von links) vor der bepflanzten Fläche am Klever Rathaus.
Christian Bomblat, Wolfgang Gebing und Dirk Posdena (von links) vor der bepflanzten Fläche am Klever Rathaus. © Unbekannt | Claudia Gronewald

Zwischen Kies, Granulat und Schotter kämpfen spärlich gepflanzte Bäumchen oder immergrüne Koniferen ums Überleben. Alles soll möglichst pflegeleicht sein und am liebsten noch ordentlich aussehen. Dieser Devise folgen inzwischen viele Vorgarten-Besitzer. Diese Art der Gestaltung bevorzugen aber zunehmend auch ältere Menschen, denen die Gartenarbeit zu mühsam geworden ist. Die Folge sind nicht nur eintönig-graue Steinwüsten, in denen Insekten keine Nahrung mehr finden. Ebenso gravierend ist es, dass das Gestein sich unter Sonneneinstrahlung aufheizt und Regenwasser nicht mehr versickern kann. In Zeiten des Klimawandels der falsche Weg.

Das sieht man auch bei der Klever Stadtverwaltung so. „Uns macht der Bestand an solchen Gärten Sorgen“, sagt Dirk Posdena, seit Anfang Juli Fachbereichsleiter Klimaschutz, Umwelt und Nachhaltigkeit. Zwar habe man in den 1990er Jahren eine Gestaltungssatzung erlassen, die mit Folie versiegelte Flächen und Schottergärten nicht mehr erlaube, so Posdena. Den in diesem Zusammenhang formulierten Begriff der „landschaftsgärtnerischen Gestaltung“ aber habe man nicht spezifisch genug definiert, „um solche Gärten zu unterbinden“. Damals, ergänzt Bürgermeister Wolfgang Gebing, habe dabei doch niemand an Steinwüsten gedacht. „Heute wird eine solche Anlage als ästhetisch angesehen und von vielen Architekten auch so verkauft“, sagt Gebing. Er kämpfe da gegen den Geschmack, fügt Posdena hinzu. „Gerade die junge Generation der Bauherren sieht das so.“

Überdachte Terrassen und Pools sind auch ein Versiegelungsproblem

Was kann die Stadt tun? „Derzeit wird überlegt, diese Gärten in der Überarbeitung der Satzung zu unterbinden“, sagt er. Eine solche Satzung erfasse das ganze Stadtgebiet. Denkbar sei aber auch, über Bebauungspläne einzugreifen, überlegt der Fachbereichsleiter. Es gehe schließlich nicht nur um Vorgärten, sondern auch um die Versiegelung von Boden durch überdachte Terrassen oder Pools.

Doch bei der Verwaltung will man auch ganz konkret helfen. „Wir bieten alten Leuten unsere Unterstützung an“, meint Posdena. So könnte ein Garten zum Beispiel von einem Gärtner gepflegt werden. „Denn es ist ein Trugschluss, dass Schottergärten weniger kosten als klassische Gärten und dass sie weniger Arbeit machen.“

Schulgärten anlegen, Kinder sollen die Haltung der Eltern hinterfragen

Auf lange Sicht bedeuteten sie sogar mehr Einsatz als viele vermuten. Unkraut, Flechten oder Moose wachsen mit der Zeit auch auf den Steinen. Dann kann es aufwendiger werden, sie davon zu befreien, als sich um ein mit Stauden bepflanztes Beet zu kümmern. Bei versiegelten Gärten werden außerdem höhere Gebühren fürs Niederschlagswasser fällig. Mit dem Flyer „Grün statt Grau“ ergreift die Verwaltung Initiative und klärt nicht nur über die Vorteile naturnaher Vorgärten auf, dort gibt es auch konkrete Hinweise, welche Pflanzen sich für pflegeleichte Gärten besonders eignen.

Ein Mustergarten der Firma Kersten in Kranenburg-Nütterden.
Ein Mustergarten der Firma Kersten in Kranenburg-Nütterden. © Unbekannt | Claudia Gronewald

Als langfristigen Ansatz ein Umdenken zu erreichen, sieht Dirk Posdena die Umweltpädagogik. „Wir müssen an die Kinder rangehen, die Schulgärten anlegen und die Schottergärten ihrer Eltern hinterfragen“, gibt er ein Beispiel. Dabei sei ein Vorgarten allein nicht das Problem. „Das entsteht erst in der Summe.“ In manchen Wohngebieten hat Posdena geradezu eine Gruppendynamik beobachtet. Dabei geht es um die Förderung des Kleinklimas, um Biodiversität und Retention. „Hinzu kommt“, kritisiert Posdena, „dass die Stadt aus städteplanerischer Sicht immer abweisender wirkt.“ Kunststoffwände und Gabionen als Sichtschutz täten da ein Übriges.

„Weil wir Regenwasser nicht versickern lassen, sinkt auch hier bei uns inzwischen der Grundwasserspiegel“, warnt Kleves Klimaschutzmanager Christian Bomblat. Straßenraum zu versiegeln, bedeute bis zu sieben Grad höhere Temperaturen im Sommer, macht Posdena deutlich. Dagegen könne jeder Einzelne etwas tun.

Brachflächen bewachsen lassen

Bei der Stadt geht man mit gutem Beispiel voran. Als nach dem Umbau des Rathauses eine kleine Fläche übrig blieb, wurde diese auf Anregung Bomblats nicht gepflastert, sondern mit hitze-unempfindlichen Pflanzen bestückt. Grün gestaltet werde in Kürze auch der kleine Vorgarten am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium/Ringstraße. Außerdem sei man in Gesprächen mit der Unteren Naturschutzbehörde, um Brachflächen bewachsen lassen zu können, so Posdena. „Die Leute müssen akzeptieren, dass Flächen zukünftig auch scheinbar ungepflegt aussehen.“

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Wie wichtig Umwelt- und Klimaschutz ist, hat uns die Flutkatastrophe in NRW wieder gezeigt. Auch wir als NRZ finden das Thema sehr wichtig und beschäftigen uns in den nächsten Wochen intensiv damit in unserem Umweltcheck für den Kreis Kleve. Natürlich geht der Klimawandel alle Menschen an. Als besonderes Sommer-Bonbon macht die NRZ die Artikel auch ohne Abo zugänglich. Alles zum Thema auf nrz.de/umweltcheck

Von Schottergärten hält man auch bei der Kersten Gartenbauprojekte GmbH in Kranenburg-Nütterden nichts. „Wir machen so etwas gar nicht mehr“, sagt Bauleiterin Madeleine Kersten. „Wenn wir Fachleute das nicht ablehnen, wer dann?“ fragt sie. Ihren Kunden bietet die Firma eine individuelle Beratung an. Denn einen Garten pflegeleicht anzulegen sei eine Frage des Standortes und der Vorauswahl der Pflanzen. Als Beispiel nennt sie eine sonnige Lage, die ihr Betrieb mit Sonnenstauden und Rosen bepflanzt habe. „Je dichter die Pflanzen stehen, desto weniger Arbeit hat man“, weiß Kersten. „Dort pflanzt man dann, was wenig Wasser braucht.“

Wiese mit Sommerblumen

Sogar ein Rasen sei eine gute Alternative zu Steinen, „wenn es nicht gerade ein englischer sein muss“. Oder man sät Wiese mit Sommerblumen ein. „Das kann jeder, und es blüht den ganzen Sommer“, rät sie. „Wir versuchen einfach, andere Lösungen anzubieten“, sagt die Gartenexpertin, schließlich gehe es auch darum, Flächen nicht zu versiegeln. Sie sieht auch die Kommunen in der Pflicht, dies bei der zukünftigen Planung von Baugebieten zu berücksichtigen.