Wesel. Wer macht das Rennen ums Direktmandat im Wahlkreis Wesel III? Eine Analyse zum Duell zwischen Charlotte Quik (CDU) und Kerstin Löwenstein (SPD).
Charlotte Quik scheint überall zu sein. Ob am Infostand ihrer Partei in Gahlen, bei einer Podiumsdiskussion zum Wolf in Dorsten, beim Einschwimmen der Brücke in Hünxe oder dem Unternehmensbesuch in Büderich. Es vergeht derzeit kaum ein Tag, ohne eine Pressemitteilung der CDU-Politikerin, ohne mindestens einen Beitrag in den sozialen Medien.
Die Landtagsabgeordnete setzt in ihrem Wahlkampf auf die Wirkung von Bildern, um ihren Wiedereinzug ins Düsseldorfer Parlament zu schaffen: Quik streichelt Alpakas, schaut sich Baupläne an, steht in Arztpraxen, trägt Ritterrüstungen oder vergibt Förderbescheide an Sportvereine. Alles nachzusehen und nachzulesen auf Instagram.
Und dann sind da noch die Polit-Promis – durchaus beeindruckend, wen die 39-Jährige alles in ihren Wahlkreis geholt hat: Ministerpräsident Hendrik Wüst war da, die christdemokratischen Landesminister Herbert Reul und Karl-Josef-Laumann auch, zuletzt debattierte sie mit Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn in Brünen über den Ukraine-Krieg. Bei einem Termin im Nachbarkreis Kleve ließ sie sich noch schnell mit CDU-Chef Friedrich Merz ablichten.
Landtagswahl in Wesel: Löwenstein fordert Quik heraus
Bei Kerstin Löwenstein, Quiks SPD-Herausforderin (die anderen sieben Kandidaten und Kandidatinnen sollten in der Regel chancenlos sein) um das Direktmandat im Wahlkreis Wesel III, geht es da deutlich bescheidener zu. Auf Unterstützer mit überregionaler Strahlkraft musste die 63-Jährige bisher verzichten, viel unterwegs war sie dennoch: Löwenstein sprach unter anderem mit den von der Zwangsschließung betroffenen Menschen auf dem Campingplatz in Schermbeck, besuchte die Verbraucherzentrale in Wesel oder ließ sich von einem Handwerksmeister aus Mehrhoog über die Probleme in der Pandemie berichten.
Würde es also im Wahlkampf ausschließlich um die Bilder gehen, dürfte die Entscheidung ums Direktmandat am Sonntag eine klare Sache werden. Aber so einfach ist es nicht. Zwar sind die sozialen Medien ohne Zweifel ein wichtiges Instrument, die Reichweite der Landespolitikerinnen darin sollte jedoch nicht überschätzt werden. So folgen den offiziellen Profilen von Quik bei Instagram und Facebook zwischen 1200 und 1300 Nutzerinnen und Nutzer, Löwenstein kommt auf gut 300 bis 400. Angesichts von 90.000 Wahlberechtigten in Wesel, Hamminkeln, Hünxe und Schermbeck ist das überschaubar.
Zweifellos ist Quik im Wahlkreis bekannter, alleine schon deshalb, weil sie seit fünf Jahren im Landtag vertreten, in der Region bestens vernetzt und auch in wahlkampflosen Zeiten ständig präsent ist. Andererseits macht sie ihr Mandat in Düsseldorf angreifbar, schließt steht die Brünerin für die Politik, die die schwarz-gelbe Landesregierung in der Legislaturperiode gemacht hat - das kann einem schonmal auf die Füße fallen: Quik musste sich etwa wegen ihres Stimmverhaltens beim Landesentwicklungsplan nach dem Kies-Urteil erneut einige Kritik gefallen lassen.
Kerstin Löwenstein profitiert, wenn die SPD gut abschneidet
Da hat es Löwenstein leichter, sie ist ein unbeschriebenes Blatt. Vor ihrer Nominierung im Spätherbst dürften sie selbst bei der SPD nur die Insider gekannt haben – politische Entscheidungen aus der Vergangenheit wird man ihr also kaum anlasten, aber eben auch nicht anrechnen können. Die Sozialdemokratin hat deshalb vor allem dann eine Chance, wenn ihre Partei am Sonntag im ganzen Land erfolgreich ist: Holt die SPD die meisten Zweitstimmen im Land, dürfte sich das auf das Direktmandat auswirken.
Zuletzt ließ sich das bei der Bundestagswahl beobachten: Der ebenfalls eher unbekannte Rainer Keller konnte sich hier im Wahlkreis überraschend gegen die langjährige CDU-Abgeordnete Sabine Weiss durchsetzen. Neben dem fraglos engagierten Wahlkampf des Weselers dürfte die Wechselstimmung in der Bundespolitik dabei keine geringe Rolle gespielt haben. Derzeit sagen die Prognosen für den Wahlsonntag ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und CDU voraus.
Beide Kandidatinnen können nicht auf die Landeslisten hoffen
Ein Punkt, der wiederum für Quik sprechen könnte, ist der neue Zuschnitt des Wahlkreises. Voerde gehört nicht mehr dazu – bei der Landtagswahl 2017 holte SPD-Kandidat Norbert Meesters in der Stadt mehr als 42 Prozent der Erststimmen, während Quik besonders in den ländlichen Kommunen glänzte: Über 50 Prozent der Menschen wählten sie in ihrer Heimatkommune Hamminkeln, in manchen Stimmbezirken erreichte sie sogar über 60 Prozent der Stimmen. Am Ende setzte sich die damals noch recht unbekannte Quik gegen den etablierten Meesters mit 2,5 Prozentpunkten Vorsprung durch.
Was Christ- und Sozialdemokratin am Sonntag eint: Klappt es nicht mit einem direkten Einzug, dürften sich die Landtagspläne erledigt haben. Denn die Landeslisten der Parteien haben bei den vorangegangenen Wahlen in Nordrhein-Westfalen so gut wie keine Rolle gespielt.