Oberhausen. Die geplante Bebauung hat eine Protestwelle ausgelöst. Stadt und Eigentümer äußern sich nun zur scharfen Kritik, wertvolles Grün werde zerstört.
Wegen der Pläne für Wohnen und Gewerbe auf der einstigen Zeche Sterkrade, heute eine grüne Oase, sind viele Bürger auf dem Baum. 3500 Protestunterschriften haben sie gesammelt. Doch jetzt gehen Stadt und Eigentümer in die Offensive. Sie laden die Bevölkerung zu einer Inforunde am Ort des Geschehens ein und haben unserer Redaktion bei einem Ortstermin das Vorhaben im Einzelnen vorgestellt.
Stadt und Eigentümer laden Bürger zum Gespräch
Aber zunächst zu dem vorgesehenen Termin: Am Samstag, 24. August, sind die Bürger in der Zeit von 10 bis 15 Uhr eingeladen, mit Vertretern aus dem Rathaus und den Eigentümern des riesigen Areals, RAG-Immobilien und Thelen-Gruppe, über das Konzept zu diskutieren, das unter dem Titel firmiert „Neue Zeche Sterkrade“. In der ersten Stunde sind Gespräche mit den Eigentümern geplant, anschließend soll an mehreren Tischen rund um das Fördergerüst über die Punkte gesprochen werden, die den Bürgern unter den Nägeln brennen. Mit an Bord sind Oberbürgermeister Daniel Schranz und Baudezernent Thomas Palotz. Um vom Wetter unabhängig zu sein, wird ein Zelt aufgestellt, Führungen rund um das einstige Zechengebäude stehen ebenfalls auf dem Programm.
Gemeinsam mit Thomas Middelmann, Geschäftsbereichsleiter der RAG Montan Immobilien, der der größte Teil des Grundstücks gehört, erläuterte Palotz jetzt, wie der aktuelle Stand der Plannungen aussieht und was mit dem Gelände in Zukunft passieren soll.
Welche Bebauung ist vorgesehen?
Auf dem insgesamt 15 Hektar großen Areal – umgerechnet so groß wie 21 Fußballfelder – soll ein ganz neues Quartier für Oberhausen seinen Platz finden, das zwischen 400 und 600 Wohnungen umfasst. Neben Mehrfamilienhäusern sind Reihenhäuser und Eigenheime vorgesehen. Aus Sicht der Stadt sind die Bauten dringend notwendig:; „Bis 2030 braucht Oberhausen den Prognosen zufolge 3000 neue Wohnungen, davon allein die Hälfte in Sterkrade“, betont Palotz. Wer als Investoren für die Mehrfamilienhäuser in Betracht kommen kann, ist momentan noch offen. Die Rede ist unter anderem vom Wohnungsriesen Vivawest, an dem die RAG beteiligt ist, oder auch von der heimischen Sterkrader Wohnungsgenossenschaft. Darüber hinaus sollen aber auch Privatleute zum Zuge kommen, die ihre Eigenheime dort errichten können. Bereits jetzt denkt die Stadt über den Bau einer Kita nach, die möglicherweise in dem noch erhaltenen Zechengebäude untergebracht wird.
Der geplante Gewerbepark bleibt der Dienstleistungsbranche vorbehalten, Industrie komme hier nicht zum Zuge, erklärt der Baudezernent. „Pflegeeinrichtungen, Arztpraxen oder auch Architekturbüros sind Beispiele für denkbare Ansiedlungen“, ergänzt Thomas Middelmann. Er unterstreicht, dass trotz aller Bebauung mindestens die Hälfte des gesamten Grundstücks auch künftig „grün bleiben wird“.
Was ist denn in Sachen Umwelt- und Naturschutz vorgesehen?
Im Laufe der Jahre haben sich schützenswerte Lebensräume für die Kreuzkröte entwickelt. Eines dieser Habitate, wie sie der Biologe nennt, liegt direkt neben dem Förderturm und bleibt in Form und Größe erhalten. Hier haben überdies Vogelarten wie Feldlerche, Flussregenpfeifer und der Kiebitz eine Heimstätte gefunden. In einem Krötenraum, inmitten des Geländes gelegen, steht den Amphibien demnächst ein Umzug bevor. Sie sollen auf einem acht Hektar großen Gelände neben dem Edeka-Großlager eine neues Zuhause finden, das RAG Immobilien eigens für die Tiere vorbereitet hat. Um abzuklären, ob sich noch andere Arten auf der Ex-Zeche dauerhaft angesiedelt haben, sind weitere Untersuchungen vorgesehen, heben sowohl Middelmann als auch Palotz hervor.
Beide weisen ferner auf eine Aufwertung hin, die mit der Renaturierung des Alsbaches einhergehe. Die Rohre, durch die er derzeit noch fließt, werden entfernt, womit er seinen natürlichen Lauf durch den Grüngürtel zurückerhalten soll. Verantwortlich für das Projekt zeichnet die Deutsche Bahn, die damit eine Ausgleichsmaßnahme für den Ausbau der Betuwe-Strecke in die Tat umsetzt.
Auf welchen Wegen und Straßen wird das neue Quartier überhaupt erreichbar sein?
Große Sorge haben die Bürger, das die Kastanienallee am Eingang von der Von-Trotha-Straße den Plänen zum Opfer fallen könnte. „Doch dazu wird es nicht kommen“, hebt Palotz hervor. Die Bäume stehen unter Schutz und dürfen nicht gefällt werden. Wo und wie eine Zufahrt in die Siedlung erfolgt, sei momentan noch vollkommen offen. „Wir suchen derzeit noch nach einer geeigneten Lösung“. Fest steht indes, den vorhandenen Radweg über das Gelände aufzupolieren und eine direkte Anbindung an die Hoag-Radtrasse zu schaffen, die Oberhausen und Duisburg verbindet. Der Fußweg zur Weierheide, die mit ihren zahlreichen Geschäften einen besonderen Stellenwert als Nahversorgungszentrum einnimmt, soll komplett erneuert werden. Schließlich plant die Stadt noch eine Fußgängerbrücke, die vom Fördergerüst ausgehend über die Betuwe-Strecke bis hin zum Volkspark Sterkrade reicht. Wie teuer das Bauwerk wird, dazu liegen noch keine Zahlen vor, denn die Planungen haben auch noch nicht begonnen. Das gilt ebenso für die Frage, welche Wege und Verbindungsstrecken durch das Quartier führen werden. Auch hier gibt es bislang nur erste Überlegungen.
Sind eigentlich auch Projekte zum Hochwasserschutz vorgesehen?
Die Siedlung wird nach dem Prinzip einer Schwammstadt konzipiert, erläutert der Baudezernent. Das Modell sieht vor, Regenwasser zu speichern, um es zeitversetzt anderweitig zu nutzen oder auch verdunsten zu lassen. Unter anderem sollen beispielsweise Rigolen ins Erdreich eingelassen werden, die den Regen aufnehmen und in trockenen Zeiten das Wasser wieder abgeben. Zudem soll ein Regenrückhaltebecken angelegt werden, das ebenfalls als Wasserreservoir zur Verfügung steht.
Angesichts der Ausmaße des geplanten Quartiers: Wäre nicht eine kleinere Lösung möglich?
RAG-Vertreter Thomas Middelmann kennt durchaus Vorschläge, für die geplante Siedlung doch nur zehn oder zwanzig Prozent des Areals in Anspruch zu nehmen. „Doch das wäre vollkommen unwirtschaftlich. Damit würden die entstehenden Kosten nicht gedeckt werden können“, betont er. Insgesamt rechnet der Geschäftsbereichsleiter mit einer Investition im zweistelligen Millionenbereich.
Da es sich um ein ehemaliges Bergwerk handelt: Besteht nicht die Gefahr, dass Grund und Boden verseucht sind?
Dazu noch einmal Thomas Middelmann: Nach seinen Worten ist das Gebiet, auf dem auch früher Zechegebäude standen, vor Jahren „kellertief“ ausgebaggert worden. Der komplette Aushub wurde untersucht, belasteter Boden entsorgt und durch unbelasteten ersetzt. Zugleich ließ die RAG das Gelände nach Kampfmitteln aus dem Krieg untersuchen. Das Ergebnis lautete zum Glück: Fehlanzeige.
Wie geht es nun mit den Plänen weiter?
Der Rat der Stadt hat im März mit Stimmen von CDU, SPD und FDP grünes Licht für das Leitbild gegeben. Nun sollen in einem nächsten Schritt die Ergebnisse des Bürgerdialogs am 24. August zusammengefasst werden. Wenn möglich, stellt dann der Rat im ersten Quartal des nächsten Jahres die Weichen, um mit einer konkreten Bauleitplanung zu beginnen. Zwischenzeitlich möchte die Stadt aber auch noch weitere Gesprächsabende mit den Bürgern organisieren, um auf einzelne Fragen aus der Bevölkerung einzugehen. Geht es nach den Zeitfenstern der RAG, soll die Vermarktung der Flächen 2027 starten.
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