Mülheim. Kriminalpolitiker Sebastian Fiedler (SPD) will wieder das Direktmandat für den Bundestag. Seine Positionen auch zu Migration und Wirtschaft.
So klar wie bei der Wahl 2021, als er mit gut zwölf Prozentpunkten Vorsprung auf Kontrahentin Astrid Timmermann-Fechter (CDU) das Direktmandat im Wahlkreis Mülheim-Essen I zog, wird es womöglich für SPD-Bundestagskandidat Sebastian Fiedler bei dieser Bundestagswahl nicht werden. Es könnte ein Kopf-am-Kopf-Rennen werden. Der 51-jährige Fachmann für Kriminalpolitik will aber unbedingt nach Berlin. Zu viele Dinge seien durch die parteitaktischen Scharmützel von Ampel-Partnerin FDP unerledigt geblieben.
Fiedler, der vor seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter dem Bund Deutscher Kriminalbeamter vorstand, blickt auf gut drei Jahre im Berliner Politikbetrieb zurück. Gleich in zwei Ausschüssen (Inneres und Recht) war er als ordentliches Mitglied vertreten. In seiner Fraktion ist er Sprecher der Arbeitsgruppe Kriminalpolitik. Er hat sie mit aus der Taufe gehoben, weil es ihm wichtig erscheint, Kriminalitätsbekämpfung und Sicherheit als Aufgaben zu verstehen, bei denen sich der Blick breit auf gesellschaftliche Zusammenhänge richtet. So sei es für gute Lösungen stets auch wichtig, den Austausch mit anderen Fachdisziplinen zu suchen.
Migrationspolitik: Mülheims SPD-Kandidat wirft CDU Populismus vor
Kriminalitätspolitik schließe dann auch die Debatte darüber ein, was Deutschland unternehmen sollte, um Anschläge wie die in Aschaffenburg oder Darmstadt möglichst zu verhindern. Die Reaktion der CDU mit ihren umstrittenen Vorstößen zu Grenzkontrollen und Zurückweisungen zuletzt im Bundestag sei da nur populistisch. „Es wird den Leuten vorgegaukelt, dass es die Taten nicht gegeben hätte, wenn man jetzt so verfährt.“ Fakt sei zwar, dass die Täter „nicht mehr hier hätten sein dürfen“, so Fiedler, aber doch seien andere Notwendigkeiten zu erkennen als das, was CDU und AfD dem Wahlvolk nun servierten.
Insbesondere sei die technische Zusammenarbeit der Behörden so zu verbessern, dass potenzielle Gefährder über Ländergrenzen hinweg im Fokus blieben. Vorschläge dazu lägen längst auf dem Tisch, so Fiedler. Zur Migrationsfrage gehöre auch ein Blick au die deutsche Entwicklungsarbeit: Wie lassen sich Fluchtursachen bekämpfen, ist Fiedler wieder bei seinem interdisziplinären Politikansatz.
Sebastian Fiedler (SPD): In der Migrationspolitik nicht untätig gewesen
Im CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz sieht Fiedler einen „wackligen Typen“. Mit seinem jüngsten Agieren, auch Mehrheiten mit Stimmen der AfD zu tolerieren, habe er sich „entzaubert“, auch weil die CDU etwa zeitlich unbefristete Grenzkontrollen durchsetzen wolle, was gegen europäisches Recht (Schengen) verstoße. Im Gegensatz zu Merz sei Kanzler Olaf Scholz „ein wahnsinnig kluger Stratege“, der in der öffentlichen Wahrnehmung zu Unrecht schlecht wegkomme.
„Es wird den Leuten vorgegaukelt, dass es die Taten nicht gegeben hätte, wenn man jetzt so verfährt.“
Die SPD-geführte Regierung habe viel auch in der Migrationspolitik umgesetzt, wehrt sich Fiedler gegen den Vorwurf der Untätigkeit. „Es muss sich jetzt mal endlich was ändern“ sei einer dieser populistischen Sprüche, gegen die schwer anzukommen sei dieser Tage, sagt er. Es sei aber viel auf den Weg gebracht worden: Es gebe schon Grenzkontrollen, es gebe eine Einigung auf ein neues EU-Asylsystem mit den Verfahren an den EU-Außengrenzen, es seien Asylleistungen gestrichen worden für Menschen, die bereits in anderen Ländern dafür Ansprüche erworben haben.
100 Milliarden Euro schmutziges Geld pro Jahr: Hier will der SPD-Mann ran
Zurück zu Fiedlers Steckenpferd, der Kriminalitätspolitik. Zwei große Projekte will er da in Berlin endlich umgesetzt sehen. Nummer 1: Rund 100 Milliarden Euro und damit so viel wie das gesamte Bundeswehr-Sondervermögen würden in Deutschland immer noch kriminell erwirtschaftet. Die Ermittlungsbehörden bekämen davon aber nur ein Prozent zu Gesicht. „Das ist das größte Gerechtigkeitsdefizit“, sagt Fiedler.
Er plädiert für die Einführung des sogenannten Vermögenseinziehungsgesetzes, das Innenministerin Nancy Faeser bereits Ende 2022 in ihre Strategie zum Bekämpfung organisierter Kriminalität aufgenommen hatte, laut Fiedler aber im Ping-Pong der FDP-geführten Ministerien für Finanzen und Justiz zerrieben worden sei. Mit dem Gesetz erhofft sich Fiedler, dass eine neue Einheit im Finanzministerium auffälliges Vermögen mit Instrumenten einziehen könnte, außerhalb des Strafrechts: So liege in einem Zivilverfahren die Beweislast, dass es sich nicht um schmutziges Geld handelt, bei den Kriminellen.
Mülheimer Kandidat will Strafverfahren entschlacken
Zweites großes Thema für den SPD-Politiker, der seit eineinhalb Jahren in Holthausens Kasernensiedlung zu Hause ist: „Polizei und Staatsanwaltschaft saufen ab. Ein einziger Staatsanwalt hat es mit 300 bis 400 offenen Vorgängen zu tun.“ Es gelte die Strafrechtsverfahren radikal zu modernisieren, zu entschlacken. Um mehr Kapazitäten für dringliche Aufgaben zu schaffen, reiche es längst nicht aus, mehr Personal zu stellen. Die Verfahren seien effizienter zu gestalten, der Straftatbestand des Schwarzfahrens etwa sei zu streichen, um Gerichte zu entlasten.
Die deutsche Wirtschaft schwächelt. Mit der Idee des Deutschlandfonds sieht Fiedler das richtige Rezept zur Trendwende bei der SPD. „Mit einem Deutschlandfonds sollen Staat und private Geldgeber ohne unnötige Bürokratie gemeinsam in Zukunftsprojekte investieren können. Jeder Euro, der in die Modernisierung des Landes fließt, ist ein Euro in unseren zukünftigen Wohlstand, in zukünftige Jobs und gute Löhne für die Menschen“, heißt es dazu.
Fiedler glaubt weiter an 20 plus X Prozent für seine SPD
Fiedler will auch weiter für einen Bürokratieabbau einstehen. Dafür habe die Regierung schon viel Kraft investiert, der Teufel stecke oftmals aber im Detail. Jede einzelne Regelung sei schließlich dereinst nicht ohne Grund zustande gekommen. Und er steht voll hinter der SPD-Forderung für einen Mindestlohn von 15 Euro. Das bringe nicht nur den Beschäftigten was, sondern stärke auch die Konsumfreude und damit die Binnenkonjunktur.
Fiedler mag in den Abgesang auf SPD-Kanzler Scholz nicht einstimmen. Er glaubt weiter an deutschlandweit 20 plus X Prozent für seine Sozialdemokraten. Da blickt er auf die wilden Tage zuletzt in Berlin. „Mein Eindruck ist, dass sich Friedrich Merz da keinen Gefallen getan hat.“ Er agiere populistisch, spalte die Gesellschaft weiter und schüre Angst.
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