Mülheim. Maximilian Eitner geht als Kandidat der Freien Wähler zur Bundestagswahl im Wahlkreis Mülheim-Essen I ins Rennen. Er hat seinen eigenen Kopf.

Aufgewachsen in der Eichbaumsiedlung, in „einfachen Verhältnissen“, wie er sagt, Rettungsschwimmer in der 3. Generation, Ausbildung bei der MWB zum Immobilienkaufmann, 27 Jahre jung. Vielleicht ist es diese Kombination, warum Maximilian Eitner sich nicht einfach einfügt in den Klub der alten weißen Männer aus Bayern, die aktuell den Taktstock der Freien Wähler schlagen. Allein schon sprachlich: „Jeder Mensch ist ein Produkt dessen, was er erlebt“, glaubt Eitner. Aber können Politiker in diesem Bundestagswahlkampf noch durchdringen, ohne zu polarisieren, ohne populistisch zu werden? Eitner versucht's zumindest.

Es ist nicht sein erster Versuch: Vor rund fünf Jahren ging Eitner in die Mülheimer SPD. „Mit Frank Esser (Vorstandvorsitzender der Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft), der mir bei MWB eine Chance gab, und Daniel Mühlenfeld (SPD-Stadtverordneter) hatte ich Menschen um mich, die einen Politikstil pflegen, der nicht so polarisierend ist und nicht unter der Zunahme von neuen Medien stattfindet.“ Zu beiden schaute Eitner damals auf, sie wurden politische Vorbilder. Das erklärt die Distanz zu den lauten Tönen aus dem blauweißen Lager der Freien Wähler.

Wurzeln des Mülheimer Kandidaten: „Ich bin sozial-liberal“

Und doch passte auch die ‚alte Tante SPD‘ wenige Jahre später nicht mehr: In der Struktur der Sozialdemokraten fühlte sich der junge Genosse zu wenig gehört. „Interne Reibungspunkte“ hätten Eitner, der neben dem Beruf auch die Weiterbildung zu stemmen hatte, zu viel Zeit gekostet. Außerdem: „Das ständige Ins-Licht-stellen, das Polarisieren, das Netzwerken, um nach vorne zu kommen, ist das, was mich an der Politik am meisten abschreckt“, sagt der 27-Jährige. Sich zurücknehmen im Sinne einer größeren Sache allerdings, gehe gegen diesen Zeitgeist.

Auch interessant

„Es lohnt sich trotzdem“, antwortet Eitner, wenn man ihn fragt, warum er sich das dann antue. Um Dinge zu verändern, müsse man daran teilhaben. Die größere Sache – den „gesellschaftlichen Need“, wie der Finanzexperte Eitner formuliert – habe er damals bei dem inzwischen verstorbenen Alexander Kocks gefunden, der nach einem Kurzauftritt beim Bürgerlichen Aufbruch (BAMH) gerade bei den Freien Wählern anheuerte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der 27-Jährige schon seinen Arbeitsplatz gewechselt zur Interhyp.

„Alexander war für mich der Inbegriff des Ruhrgebiets. Jemand, der sein Herz auf der Zunge hatte. Er hat mir gezeigt, dass – unabhängig davon, wo man herkommt – man etwas platzieren kann, wenn man es will. Das hat mich gecatcht. Und das war anders als bei der SPD: Dort konnte man sagen, was man wollte – es war im Hintergrund schon geklärt.“

Nach dem plötzlichen Tod des Vorsitzenden Alexander Kocks haben die Freien Wähler Mülheim im September 2024 einen neuen Vorstand gewählt: Die Mitglieder wählten Maximilian Eitner (re.) einstimmig zum neuen Vorsitzenden. Gaby Günther ist stellvertretende Vorsitzende, Uwe Schmidt ist Schatzmeister. 
Nach dem plötzlichen Tod des Vorsitzenden Alexander Kocks haben die Freien Wähler Mülheim im September 2024 einen neuen Vorstand gewählt: Die Mitglieder wählten Maximilian Eitner (re.) einstimmig zum neuen Vorsitzenden. Gaby Günther ist stellvertretende Vorsitzende, Uwe Schmidt ist Schatzmeister.  © Freie Wähler Mülheim

„Pullfaktoren aus Bayern waren es auf keinen Fall“, sagt Eitner, was ihn zu den Freien Wählern holte. Nicht nur Eitners Sprache klingt anders als die Bierzeltreden des FW-Spitzenkandidaten Hubert Aiwanger, „ich bin sozial-liberal, ich sehe mich als jungen Europäer und ich will eine pluralistische Gesellschaft“, bekennt der 27-Jährige.

Der Anspruch, Probleme sachorientiert und ideologiefrei zu lösen, habe den Wirtschaftsexperten letztlich abgeholt. Und so platziert Eitner Themen, die im Ruhrgebiet bedeutsam sind, wenn auch im Wahlprogramm der Freien Wähler derzeit nicht an der Spitze stehen: etwa Wohnen, Rente, steuerfreies Einkommen.

Günstiger Wohnen: „Genossenschaften müssen sexy werden“

Eigentlich fordern die Freien Wähler keinen Mietendeckel. Doch: „Wir sehen, dass sich Mieten und Einkommen entkoppelt haben: 2022 mussten deutsche Haushalte 27,8 Prozent ihres Haushaltes für Miete aufwenden. Wir brauchen eine Rückkehr zum sozialen Wohnungsbau“, sagt der Fachmann für Immobilien. Bis 2023 habe sich der Anteil der Sozialmietwohnungen auf 1,07 Millionen von ehemals 2,09 Millionen (2006) verringert. „In Österreich gehören dagegen 24 Prozent des gesamten Baubestands den gemeinnützigen Bauvereinigungen, deren Bindung immer wieder verlängert wird.“

„Wohnungsbaugenossenschaften müssen sexy werden“, fordert der Mülheimer Bundestagskandidat Maximilian Eitner (Freie Wähler).
„Wohnungsbaugenossenschaften müssen sexy werden“, fordert der Mülheimer Bundestagskandidat Maximilian Eitner (Freie Wähler). © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

„Es bleibt uns keine andere Wahl, als dass wir eine staatliche Lenkung einsetzen“, glaubt Eitner. Der Bund sollte daher etwa Wohnungsbaugenossenschaften fördern, bei Vergabeverfahren von Grundstücken sollte man nicht nur das höchste Angebot berücksichtigen, „sondern fragen: Was ist gesellschaftlich das Nachhaltigste?“ Eine Förderung des sozialen Wohnungsbaus könnte ebenso Druck auf aktienorientierte Wohnungsbauunternehmen ausüben. Das vermeintlich alte Modell der Genossenschaft als Teilhabe von Bürgern müsse „sexy werden“, meint Eitner, das gelte auch für Energiegenossenschaften.

Und nicht zuletzt könnte der Homeoffice-Trend den Wohnungsmarkt verbessern – wenn Gewerbeflächen umgenutzt würden. „Braucht es so viele Büros im Zuge von ‚new work‘ noch?“, fragt der Immobilienfachmann: Laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC könnten 20 Millionen Quadratmeter Bürofläche in Deutschland sich für Wohnnutzung eignen - das entspräche rund 200.000 Wohnungen.

Keine Abstriche will Eitner hingegen bei energetischen Standards des Bauens machen, die ebenfalls für hohe Baukosten sorgen: „Wir sollten langfristig schauen, dass wir unsere Klimaziele auch erreichen. Dazu gehört, den Gebäudebestand so aufzustocken, dass wir unseren Footprint reduzieren.“ Es nütze nichts, den Eigentümern jetzt zu versprechen, dass sie den alten Gaskessel nicht austauschen müssen, wenn Wärmepumpe oder Solarthermie oder die KWK-Anlage im Quartier die Technologien der Zukunft sind - „ich halte sie für smart und zukunftssicher“, bekennt Eitner.

Mülheimer Kandidat: Altersarmut angehen und mehr Netto vom Brutto

„Es tut mir im Herz weh, wenn ich Menschen aus der Generation meiner Eltern sehe, die ihr Leben lang gearbeitet haben und trotzdem wenig Rente haben. Vor allem betrifft es Frauen, die das Land mit aufgebaut haben. Wir müssen gucken, dass wir zumindest die Steuerbelastung so gestalten, dass kleine Renten nicht doppelt besteuert werden. Die Freien Wähler sind dafür, dass die Steuerfreibeträge auf 2000 Euro im Monat – also 24.000 Euro im Jahr - angehoben werden, damit Rentner, aber auch Geringverdiener über die Runden kommen.

Die andere Frage ist, wie denn das finanziert werden soll, weil sich mit der Steuerprogression durch die Freibeträge auch die Steuergrenzen verschieben. Nach meiner Rechnung würde das den Staat zwischen 24 und 35 Milliarden Euro kosten. Als Zahlenmensch muss ich leider sagen: Diese Rechnung hätte ich – offen gesprochen – aus Bayern von Herrn Aiwanger erwartet, bevor man die Plakate druckt. Aber ich finde die Forderung trotzdem richtig, um das Problem der Altersarmut anzugehen und Entlastung für geringe Einkommen zu schaffen.“

Migration und Innere Sicherheit

Im Mittelpunkt ihres Programms sehen die Freien Wähler im Bund auch „die Sicherung der Grenzen und der Kampf gegen illegale Migration“, Der junge Europäer Eitner hadert: „Ich finde, dass man innere Sicherheit nicht an der Nationalität ausmachen sollte, weil es die Kernthemen verlagert. Wichtiger sind keyfacts, die die Psyche eines Menschen beschreiben. Die Frage sollte sein: Warum sind Menschen aggressiv, was führt zu solchen Taten und was kann der Staat tun, damit das zukünftig nicht passiert?“

„Das Ruhrgebiet hat es wunderbar vorgemacht, wie Integration funktionieren kann“, sieht Maximilian Eitner (Freie Wähler) in der Teilhabe an Arbeit ein wirksames Mittel.
„Das Ruhrgebiet hat es wunderbar vorgemacht, wie Integration funktionieren kann“, sieht Maximilian Eitner (Freie Wähler) in der Teilhabe an Arbeit ein wirksames Mittel. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Eitner hält die Teilhabe an Arbeit für einen integrativen Faktor: „Ich finde, das Ruhrgebiet hat es wunderbar vorgemacht. Es ist natürlich ein plakatives Beispiel, aber in den Kohlebergwerken haben Deutsche, Polen, Italiener und Türken an einem Strang gezogen. Und sind danach zusammen vielleicht ein Bier trinken gegangen. Ich finde es unfair, dass die Hürden für das Arbeiten von Nicht-Europäern sehr hoch sind. Jeder sollte die Chance bekommen, unbürokratisch mitzuarbeiten, um ein Teil der Gesellschaft zu werden.“

Das möge idealistisch klingen, räumt Eitner ein, aber als Rettungsschwimmer in dritter Familiengeneration im Friedrich-Wennmann-Bad hat er die Erfahrung gemacht: „Mein Opa hat als erster staatlich geprüfter Schwimmmeister 1975 dort angefangen. Wenn Sie dort arbeiten, haben Sie alle Kulturen, Nationalitäten und Bildungsgänge versammelt. Es ist sicher nicht alles rosig, ich habe aber festgestellt: Wenn man mit Menschen respektvoll umgeht, kriegt man den Respekt zurück - egal welcher Herkunft sie sind.“

Bundestagswahl in Mülheim und NRW - lesen Sie dazu auch

Bleiben Sie in Mülheim auf dem Laufenden!

>> Alle Nachrichten aus Mülheim lesen Sie hier. +++ Abonnieren Sie kostenlos unseren Newsletter per Mail oder Whatsapp! +++ Hier kommen Sie zu unseren Schwerpunktseiten Wohnen, Gastronomie, Handel/Einkaufen und Blaulicht. +++ Zu unserem Freizeitkalender geht es hier. Legen Sie sich doch einen Favoriten-Link an, um kein Event zu verpassen! +++ Lokale Nachrichten direkt auf dem Smartphone: Laden Sie sich unsere News-App herunter (Android-VersionApple-Version).