Mülheim. Dass die CDU in der Migrationsfrage auf Stimmen der AfD setzt, sorgt bei Mülheims Grünen für Empörung. Bricht gar die Ratskoalition auseinander?

Der Berliner Tabubruch, dass die CDU ihren Antrag zur Migrationspolitik mit Stimmen der AfD durchbrachte, hallt auch in Mülheim nach. Die Grünen stellen gar ihre Zusammenarbeit mit der Union im Stadtrat infrage.

„Wir sind zutiefst enttäuscht und entsetzt über die Ereignisse der letzten Tage aus Berlin. Dass die CDU/CSU-Fraktion unter der Führung von Kanzlerkandidat Friedrich Merz zum ersten Mal einen Antrag gemeinsam mit der Rechtsaußen-Fraktion der AfD beschließt, ist ein politischer Dammbruch“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des Mülheimer Kreisverbandes der Grünen und der Ratsfraktion, die am Freitag an lokale Medien hinausging. 

Mülheims Grüne kritisieren Zustimmung der örtlichen CDU zu politischem Rechtsruck

Die Grünen richten ihre Kritik auch gegen die örtliche CDU. So hatte die Mülheimer Bundestagsabgeordnete und Kreisvorsitzende, Astrid Timmermann-Fechter, zwar krankheitsbedingt nicht an der Abstimmung im Bundestag teilgenommen, in einer Erklärung am Donnerstag aber klar geäußert, hinter dem Vorgehen der CDU-Bundestagsfraktion zu stehen, ihre Entschließungsanträge auch mit AfD-Stimmen durchzubringen.

„Es müssen jetzt konkrete Entscheidungen getroffen werden“, hatte Timmermann-Fechter erklärt, dass es für „notwendige Maßnahmen bei der Inneren Sicherheit, für sichere Grenzen und ein entschlossenes Vorgehen gegen illegale Migration“ nach den Angriffen in Magdeburg und Aschaffenburg keinen Aufschub mehr geben dürfe – auch wenn es zu ihrem Bedauern keine Mehrheit aus der Mitte des Parlaments dafür gegeben habe.

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„Wir Grüne in Mülheim spüren, dass viele Menschen in unserer Stadt von den Geschehnissen in Berlin bewegt werden. Viele Mülheimer*innen haben Angst vor einem gesellschaftlichen und politischen Rechtsruck, einer Normalisierung der AfD und Freiheitseinschränkungen“, sind Kreisverband und Ratsfraktion der Grünen mit dieser Erklärung nicht einverstanden. „Wir werden die Geschehnisse aus Berlin für uns in Ruhe auswerten und im Hinblick auf unsere Zusammenarbeit mit der CDU in Mülheim reflektieren“, erklärten Annette Lostermann-De Nil und Bridget Fonkeu als Vorsitzende des Kreisverbandes sowie Brigitte Erd und Timo Spors als Vorsitzende der Ratsfraktion.

Mülheim noch ohne Haushalt für 2025: Bruch der Koalition wäre folgenschwer

Könnte das bedeuten, dass die Grünen die Ratskoalition mit der CDU in Mülheim gar noch vor der Kommunalwahl im September verlassen? Auf Nachfrage erklärten Lostermann-De Nil und Spors am Freitag, so kurz nach den Berliner Vorkommnissen noch nichts ausschließen zu können. Pikant: Mülheim steht noch ohne Haushalt für 2025 da. CDU und Grüne sind gerade in ihren finalen Abstimmungen zum Etat. Ein Ende der Zusammenarbeit hätte da weitreichende Folgen, müssten dann womöglich andere Fraktionen kurzfristig in einen Kompromiss zum Etat einbezogen werden.

Mülheims Grüne stoßen sich nicht nur an der Erklärung Timmermann-Fechters, sondern auch an der breiten Zustimmung, die diese in sozialen Netzwerken von führenden CDU-Kräften in der Stadt erfahren hat, etwa von Fraktionschefin Christina Küsters, dem Co-Vorsitzenden Roland Chrobok, zahlreichen weiteren Ratsmitgliedern wie dem ehrenamtlichen Bürgermeister Markus Püll oder ganzen Organisationseinheiten wie der CDU Dümpten oder der Jungen Union. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer Erklärung vermissten die Grünen auch eine Positionierung von OB Marc Buchholz. Der hatte am Freitagmittag auch bei Instagram den Gefällt-mir-Button zu Timmermann-Fechters Erklärung gedrückt.

Grünen-Fraktionschef: „Es fällt schwer einfach so zum Tagesgeschäft zurückzukehren“

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In den Vorständen von grünem Kreisverband und grüner Ratsfraktion ist derweil laut Lostermann-De Nil und Spors noch unklar, in welchem Format die Mülheimer Grünen zu einer Bewertung kommen wollen, ob aus ihrer Sicht die Zusammenarbeit mit der örtlichen CDU Zukunft haben kann. Man wolle sich „Zeit lassen, um zu schauen, was das bedeutet“, sagte Lostermann-De Nil. „Wir können im Moment gar nichts ausschließen, aber auch nichts ankündigen.“

Spors sagte, die interne Diskussion zu den örtlichen Folgen des Berliner Tabubruches sei „erst mal ein offener Prozess“. Klar sei, dass es „schwerfällt, einfach so zum Tagesgeschäft zurückzukehren“. Es gebe hinsichtlich der Kooperation mit der CDU Redebedarf in den eigenen Reihen. „Alles ist offen“, machte Spors klar, dass sich die Grünen Zeit nehmen wollen für die interne Debatte.

Es müsse jetzt darum gehen, „unterschiedliche Stimmungen“ im Kreisverband „aufzufangen und zu diskutieren“. Eine Kurzschluss-Reaktion wolle man vermeiden, auch, dass am Ende die Stadt Schaden nehme. Schließlich habe man mit der CDU in den vergangenen vier Jahren gute Arbeit für Mülheim geleistet.

Mülheimer Bündnis plant „Lichtermeer für die Demokratie“

Zahlreiche Mülheimer Grüne haben sich laut Spors am Donnerstag in Düsseldorf oder Duisburg an den spontanen Demos gegen die Berliner Geschehnisse beteiligt, am Freitag wollten viele ihre Stimmung auch bei einer Protestkundgebung in Essen auf die Straße bringen. „Auch in diesen schwierigen politischen Zeiten wollen wir Grüne in unserer Stadt eine Kraft der Zuversicht sein. Wir rufen zu allen friedlichen Demonstrationen auf, die unsere Demokratie verteidigen und stark machen“, hieß es dazu in der Erklärung der Grünen. 

Auch für Mülheim ist eine Demonstration in Vorbereitung. Das Bündnis „Mülheim stellt sich quer“ will am Sonntag, 9. Februar, von 16.30 bis 18.30 Uhr dazu auf den Rathausmarkt einladen. Das Motto: „Aufstehen! Ein Lichtermeer für die Demokratie“. SPD-Oberbürgermeisterkandidatin Nadia Khalaf als Kopf des Bündnisses aus vielerlei Mülheimer Organisationen sagte am Freitag, die Kundgebung sei schon länger in Planung, angesichts der Berliner Ereignisse jetzt „mehr als dringlich“.

Wie Mülheims CDU-Oberbürgermeister auf die Grünen reagiert

Auf Anfrage der Redaktion gab auch CDU-Oberbürgermeister Buchholz am Freitag eine Stellungnahme zur Grünen-Erklärung ab: „Meine persönliche Wahrnehmung ist, dass etwas weniger Emotionalität und etwas mehr Zurückhaltung allen Parteien gut zu Gesicht stehen würden“, äußerte er sich. Die Diskussion um den „richtigen Weg für die zukünftige Migrationspolitik“ beschäftige die Menschen. Es gebe angesichts von aktuell drei Millionen Arbeitslosen, der Frage und Antwort nach sozialer Gerechtigkeit aber noch „weitere wichtige, die Menschen persönlich betreffende Themen“.

Mit Blick auf die Mehrheitsbildung von CDU und AfD im Bundestag erklärte Buchholz, dass aus seiner Sicht die Themen Sicherheit und Ordnung von der aktuellen Bundesregierung nur unzureichend behandelt worden seien. Nun drohe der eigentliche Fokus der Debatte verloren zu gehen. „In unserer Demokratie steht es jeder Partei zu, eigene politische Initiativen zu ergreifen, um Vorschläge und Anträge in das Parlament einzubringen. Zustimmung von nicht gewünschten politischen Rändern sollte auch in Wahlkampfzeiten nicht fälschlicherweise als Zusammenarbeit interpretiert werden.“ 

Mülheims Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU)

„In unserer Demokratie steht es jeder Partei zu, eigene politische Initiativen zu ergreifen, um Vorschläge und Anträge in das Parlament einzubringen.“

Marc Buchholz
CDU-Oberbürgermeister in Mülheim

Mülheims SPD ist „entsetzt über den Einriss der Brandmauer“

Weiter mahnte Buchholz, dass die demokratischen Parteien der Mitte gut daran täten, „größtmöglichen politischen Konsens – auch bei unterschiedlichen Positionen – mit breiten Mehrheiten in der Mitte des Parlaments und der Gesellschaft zu finden.“ Dies gelte auch für Mülheim. Für die Zeit nach der Bundestagswahl seien alle Verantwortlichen, auch in Mülheim, „gut beraten, dies nicht aus den Augen zu verlieren“, ließ er sich nur mit diesem Zwischenton auf die Positionierung der Mülheimer Grünen ein.

Wie zuvor schon die Linken zeigte sich am Freitag auch Mülheims SPD „entsetzt über den Einriss der Brandmauer durch die Merz-CDU“. Die Union verrate ihre demokratische Verantwortung. Der SPD Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler erklärte, dass die CDU-Initiative im Bundestag teils europarechtswidrig sei, teils kriminalpolitische Irrwege beschreite. „Wer sehenden Auges Mehrheiten mit der AfD provoziert, stellt unsere demokratischen Grundwerte und den jahrzehntelangen Grundkonsens infrage.“

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