Mülheim. Die Mülheimer Krankenhäuser verschärfen ihre Vorkehrungen gegen gewaltbereite Patienten und Besucher. Schutzräume und Alarmknöpfe sollen helfen.
Der Gewaltausbruch im Essener Elisabeth-Krankenhaus vor etwa drei Wochen alarmiert auch das medizinische Personal in Mülheim. In der KV-Notdienstpraxis im St. Marien-Hospital (SMH) werden jetzt die Sicherheitsvorkehrungen deutlich verschärft. Dies sei gemeinsam mit der Geschäftsführung des Krankenhauses beschlossen worden, berichtet Dr. Stephan von Lackum, Vorsitzender der KV-Kreisstelle in Mülheim.
„Diejenigen, die uns belästigen, sollen wissen, dass wir aufrüsten“, ergänzt er. „Schade, dass es soweit kommen muss...“
Mülheimer Notdienstpraxis prüft Kameraüberwachung
In der Notdienstpraxis, die einen gemeinsamen Empfangstresen mit der zentralen Notaufnahme des SMH hat, sind verschiedene Sicherheitsmaßnahmen geplant. So soll - „nach juristischer Prüfung“, wie es heißt - eine Überwachungskamera installiert werden, die im Notfall eingeschaltet werden kann. In Kürze soll auch ein Schutzraum für die Mitarbeitenden geschaffen werden, den man von außen nicht öffnen kann.
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Außerdem soll das Team der KV-Notfallpraxis mit auf das Notfallhandy geschaltet werden, das es in der Zentralen Notaufnahme des St. Marien-Hospitals schon gibt: In kritischen Situationen kann über einen speziellen Knopf am Diensthandy Alarm ausgelöst werden, um andere Mitarbeitende zur Hilfe zu rufen. Auch ein Deeskalationstraining für das KV-Praxisteam soll angeboten werden.
Immer öfter beschimpft - „unhaltbare Zustände“
Von Lackum erklärt, die Initiative für mehr Sicherheit sei von ihm ausgegangen. Anlass: „Der Angriff in einer anderen Notfallpraxis auf einen KV-Arzt, der relativ stark verletzt wurde“. Auch Erfahrungen in der neuen Mülheimer Notdienstpraxis, die direkt neben der Krankenhaus-Notaufnahme liegt, hätten dazu beigetragen. Dorthin kämen mitunter psychiatrische Patienten, die teilweise erheblich aggressiv seien.
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Auch das KV-Team werde „immer öfter zumindest beschimpft oder sogar bespuckt“, so von Lackum. „Das sind unhaltbare Zustände, die leider im Moment eher schlechter als besser werden.“
St. Marien-Hospital Mülheim: wachsendes Maß an verbaler Gewalt
Auch das St. Marien-Hospital überprüft derzeit sein mehrstufiges Sicherheitskonzept und will es weiterentwickeln, bestätigt eine Krankenhaussprecherin auf Anfrage. Zwar habe es noch keine Handgreiflichkeiten oder andere Formen körperlicher Gewalt in der Zentralen Notaufnahme gegeben. Doch: „Ähnlich wie bei Feuerwehr oder Rettungskräften haben auch wir festgestellt, dass das Maß an verbaler Gewalt gegenüber dem Team gestiegen ist.“
Neben technischen Vorkehrungen, wie dem Alarmknopf am Diensthandy oder verschließbaren Türen, setze das SMH auf regelmäßige Deeskalationstrainings, habe dafür eigene Trainer: „Wir haben in der Vergangenheit investiert, um unsere Mitarbeitenden in der Notaufnahme, Psychiatrie, aber auch aus anderen Bereichen zu trainieren, mit krisenhaften Situationen professionell und vorausschauend umzugehen“, heißt es aus dem SMH.
Oft „krisenhaft erlebte Situationen“ in der Psychiatrie
Als Krankenhaus mit psychiatrischer Fachklinik sei das SMH in einer besonderen Situation, ergänzt die Sprecherin: „Bei uns gibt es regelmäßig krisenhaft erlebte Situationen von akut psychiatrisch erkrankten Menschen.“ Psychiatrische Notfälle erscheinen auch in der Zentralen Notaufnahme. Dort würde dann sofort Fachpersonal zur Hilfe gerufen.
Gerade im Aufbau sei ein „kollegiales Ersthelfer-Team“, das in der Psychiatrie des St. Marien-Hospitals installiert werden soll. Speziell geschulte Mitarbeitende sollen anderen direkt nach „drastischen Ereignissen“ helfen, die psychischen Belastungen zu verarbeiten.
Neuer Leitfaden gegen Gewalt vorgestellt
In der Notaufnahme gehöre es „fast zur Normalität, dass man in einem fordernden Ton angesprochen wird“: Dies sagte Simon Härtel, Pflegedirektor des Evangelischen Krankenhauses Mülheim (EKM), in der vergangenen Woche im Rahmen einer Pressekonferenz des NRW-Innenministeriums. Dort wurde ein neuer Leitfaden der Krankenhausgesellschaft vorgestellt: Handlungsempfehlungen gegen Gewalt im Klinikalltag. Das EKM habe daran mitgearbeitet, erklärt eine Sprecherin.
Viele Sicherheitsmaßnahmen wurden hier bereits umgesetzt. Dazu gehört der „stille Alarm“, schon in der Eingangshalle: Per Knopfdruck wird direkt die Polizei gerufen. Sie sei bereits einige Male alarmiert worden. Auch Hausverbote habe man schon ausgesprochen. Am Wochenende sei im Evangelischen Krankenhaus ein Sicherheitdienst unterwegs, der in kritischen Situationen hinzugezogen werden kann, so die EKM-Sprecherin weiter. Auch hier würden Deeskalationstrainings für die Beschäftigen angeboten. Eine Projektgruppe sei gerade dabei, ein umfassendes Schutzkonzept zu erarbeiten.
„Null-Toleranz-Strategie“ der Mülheimer Krankenhäuser
Beide Mülheimer Krankenhäuser betonen, bei ihnen gelte eine „Null-Toleranz-Strategie bei Gewalt“. Mitarbeitende könnten sich jederzeit an ihre Vorgesetzten oder die Pflegedirektion wenden, wenn sie sich unsicher oder bedroht fühlen. Und wenn etwas passiert, heißt es aus dem EKM, helfe ein großes Kriseninterventions-Team den Betroffenen, das Erlebte zu verarbeiten.
Wer sich im Evangelischen Krankenhaus daneben benimmt, kommt auf eine Art „schwarze Liste“, in digitaler Form. In der elektronischen Dokumentation wird die Person gekennzeichnet. Falls sie erneut erscheint, versuche man, eine erfahrene Pflegekraft heranzuziehen, „bestenfalls eine männliche“, so die Sprecherin. In akuten Notfällen werden aber auch unangenehme Leute im Krankenhaus behandelt.
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