Mülheim/Essen/Duisburg. Im Rückwärtsgang krachte ein Franzose mit einem Auto ins Rhein-Ruhr-Zentrum, bestahl einen Juwelier. Vor Gericht kamen weitere Details ans Licht.

Der deutschen Justiz musste sich am Dienstag ein 22-Jähriger aus Frankreich stellen. Er hatte Weihnachten 2023 einen spektakulären Blitzeinbruch im Rhein-Ruhr-Zentrum sowie weitere Straftaten in Duisburg hingelegt und stand nun nach mehrmonatiger Untersuchungshaft in Mülheim vor dem Schöffengericht.

Die Staatsanwaltschaft Duisburg hatte den jungen Franzosen nach umfangreichen polizeilichen Ermittlungen für schuldig befunden, am 1. Weihnachtsfeiertag mit einem gestohlenen BMW eine Eingangstür zum Rhein-Ruhr-Zentrum aufgerammt zu haben und mehrere hundert Meter durch die Ladenstraßen gefahren zu sein, bis er schließlich ans Ziel gelangte. An einem Juweliergeschäft fuhr er mit Schwung gegen das Rolltor, das unter der Wucht zusammenbrach. Im Laden stieg er aus, schlug mit einem schweren Vorschlaghammer die Vitrinen auf und raffte in kürzester Zeit wertvolle Uhren für 102.000 Euro zusammen. Dann gab er Gas und verließ das Zentrum, indem er mit dem Wagen einen weiteren Zugang auframmte. Allein der Sachschaden lag bei 45.000 Euro.

Nur einen Tag nach der Tat in Mülheim schlug der 22-Jährige in Duisburg zu

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Ein Wachmann, der das Getöse gehört hatte, alarmierte die Polizei. Bis die erste Streife eintraf, hatte der Angeklagte den Wagen jedoch schon in der Nähe auf einem Parkplatz abgestellt und war verschwunden. Um Spuren zu beseitigen, hatte er noch den Inhalt eines Feuerlöschers in dem Wagen versprüht. Das Tatfahrzeug hatte er tags zuvor in Duisburg entwendet und mit falschen Kennzeichen ausgestattet.

Eine Aufnahme nach dem Einbruch im Rhein-Ruhr-Zentrum, wo der Täter mit einem BMW hineingerast war.
Eine Aufnahme nach dem Einbruch im Rhein-Ruhr-Zentrum, wo der Täter mit einem BMW hineingerast war. © oh | Polizei Essen/Mülheim

Damit nicht genug. Nur einen Tag später fuhr er mit einem anderen BMW, den er ebenfalls vorher gestohlen hatte, nachts zu einem Juwelier in Duisburg. Er zerstörte dort mit einem Trennschleifer ein Schaufenster. Sein Pech: Eine Polizeistreife in der Nähe war auf den Lärm aufmerksam geworden. Auf der Überwachungskamera des Schmuckhändlers war noch zu sehen, wie der Polizeiwagen eintraf und das Tatfahrzeug losfuhr. Bei einer Verfolgungsfahrt verlor der Einbrecher die Kontrolle über seine Limousine und prallte auf einem Grünstreifen an der Sechs-Seen-Platte gegen Bäume und Sträucher. Dabei geriet der Wagen in Brand. Die wilde Flucht ging zu Fuß weiter. Letztlich wurde er aber festgenommen.

Glassplitter und Funkzellenauswertung erbrachten eindeutige Hinweise

Die weiteren Ermittlungen erbrachten, dass der Mann mit einem Wohnmobil ins Ruhrgebiet gereist war. Bei der Durchsuchung des Wagens wurden diverse gefälschte Autokennzeichen, eine Kennzeichenprägemaschine, Werkzeuge, falsche Dokumente und eine Sturmhaube gefunden. Segensreich wirkte bei den Ermittlungen auch das Landeskriminalamt, das gutachterlich feststellen konnte, dass feine Glassplitter, die an der Kleidung des Festgenommenen gehaftet hatten, von der Schaufensterscheibe des Duisburger Juweliergeschäfts stammten.

Zudem waren sich Mitarbeiter des Rhein-Ruhr-Zentrums bei einer Lichtbildvorlage bei der Polizei ziemlich sicher, dass es sich bei dem Angeklagten um denselben Mann handelte, der sich in der Nacht zum Heiligen Abend in verdächtiger Weise an einem Zaun des Einkaufszentrums aufgehalten hatte. Als wirksame Polizeimaßnahme hatte sich zudem eine Funkzellenauswertung erwiesen, bei der herauskam, dass das Handy des Täters zu den Tatzeiten an sämtlichen Tatorten der Einbrüche und der Kfz-Diebstähle eingeloggt gewesen war.

Leugnen zwecklos: 22-Jähriger gesteht Taten im Rhein-Ruhr-Zentrum und in Duisburg

Offensichtlich hatte ihm sein Rechtsanwalt Sedat Kapusuz ausreichend klarmachen können, dass bei dieser Beweislage ein Leugnen der Taten zwecklos sein dürfte. Der Angeklagte, dem eine Dolmetscherin für die Verhandlung zur Seite gestellt war, ließ daher über seinen Verteidiger verlesen, dass er die Taten in vollem Umfang einräumt und er sein Handeln bereue. Zweifel dürften den Zuhörern im Saal allerdings bei der Behauptung gekommen sein, dass die Tasche mit Uhren im sechsstelligen Eurowert „irgendwie weggekommen“ sei und er nicht wisse, wo sie geblieben sei. Fraglich erschien Richterin Claudia Lubenau und den Schöffen auch das Tatmotiv des Beschuldigten. „Er ist von einer gefährlichen Person bedroht worden, der er noch Geld schuldete“, brachte Verteidiger Kapusuz vor.

Staatsanwältin Laura Lins forderte für den Angeklagten eine Strafe von drei Jahren und zwei Monaten ohne Bewährung. Sie hielt ihm sein umfassendes Geständnis und sein geringes Alter zugute, sah aber strafverschärfend die hohe kriminelle Energie, mit der die Taten begangen worden waren. Der Verteidiger beantragte eine Strafe unter drei Jahren Haft. Letztlich lief es bei den drei Richtern auf eine Strafe von zwei Jahren und elf Monaten hinaus.

Die Frage bleibt unbeantwortet: Wo ist die Beute im Wert von 122.000 Euro?

Außerdem wurde dem Angeklagten auferlegt, den Beuteschaden von insgesamt 122.000 Euro wiedergutzumachen. Claudia Lubenau: „Auch wenn uns klar ist, dass er das wahrscheinlich nie bezahlen kann, soll er aber von dieser Last nicht befreit werden.“ Auch wurde ihm die Fahrerlaubnis für Deutschland entzogen.

Da der Angeklagte, dessen Angaben zur Person das Bild einer gescheiterten Existenz mit geringem Schulabschluss und ohne Berufsausbildung offenbarten, über die Einlassung seines Anwalts hinaus keine weitere Angaben machen wollte, blieben am Ende des Prozesses einige Fragen ungeklärt. Wo ist die wertvolle Beute abgeblieben? Konnten solche Straftaten mit so hoher krimineller Energie und Professionalität tatsächlich eine Ersttat eines jungen Mannes sein? Auch auf die Frage der Redaktion, warum sein französischer Mandant ausgerechnet ins Ruhrgebiet gefahren war, wo es sicher auch in Frankreich Juweliere gibt, gab es seitens des Anwalts keine Antwort.

Zum Schluss des Prozesses wurde dem Verurteilten, dessen Haftbefehl aufrechterhalten blieb, noch kurz die Gelegenheit gegeben, mit seinen Eltern zu sprechen, die eigens aus Frankreich zur Verhandlung angereist waren und dieser als Zuhörer beigewohnt hatten. Eine Umarmung nach langer Trennung ließen die anwesenden Justizbeamten allerdings aus Sicherheitsgründen nicht zu.

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