Moers. Gegen pietätloses und kriminelles Verhalten auf Moerser Friedhöfen greift Betreiber Enni nun stärker durch. Was dort geschieht macht fassungslos.
Viele der Geschichten, die Ralf Hötzel zu erzählen hat, sind schwer zu begreifen. Als Enni-Sachgebietsleiter für den Bereich Grünflächen verwaltet er die zehn Moerser Friedhöfe – und weiß genau, welche Probleme dort immer wieder auftreten. Diebstahl, Vandalismus, wilden Müll: All das hat Hötzel in seiner Funktion bereits erlebt. Und will mit neuen Maßnahmen verhindern, dass das Verbrechen an dem Ort, an dem die Toten ruhen sollen, nicht überhandnimmt.
Weitere aktuelle Nachrichten aus Moers, Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn:
- Brücke in Moers fast ein Jahr gesperrt: Warum tut sich nichts?
- Unterwallstraße in Moers: Autofahrer sauer – „Katastrophe“
- Adventskranz selber machen: Floristin verrät Tricks und Trends
- Grüne in Neukirchen-Vluyn: „Sprache muss einfacher werden“
- Und hier bekommen Sie alle News im Überblick.
Kriminelle auf Friedhöfen gab es schon immer. Insbesondere Diebstahldelikte waren vor rund 15 Jahren noch häufiger als heute. „In der Zeit um 2010 hatten Wertstoffe noch höhere Preise. Ich erinnere mich gut daran, dass damals von 200 Gräbern auf einmal der Grabschmuck gestohlen wurde“, berichtet Hötzel. Auch im Jahr 2024 bedienen sich Langfinger an Grableuchten, Figuren und sogar bronzenen oder kupfernen Grabinschriften – wenngleich seltener.
Diebe auf Friedhöfen in Moers: Polizei sieht eindeutiges Tatmotiv
Diesen Eindruck teilt die Polizei. Jüngst hatte die Kreisbehörde innerhalb einer Woche über zwei Diebstähle berichtet, auf dem englischen Friedhof in Kamp-Lintfort (Tatzeit: 16. bis 19. August) und am Friedhof an der Klever Straße in Moers (25. August). Ein Anstieg der Tathäufigkeit sei trotz der nahe beieinander liegenden Vorfälle nicht zu erkennen: „In diesem Jahr gingen bei uns im Bereich Kamp-Lintfort 3, in Moers 29 und in Neukirchen-Vluyn 2 Meldungen zu Diebstählen auf Friedhöfen ein, bei denen jeweils Strafanzeigen aufgenommen wurden“, teilt eine Sprecherin auf Nachfrage mit. Damit liegt die Zahl der Diebstähle auf Friedhöfen auf einem ähnlichen Niveau wie im gesamten Jahr 2022, aber noch unter dem des Vorjahres. Im Jahr 2023 wurden in Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn jeweils sechs Vorfälle registriert, in Moers waren es 39.
Die Aussichten, einen Täter zu überführen, seien eher gering, betont die Sprecherin. „Die Gegenstände, die auf den Friedhöfen gestohlen werden, werden zumeist zeitnah an Metall- und Schrotthändler weiterveräußert und nicht weiter genutzt. Die Wahrscheinlichkeit zur Rückgewinnung ist somit äußerst gering.“ Dazu passe das immer währende Tatmotiv: die finanzielle Bereicherung.
Trotz nächtlichen Vorfällen: Enni will Moerser Friedhöfe rund um die Uhr geöffnet lassen
Nicht nur von den Gräbern selbst, sondern auch aus Material- und Geräteräumen wird gestohlen, sagt Enni-Sachgebietsleiter Hötzel. Besonders auf Marken-Motorsägen und Handgeräte hätten es die Diebe abgesehen, sogar ein Anhänger sei dem Friedhofsteam entwendet worden. Der jährliche Schaden für das Unternehmen liege im vierstelligen Bereich. Kein Wunder, dass Enni nun mit verschärften Sicherheitsmaßnahmen durchgreifen möchte.
Die meisten der Straftaten spielen sich nach Angaben der Enni in der Nacht ab. Die Friedhöfe in dieser Zeit zu schließen, sei auf absehbare Zeit aber keine Option. Schließlich könne man Menschen, die frühmorgens oder spätabends an der Grabstätte trauern oder den Friedhof als Parkanlage oder Abkürzung nutzen wollen, nicht ausschließen. Zumindest die Zufahrt für Autos habe man nun eingeschränkt. „Wir haben das Befahren der Friedhöfe von Unbefugten durch Schließsysteme mit einem elektronischen Mechanismus geregelt“, erklärt Ralf Hötzel.
Friedhöfe in Moers: Rücksichtlose Besucher fahren mit dem Auto bis zum Grab
Durch diesen Schritt soll Dieben der Abtransport ihrer Beute erschwert werden. Aber nicht nur das: „Es gab immer wieder Fehlnutzungen von Friedhofsbesuchern, die mit dem Auto bis zur Grabstätte gefahren sind“, schildert der Sachgebietsleiter. Außerdem sei es vorgekommen, dass Fahrzeugladungen voller Haus- und Sperrmüll, Bauschutt und sogar alte Autoreifen an den Moerser Ruhestätten abgeladen wurden. „Das ist einfach nur pietätlos.“
Häufig schlagen die meist unerkannten Täter auf den Stadtteilfriedhöfen zu. „Am abgelegenen Friedhof Lohmannsheide sind uns fast monatlich Garagen oder Gebäude aufgebrochen worden. Eine neue Alarmanlage hat Wirkung gezeigt“, sagt Hötzel. Eine Videoüberwachung der Grabflächen habe man bei Enni zwar geprüft, dies sei datenschutzrechtlich aber nicht praktikabel.
Vandalismus auf Meerbecker Friedhof: Soziale Kontrolle statt Sicherheitsdienst
Ein weiterer Hotspot für Kriminalität, insbesondere durch Vandalismus an den sanitären Anlagen, sei lange Zeit der Friedhof in Meerbeck gewesen. Hier hat die Enni noch bis vor etwa zwei Jahren externe Sicherheitskräfte eingesetzt. Mittlerweile haben die Friedhofsverwalter zu einer anderen, etwas unkonventionelleren Maßnahme gegriffen: Ein eigens verwaltetes Denkmalschutzgebäude in unmittelbarer Nähe des Haupteingangs habe Enni renoviert und bezugsfertig gemacht. Hötzel: „Seit einem halben Jahr ist das Gebäude bewohnt und wir sehen, dass die soziale Kontrolle für uns von Vorteil ist.“ Manchmal reicht schon der aufmerksame Blick des Nachbarn, um eine Straftat zu vereiteln.
Trend geht zum pflegeleichten Grab
Bei der gewünschten Art der Bestattung beobachtet die Enni einen deutlichen Wandel. „Die Nachfrage nach pflegeleichten Gräbern wie Wiesen- und Waldgräbern wird immer größer“, berichtet der Sachgebietsleiter Ralf Hötzel. Von den jährlich rund 1150 neuen Begräbnissen in Moers würde diese Form in circa 70 Prozent der Fälle gewählt. Nur noch etwa jede bzw. jeder Dritte wünscht eine Erdbestattung. „Die Kinder sind oft in alle Städte verstreut. Früher waren die Familien ortsgebundener“, lautet eine der durch Hötzel vermuteten Ursachen. Eine weitere: Die Art zu Trauern habe sich gewandelt. Statt ein Grab zu besuchen, schauen sich manche Angehörige eher Bilder und Videos auf dem Smartphone an. Einen positiven Effekt könnte ein Rückgang der liebevoll geschmückten Grabstätten haben: Die Entwicklung lasse vermuten, dass es in Zukunft weniger Diebstähle geben könnte.