Neukirchen-Vluyn. Die Grünen in Neukirchen-Vluyn feiern 40. Geburtstag: Worauf sie mit Stolz blicken und wie sie bei den Wahlen mehr Menschen erreichen wollen.
Mehr als ein Dutzend Männer und Frauen drängen sich um den Schreibtisch, an dem Heiner Schlitzer in der Mitte sitzt und die Gründungsunterlagen vor sich liegen hat. Aufbruchsstimmung ist in den Gesichtern zu erkennen. Es ist Juli 1984 und vier Jahre nach der Gründung auf Bundesebene entsteht in Neukirchen-Vluyn der Grünen-Ortsverband. Drei der Gründungsmitglieder, Jochen Hochkamer, Heiner Schlitzer und Jörn Heintel, sind heute noch in der Partei aktiv und letztere stellten gemeinsam mit Renate Ganß die ersten drei Ratsmitglieder der Grünen. „Wir wissen aus Erzählungen, dass sie sehr motiviert waren, frischen Wind nach Neukirchen-Vluyn zu bringen“, erzählt Karin Fetzer, die zusammen mit Christian Pelikan derzeit den Parteivorsitz bekleidet.
Jetzt feiert der Ortsverband seinen 40. Geburtstag. „Wir sind schon lange fest etabliert zwischen den beiden großen Parteien und sind darauf auch stolz“, sagt Pelikan. In einer Stadt, die einerseits ländlich, andererseits durch den Bergbau geprägt sei, sei das nicht selbstverständlich. Es gebe viel, worauf die Grünen in Neukirchen-Vluyn mit Stolz blicken könnten, so der Vorsitzende. „Dazu zählt vor allem der CSD, den wir dieses Jahr schon zum dritten Mal veranstaltet haben, und der mittlerweile der größte im Kreis Wesel ist“, sagt Pelikan. „Es werden immer mehr Teilnehmer und wir sind damit wirklich zu einer Anlaufstelle für queere Menschen geworden, was uns sehr freut.“
Grüne blicken mit Stolz zurück auf Erfolge
Auch die Demo für Demokratie und gegen rechts, die die Grünen im Januar auf dem Vluyner Platz mit organisierten, sei ein tolles Zeichen gewesen. „2500 Teilnehmer, das war die größte Demo, die die Stadt je gesehen hat“, so Pelikan. Zumal sich danach mit der Initiative „Aktiv für Demokratie und Toleranz in Neukirchen-Vluyn“ ein Bündnis gegründet habe, das sich nachhaltig einsetze.
Und natürlich sind die Grünen quasi per Definition aktiv, was die Themen Umweltschutz, Klimawandel und Biodiversität angeht. Nicht immer einfach, denn: „Wir brauchen als kleine Fraktion immer Mehrheiten“, so Fetzer, die seit 2009 in der Partei ist. Umso bedeutender sei es deswegen, dass 2019 der Klimanotstand in der Stadt aufgerufen wurde - auf Drängen der Grünen. „Für uns ist es ein großer Wurf, dass nun jede Vorlage in der Verwaltung auf Klimarelevanz geprüft wird“, erklärt Pelikan und führt zudem neu geschaffene Posten wie den des Mobilitätsmanagers und des Klimaanpassungsmanagers an.
Pelikan: „Wollen noch bessere Politik machen“
Einiges zu tun, das wissen Karin Fetzer und Christian Pelikan, gibt es für die Partei vor allem mit Blick auf die kommenden Bundestagswahlen im Februar 2025. Den Koalitionsbruch sehen sie als „Chance für einen Neustart“. „Wir haben versucht, unsere Ziele umzusetzen, viel geschafft und nach meinem Empfinden alles richtig gemacht“, sagt Fetzer über die bundespolitische Arbeit der Grünen. Nachdem die Umfragen lange Zeit schlechte Werte für die Grünen zeigten, geht der Trend nach oben. „15.000 neue Mitglieder seit dem Ampel-Aus sind eine deutliche Sprache“, sagt Pelikan.
Nur an der Kommunikation, gibt Pelikan zu, müsse die Partei auch im Ortsverband feilen. „Unsere Sprache muss einfacher werden, da sind wir noch zu detailliert, zu ausführlich, es soll deutlich kürzer und knackiger werden, damit unsere Inhalte leichter verständlich sind für die Menschen“, sagt er über den bevorstehenden Wahlkampf. „Und“, da zeigt sich der Vorsitzende ehrlich, „wir wollen noch bessere Politik machen, dann sind wir auch wieder glaubwürdiger.“ Neben Kernthemen wie dem Klimaschutz seien Inhalte wie Klimageld, Kindergrundsicherung sowie die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs Schwerpunkte in den kommenden Wochen.
Neue, junge Mitglieder gesucht
Neue, vor allem junge Gesichter sind bei den Grünen gerne gesehen. „Wir sind zum 40. Geburtstag kurz vor dem 40. Mitglied im Ortsverband“, sagt Pelikan. Das sei natürlich Ansporn. „Ich bin damals auch sehr herzlich aufgenommen worden“, so der 33-Jährige. Er trat 2016, als die AfD immer stärker wurde, in Duisburg in die Partei ein, zog Ende 2018 nach Neukirchen-Vluyn, wo er 2020 schon Bürgermeisterkandidat wurde. Mittlerweile leitet er das Wahlkreisbüro der Bundestagsabgeordneten Ulle Schauws, arbeitet nebenbei im Landtag und ist Vater eines kleinen Sohnes.
Bei Fetzer, die als Sozialarbeiterin arbeitet, war es der „Giftberg“ in Rayen, der sie zu den Grünen brachte. „Ich war schon immer umweltbewusst“, erzählt die 65-Jährige. „Aber die Tatsache, dass dort täglich Giftmüll der Gefahrenklasse 3 abgekippt wurde, hat mich dazu gebracht, mich noch mehr zu engagieren.“ So seien damals einige neue Mitglieder dazugekommen. Das wünschen sich die beiden Vorsitzenden auch fürs Jubiläumsjahr.
Feier mit dem NRW-Umweltminister
Doch jetzt wird der runde Geburtstag des Ortsverbandes erst einmal gefeiert, am Freitag im Marie-Juchacz-Haus der Awo. Zu Gast sind unter anderem NRW-Umweltminister Oliver Krischer und der renommierte Insektenforscher und Autor Thomas Hörren. Etwa 60 weitere Gäste sind geladen, es gibt Ehrungen, Rück- und Ausblicke sowie leckere Speisen und Getränke.