Moers. Schwere Vorwürfe gegen das Moerser Krankenhaus: Haben Pflegekräfte sensible Daten auf TikTok gezeigt? Das Bethanien äußert sich – und kontert.
Es sind schwere Vorwürfe, die ein Youtuber gegen das Bethanien Krankenhaus in Moers erhebt. Drei Krankenpflegerinnen, darunter eine Leitungskraft und eine Pflegeschülerin, sollen während der Arbeitszeit live aus dem Krankenhaus auf der Social-Media-Plattform „TikTok“ gestreamt haben. Dabei sollen sie unter anderem sensible Daten in die Kamera gehalten haben, etwa die Telefonnummer eines Angehörigen. Das Bethanien selbst bestätigt, dass in dem Video Mitarbeitende des Krankenhauses zu sehen sind und es in der Einrichtung aufgenommen wurde, wehrt sich jedoch gegen den Vorwurf von Datenschutz-Verstößen und bemängelt Unwahrheiten in den Videos.
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Rückblick: Anfang der Woche erreicht eine Nachricht via Instagram die Redaktion. Eine Dame, die anonym bleiben möchte, wies auf Videos von Kevin Hartwig hin, die der 30-Jährige auf der Videoplattform „Youtube“ veröffentlicht hat. Seinem Kanal „Kevinits“ folgen dort mehr als 271.000 Menschen. Sein Video mit dem Titel „Pflegekräfte EXPOSED! Stationsleitung (Chefin) DOXXT Patienten und nutzt Pflegeschülerin aus“, das er am 9. Juli veröffentlicht hat, hat mittlerweile mehr als 81.000 Aufrufe. Das Fortsetzungsvideo „Pflegekräfte EXPOSED - Gibt es jetzt sogar strafrechtliche Konsequenzen? Angehörige informiert!“ vom 20. Juli liegt bei mehr als 75.000 Aufrufen.
Youtuber veröffentlicht Videos über Mitarbeiterinnen des Krankenhaus Bethanien in Moers
Hartwig widmet sich in seinen Videos einem zunehmenden Phänomen: Immer wieder käme es vor, dass Pflegepersonal in Krankenhäusern, Altenheimen, psychiatrischen und ähnlichen Einrichtungen während der Arbeitszeit live auf „TikTok“ streamt. Ein Umstand, die der nach eigenen Angaben Kranken- und Gesundheitspfleger sowie studierte Pflegepädagoge aufs Schärfste kritisiert. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, in seinen Videos die beteiligten Personen sowie die Arbeitgeber zu identifizieren und die Vorgehensweisen zu melden. Ausschnitte der entlarvenden TikTok-Videos bindet Hartwig in seinen Videos ein, zum Schutz der Identität sind die vorkommenden Personen verpixelt.
In seinen neusten Beiträgen behandelt Hartwig ein TikTok-Video, in dem drei Pflegerinnen in den Fokus rücken. Es handelt sich um Mitarbeitende des Krankenhauses Bethanien, wie die Einrichtung bestätigt. Sie sitzen an einem Tisch, beantworten Kommentare, die live während des Streams einlaufen. Darunter augenscheinlich viele belanglose Themen, etwa, wie eine der Mitarbeiterinnen auf TikTok heißt.
„Während des Streams kam es da zu einer Situation, wo die Pflegeschülerin einen Herzinfarkt bei einer Patientin vermutete“, behauptet Hartwig in dem Video. Auch ein eingeblendeter Kommentar im TikTok-Video mit der Frage „Hatte jemand einen Herzinfarkt“ ist zu sehen. Die Streamerin reagiert: „Alles gut, alles bestens. Die Schülerin dachte das nur so“, sagt sie in die Kamera und kichert.
Krankenhaus Bethanien in Moers: War die Nummer eines Angehörigen live zu sehen?
Ein weiterer Kritikpunkt: In einer Sequenz ist ein Dokument zu sehen, das eine Telefonnummer zeigt. Hartwig behauptet, es handelt sich um die Nummer eines Angehörigen. Diesen hat er, so sagt er es in seinem zweiten Video, angerufen und gefragt, ob ein Angehöriger zum Zeitpunkt des Streams im Bethanien in Behandlung war. Die Person soll das bestätigt haben, möchte aber laut Hartwig auf eine Anzeige verzichten. Dass es sich um das Moerser Krankenhaus handelt, will der Youtuber eindeutig herausgefunden haben. Durch Recherche in sozialen Netzwerken konnte er den Kreis, in dem die Pflegerinnen leben, eingrenzen. Zudem behauptet er, Nachrichten weiterer Mitarbeitenden des Bethaniens erhalten zu haben, die den Vorfall bestätigen.
Hartwig reagierte. Nach seinen Angaben kontaktierte er sowohl die Pflegeschülerin, als auch das Krankenhaus und die Behörden. Die Rückmeldungen, die er erhalten hat, stellen ihn jedoch nicht zufrieden. So kritisiert er, dass das Krankenhaus keine Konsequenzen gezogen hätte und die Mitarbeitenden nach wie vor im Bethanien tätig sind. Außerdem bemängelt er die nach seinen Angaben unstimmige Argumentation der Einrichtung: So soll sie sich auf fehlerhafte Feinheiten in seinen Videos berufen, den eigentlichen Vorfall runtergespielt haben.
Stiftung Bethanien aus Moers nimmt Stellung zu den TikTok-Videos
Konfrontiert mit den Ereignissen nimmt das Bethanien auf Anfrage der Redaktion Stellung. Ja, dem Bethanien sind die Vorwürfe bekannt. Ja, es stimmt, dass es sich um Mitarbeiterinnen des Krankenhauses handelt. „Wir sind seit dem 2. Juli 2024 in Kenntnis“, heißt es aus der Unternehmenskommunikation. „Es handelt sich um eine Auszubildende zur Pflegefachfrau, eine examinierte Pflegefachfrau und eine Stellvertretende Stationsleitung.“ Allerdings: „Die zuständigen hausinternen Stellen haben mit den betroffenen Pflegekräften über die thematisierten Kritikpunkte gesprochen und können aufgrund dieser Gespräche und der Prüfung der uns vorliegenden Ausschnitte viele Anschuldigungen des Videos fachlich widerlegen.“
So lag nach Angaben des Krankenhauses, anders als Kevin Hartwig behauptet, „zu keiner Zeit“ eine Gefährdung von Patientinnen und Patienten vor. Zudem handele es sich bei der sichtbaren Telefonnummer des vermeintlichen Angehörigen um die Nummer eines langjährigen Kooperationspartners, ein Pflegedienst. Der Teil der Nummer, der in Hartwigs Videos zu erkennen ist, stimmt nach Recherchen dieser Redaktion mit der Nummer eines Pflegedienstes überein. „Aus dem Sachverhalt ergibt sich demnach augenblicklich kein Grund für weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen“, heißt es. Die Mitarbeiterinnen sind nach wie vor im Bethanien beschäftigt. „Sollten sich andere Erkenntnisse ergeben, behalten wir uns rechtliche Konsequenzen vor.“
Stiftung Bethanien möchte das Thema Datenschutz noch stärker in den Fokus rücken
Der Vorfall verstoße jedoch gegen hausinterne Regeln. So herrsche bei der Stiftung Bethanien stiftungsweit ein Foto-, Ton- und Videoverbot. Dieses gelte sowohl für Mitarbeitende als auch für Patienten. Die Stiftung habe die betroffenen Mitarbeiterinnen bereits in „mehreren“ Sitzungen und Gesprächsrunden wiederholt über die Bedeutung des Datenschutzes und des Verbots informiert. „Die Mitarbeiterinnen sind zum jetzigen Zeitpunkt deutlich sensibilisiert, zeigen Reue und haben zur Aufklärung des Vorfalls beigetragen. Gerne würden sie das Erlebte und dessen Auswirkungen ungeschehen machen.“
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Ein Datenschutzkonzept gebe es bei der Stiftung bereits, Pflichtschulungen zum Thema Datenschutz stehen jährlich im Fokus. „Vorsorglich hat unser Datenschutzbeauftragter den Vorfall fristgemäß unserer zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde gemeldet“, heißt es. Auch die Bezirksregierung habe aufgrund des Vorfalls Kontakt mit der Stiftung aufgenommen, eine Anfrage des Kreises Wesel im Auftrag der Bezirksregierung hat das Bethanien nach eigenen Angaben „zu seiner Zufriedenheit“ beantwortet. Zudem kündigt das Krankenhaus an, aufgrund der aktuellen Ereignisse das Thema Verbot von Ton-, Foto- und Videoaufnahmen zukünftig im internen Newsletter, in Teamsitzungen, in der Pflichtfortbildung sowie in weiteren internen Kommunikationsmitteln noch deutlicher einfließen zu lassen.