Kleve. Zwei Pendler haben die Nase gründlich voll vom Ärger um den RE10 Kleve. Sie haben eine Interessengemeinschaft gegründet. Das sind ihre Ziele.
Es ist eine akribisch geführte Dokumentation, die es in sich hat: Geschichten, die der RE10 schreibt, auf rund 22 Seiten für die Zeit von Januar bis Oktober 2024. Eine schier unglaubliche Lektüre oder, wenn man es so sehen will, die Leidensgeschichte von Benedikt Prost (55) und Frank Barten (54) und unzähliger anderer Fahrgäste.
Anfang des Jahres, ungefähr zur Zeit der RE10-Petitions-Übergabe, entschlossen sich Prost und Barten, gemeinsam aktiv zu werden und gründeten eine Interessengemeinschaft.
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Zwei Pendler, eine Geschichte: Die Liste ist lang
Warum die beiden so genau Buch geführt haben? Benedikt Prost und Frank Barten haben die Nase gestrichen voll. Ihre detaillierte Dokumentation ist kein Hobby, sondern ein Ventil – ein Protest gegen Missstände, die den Alltag von Fahrgästen des RE 10 zur Belastung machen. Ihre Liste ist lang: endlose Wartezeiten auf Bahnhöfen, defekte Stellwerke und Signale, technische Probleme, Reparaturen an Bahnübergängen und Weichen, Verspätungen, Zugausfälle, kaputte Toiletten und Türen, Signalstörungen, Umleitungen, Personalausfälle, überfüllte Abteile, ausgefallene Klimaanlagen und so weiter.
Frank Barten, Bilanzbuchhalter, pendelt – mit Unterbrechungen – seit 1997 zur Arbeitsstelle nach Düsseldorf. Alle 30 Minuten soll der RE10 fahren. „Auf dem Papier“, betont Barten trocken. Um seine Arbeit pünktlich zu erreichen, steht er jeden Morgen vor 4 Uhr auf. „Da ist die Chance am größten, dass der Zug tatsächlich pünktlich kommt. Alles Spätere kann nur in die Hose gehen.“
Tägliches Pendeln seit 20 Jahren
Benedikt Prost, Angestellter beim Metro-Konzern, Real Estate Management, ist ebenfalls ein erfahrener Pendler. Seit über 20 Jahren nutzt er den Zug, um zum Düsseldorfer Hauptbahnhof zu gelangen. Frank Barten und er kennen sich aus dem Zug – als Leidensgenossen. „Irgendwann kommt man ins Gespräch“, erinnert sich Prost. „‚Ist schon wieder Verspätung?‘“
Heute verbindet sie nicht nur das tägliche Pendeln, sondern auch der Frust über ein System, das sich seit Jahrzehnten nicht wesentlich verbessert hat. Ihr Leidensweg ist exemplarisch für viele, die auf den RE10 angewiesen sind – und die trotz allem immer wieder einsteigen (müssen).
Bei Starkregen war Feierabend
„Das Unglück RE10 nahm seinen Lauf mit der Digitalisierung“, erinnert sich Benedikt Prost. Schon vorher war die Lage schwierig, aber mit der Umstellung begann der eigentliche Albtraum. Ein Jahr lang war die Strecke wegen umfassender Bauarbeiten mehr oder minder komplett gesperrt – ein Jahr voller Vertröstungen. „Dann wurde mit großem Pomp wiedereröffnet – aber es klappte nicht“, erzählt Frank Barten kopfschüttelnd.
Von Anfang an habe es dauerhafte Stellwerksprobleme gegeben. „Wenn es mal stärker geregnet hat, war schon Feierabend, dann sind die Stellwerke abgesoffen“, ergänzt Prost. In einem Gespräch mit einem Lokführer erfuhr er, dass die Probleme nicht nur mit der Technik, sondern auch mit überlasteten Systemen zusammenhängen. „Die Datenmengen für den halbstündlichen Betrieb waren einfach zu groß.“
Die Bahngleise waren zwar erneuert worden, doch die alten Kupferkabel blieben im Boden. Und genau diese waren offenbar nicht in der Lage, die Anforderungen der Digitalisierung zu bewältigen.
„Was die Bahn an Informationen nicht schafft, erledigen wir selbst“
Die Stimmung unter den Fahrgästen
Benedikt Prost und Frank Barten tauschen sich auch mit anderen Fahrgästen aus. Die Reaktionen sind dabei immer ähnlich und voller Frustration: „Das geht gar nicht“, „Unmöglich“, oder: „Dafür haben die so viel Geld, über 70 Millionen an Steuergeldern, die auch wir Pendler gezahlt haben, in die Hand genommen, damit es dann nicht funktioniert.“
Insbesondere die Deutsche Bahn und die Rhein Ruhr Bahn stehen massiv in der Kritik. Was die Fahrgäste am meisten enttäuscht: Es fehlt nicht nur an Lösungen, sondern auch an einem einfachen Zeichen von Verständnis. „Nicht einmal ein ‚Liebe Pendler, tut uns leid‘“, bemerkt Prost sarkastisch, „geschweige denn irgendeine Form von Entschädigung.“
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WhatsApp-Gruppe spart Zeit und Nerven
Ein Lichtblick inmitten des Chaos ist die WhatsApp-Gruppe der Pendler. Mittlerweile 28 Mitglieder stark, ist sie zur unverzichtbaren Informationsquelle geworden. „Was die Bahn an Informationen nicht schafft, erledigen wir selbst“, erzählt Prost. Ob Zugausfall, Stellwerkproblem oder Streckenunterbrechung – die Gruppe spart Zeit und Nerven.
Ein Beispiel: Während die Deutsche Bahn nicht rechtzeitig informiert, dass ein Stellwerkproblem in Geldern den Zug nur bis Kevelaer fahren lässt, wissen die Mitglieder der Gruppe längst Bescheid. So bleibt vielen der vergebliche Weg zum Bahnhof erspart. „Das müsste eigentlich von der Bahn kommen“, kritisiert Prost. „Wenn man dienstleistungsorientiert ist, muss man die Kollegen und Fahrgäste rechtzeitig benachrichtigen!“ Also organisiert man sich eben selbst oder/und ist hat alle Apps, die Informationen geben könnten.
Gebündelte Stimmen für mehr Gewicht
Benedikt Prost und Frank Barten haben ein klares Ziel: Mit der Interessengemeinschaft wollen sie den zahllosen Beschwerden der RE10-Fahrgäste endlich Gewicht verleihen. Statt dass jeder Einzelne sich vergeblich an den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) oder die Deutsche Bahn wendet, soll die Gemeinschaft als eine starke, gebündelte Stimme auftreten.
„Wenn man nur ab und an mal mit der Bahn fährt, denkt man vielleicht, wir übertreiben“, erklärt Barten. „Aber unsere Aufstellung beweist das Gegenteil: Es handelt sich hier nicht um Einzelfälle.“
Möglichst viele Betroffene erreichen
Die Interessengemeinschaft hat bereits 17 Mitglieder – Tendenz steigend. Jetzt möchten Prost und Barten die Werbetrommel rühren, um möglichst viele Betroffene zu erreichen. Denn je mehr Menschen sich anschließen, desto größer ist der Druck, den sie auf die Verantwortlichen ausüben können. Hierzu gehört für Prost und Barten auch die Stadt Kleve. Weder Bürgermeister noch sein Stellvertreter der Kreis- und Hochschulstadt seien bei der Petitionsübergabe in Weeze anwesend gewesen.
„Die Stadt muss hier endlich aktiv werden“, fordern beide unisono. Im Hinblick auf die Landesgartenschau sei es undenkbar, auf den Individualverkehr auszuweichen. „Das wäre ja wie Königstag das ganze Jahr über!“ Es handele sich hier nicht nur um ihr Problem: „Es betrifft jeden, der in der Region auf Mobilität angewiesen ist.“ Wer der Interessensgemeinschaft beitreten möchte, schreibt eine E-Mail an IG-RE10@web.de.