Essen. Der Streit um die missglückte Verkehrsführung an der Rüttenscheider Straße geht in die nächste Instanz. OB möchte Bürgerhinweise aufnehmen.
Die Stadt Essen zieht im Streit um die Verkehrsführung auf der Rüttenscheider Straße in die nächste Instanz: Sie wird vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster Beschwerde einlegen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Gelsenkirchen. Zugleich werden alle verbliebenen Schilder, mit denen die Abbiegeregeln Anfang Oktober 2024 geändert wurden, außer Kraft gesetzt.
Das teilte die Stadt am Mittwoch (29.1.) mit. Hintergrund der Beschwerde sei „eine notwendige rechtliche Klarheit, welche Gestaltungs- und Eingriffsmöglichkeiten in den Verkehrsraum und u.a. zum Schutz einer Fahrradstraße Politik und Verwaltung haben“, heißt es. Der Gang zum OVG Münster sei „notwendig und folgerichtig“, sagte Oberbürgermeister Thomas Kufen, um für Politik, Verwaltung und die Bürgerschaft Klarheit zu schaffen, welche Anordnungen „rechtssicher“ möglich sind. Zugleich will sich die Stadt gegen mögliche Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) wappnen. Die Einführung der Fahrradstraße auf der Rü beruht auf einem Vergleich des Landes NRW mit der DUH.
Verkehrsschilder an der Rüttenscheider Straße in Essen werden verhüllt
Der Essener Verwaltungsvorstand hat am Dienstag (28.1.) darüber beraten, was mit den verbliebenen Abbiege-Schildern passieren soll, die noch nicht auf gerichtlichen Druck entfernt werden mussten. Sie werden jetzt verhüllt: an der Huyssenallee im nördlichen Bereich der Rü, an der Manfredstraße im südlichen Teil sowie im Bereich Franziskastraße / Rüttenscheider Straße.
Der Ratsbeschluss zum Verkehrskonzept Rüttenscheider Straße von Ende November 2023 bleibe unberührt, betont die Stadt. Der Vollzug werde aber ausgesetzt, solange das Verfahren beim OVG läuft. Die Regelungen auf der Rüttenscheider Straße bildeten ein einheitliches Verkehrskonzept. Durch die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichtes vom 21. Januar sei aber ein zentraler Teil der Konzeption vorläufig außer Kraft gesetzt worden. Weitere vom Stadtrat beschlossene Maßnahmen würden weiterverfolgt, etwa zur Optimierung des Lieferverkehrs auf der Rü oder zur Verbesserung der Parksituation für Anwohner.
Schon zwei Gerichtsurteile: Abbiegegebote „offensichtlich rechtswidrig“
Vor Gericht hat die Stadt Essen schon zwei Niederlagen erlitten: Zuletzt wurde ihr am 21. Januar durch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im Eilverfahren auferlegt, die Abbiegegebote wieder aufzuheben. Sie seien „offensichtlich rechtswidrig“. Geklagt hatte eine Geschäftsfrau, die im Umfeld der Rüttenscheider Straße drei Boutiquen betreibt. Die Stadt reagierte sofort: Bereits am 22. Januar wurden die entsprechenden Verkehrsschilder entfernt, ebenso Markierungen mit Richtungspfeilen auf dem Pflaster.
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Schon am 8. November hatte die Firma ifm, die ihren Sitz im Glückaufhaus hat, vor dem Verwaltungsgericht eine Ausnahmeregelung erwirkt: Das Verbot für Autofahrende, von der Huyssenallee südlich in die Rü einzufahren, wurde bis zur Einmündung Baumstraße aufgehoben. Das Gericht hatte argumentiert, „ein zwingender Grund aufgrund einer besonderen Gefahrenlage“, der laut Straßenverkehrsordnung für eine solche Beschränkung erforderlich ist, sei nicht belegt. Allein eine unübersichtliche Verkehrssituation, auf die die Stadt verwiesen habe, oder die etwa 100 Meter weiter beginnende Fahrradstraße reichten nicht aus, befand das Verwaltungsgericht.
Keine Unfallhäufung nachgewiesen, Interessen der Anlieger nicht berücksichtigt
Nach der jüngsten, deutlich tiefgreifenderen Eilentscheidung vom 21. Januar musste das Rad in Rüttenscheid nahezu ganz zurückgedreht werden. Das Gericht hatte die Maßnahmen der Stadt als fehlerhaft bewertet. Unter anderem, so das Verwaltungsgericht, sei das Unfallgeschehen nicht mit Daten belegt worden, zum anderen seien die Interessen der Anlieger nicht hinreichend berücksichtigt worden. Ebenso wenig die Folgen der Verdrängung des Autoverkehrs in Nebenstraßen.
Um die Benutzung von Straßen verbieten oder beschränken zu dürfen, müsse die Stadt Essen „eine konkrete Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs“ belegen, urteilt das Verwaltungsgericht. In den Dokumenten, die das beauftragte Planungsbüro “Planersocietät“ mit Sitz in Dortmund vorbereitet hatte, fänden sich zu wenige konkrete Zahlen. Und die tatsächlichen Unfalldaten der vergangenen Jahre ließen keine besondere Häufung von Unfällen mit Radfahrern rund um den Rüttenscheider Stern erkennen.
Oberbürgermeister: Möglicherweise eine Gesetzeslücke
Der OB hatte sich bereits wenige Tage nach dem zweiten Urteil für eine Beschwerde beim OVG ausgesprochen, um Klarheit zu schaffen, wie man Fahrradstraßen schützen kann. Möglicherweise gebe es hier eine Gesetzeslücke, so der OB. Eine Fahrradstraße, zu deren Einrichtung man durch den Vergleich verpflichtet sei, müsse auch funktionieren. Daher seien weitere Maßnahmen notwendig, um den Durchgangsverkehr auf der Rü zu reduzieren. Die SPD dagegen hatte den Gerichtsentscheid als Quittung für „eine dilettantische Umsetzung der neuen Verkehrsführung“ gewertet und eine komplette Neuplanung der Rü gefordert.
Als „offensichtlich rechtswidrig“ wurden die Maßnahmen nun schon zwei Mal beurteilt. Was soll es da bringen, den Streit vor das OVG zu tragen? Die Erfolgsaussichten der Beschwerde seien schwer abzuschätzen, sagte Stadtsprecherin Silke Lenz am Mittwoch auf Anfrage. Doch bislang hätte das Gericht nur über einzelne Schilder ein Urteil gefällt, nicht die Gesamtkonzeption betrachtet. In anderen deutschen Städten habe es bereits andere Entscheidungen gegeben, auch was die Einschätzung von Unfallzahlen und Gefährdung der Verkehrssicherheit angeht.
Selbst wenn sich die Stadt Essen beim OVG durchsetzt, soll die Rü nach Ansicht des OB nicht wieder so gestaltet werden wie Ende 2023 vom Rat beschlossen. „Ich rate davon ab“, erklärte Thomas Kufen am Mittwoch. Die Verwaltung habe schon Anpassungen angekündigt. Auch Hinweise aus der Bürgerbeteiligung zum Verkehrskonzept sollten berücksichtigt werden. Zwei Info-Tage mit hitzigen Debatten gab es bisher. „Wir brauchen nach der zurückliegenden Diskussion eine tragfähige Lösung, die Akzeptanz findet“, so der Oberbürgermeister.
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