Essen. Lob von der „Initiative für sichere Straßen“: Auch bei der Zahl Schwerverletzter erreichte Essen die Ziele des ehrgeizigen EU-Programms Vision Zero.
Jeder Verkehrstote ist einer zu viel, heißt es häufig. So unzweifelhaft richtig dies ist, so sehr dürfte der dahinter stehende Anspruch doch vorerst Utopie bleiben, denn ein unfall- und gefahrenfreier Straßenverkehr ist nicht in Sicht. Die „Vision Zero“-Strategie der EU peilt an, sich dem Null-Punkt bei Toten und Schwerverletzten aber immer mehr anzunähern und hat dazu bis zunächst 2030 ehrgeizige Ziele für jede Stadt formuliert. Essen ist voll im Plan und hat 2023 die Ziele erreicht, berichtet die „Initiative für sichere Straßen“ nach der Auswertung der verfügbaren Statistiken. Und auch für 2024 sieht es recht gut aus.
Unter den 16 größten Städten Deutschlands hatte Essen bei den im Straßenverkehr getöteten Menschen 2023 sogar die günstigste Bilanz. Zwei Menschen starben damals, gemessen an der Einwohnerzahl von 584.600 Menschen reichte das für die Spitze und den Titel der „sichersten Metropole“. Von der Größe und Stadtstruktur her vergleichbare Städte wie Duisburg und Dortmund hatten mit sieben und zehn Fällen bedeutend mehr Verkehrstote zu beklagen.
Genau 207 Menschen wurden 2023 im Essener Verkehr schwer verletzt
Bei den Schwerverletzten sieht es mit Platz 5 von 16 nicht mehr ganz so gut für Essen aus. Genau 207 Menschen wurden bei Verkehrsunfällen schwer verletzt. Die Vision Zero setzte für 2023 das Ziel, dass nicht mehr als 320 Menschen in Essen so schwer zu Schaden kommen. Ziel erreicht, könnte man also sagen, obwohl es laut Polizei sogar insgesamt relativ viele Verkehrsunfälle gab. Aber: Bei den Toten, wo rein statistisch fünf zu erwarten gewesen wären, blieb man deutlicher darunter.
„Eine entscheidende Kennziffer ist für uns die Zahl der Schwerverletzten pro 10.000 Einwohner“, erklärt Arno Wolter, Geschäftsführer der Initiative für sichere Straßen. „In unserer Auswertung konnte die Stadt Essen die Unfallzahlen in dieser Kategorie kontinuierlich senken.“ Diese Kontinuität gilt als besonders wichtiges Indiz, dass eine Stadt auf dem richtigen Weg ist. Denn bei der relativ hohen Gesamtzahl an Schwerverletzten haben statistische Ausreißer weniger Folgen als bei der weit geringeren Zahl an Todesfällen. Hier kann ein einziger besonders schwerer Unfall mit mehreren Toten alles verändern.
Tatsächlich zeigen die Zahlen der letzten Jahre, dass Essen mit den zwei Toten von 2023 einen positiven Ausreißer schaffte. 2019 waren es noch sechs Tote, 2020 dann sogar sieben, 2021 fünf und 2022 wieder sieben Tote. Für das Jahr 2024 berichtet die Polizei Essen auf Anfrage der Redaktion von vier Toten im Verkehr, eine Zahl, die der „Initiative für sichere Straßen“ noch nicht vorliegt.
Es ging 2024 also leider wieder nach oben, doch Essen blieb auch im vergangenen Jahr immerhin noch knapp unterhalb dessen, was die Vision Zero fordert. Die Zahl der Schwerverletzten liegt für 2024 noch nicht vor. Hier liegt Essen aber - anders als bei den Toten - schon seit 2019 jedes Jahr recht deutlich unter den EU-Zielen, was sich im vergangenen Jahr vermutlich fortsetzte.
Nur 31 Prozent der 719 erfassten deutschen Städte erreichten das Ziel
Längst nicht alle deutschen Städte erreichten 2023 das von der Vision Zero vorgegebene Ziel, rechnet die Organisation vor. Im Ruhrgebiet war es neben Essen nur Bottrop. Unter den 719 analysierten Kommunen in Deutschland schaffte gut die Hälfte (55,2%) das Ziel der Reduzierung bei der Anzahl der Getöteten. Fast genauso viele Kommunen (54,4%) schafften es, die Zahl der im Verkehr Schwerverletzten zu verringern. Beides gleichzeitig, was Zielvorgabe der EU ist, gelang jedoch nur 31 Prozent der Städte. Bei jeder fünften Kommune (21,4%) wurden beide Ziele verfehlt.
„Die von der EU gesetzten Ziele sind sicherlich ambitioniert“, kommentiert Arno Wolter die Zahlen. Doch wie man in verschiedenen Städten in Deutschland - und eben auch in Essen - sehe, sei es möglich, diese zu erreichen. Voraussetzung ist auch Sicht Wolters, dass Städte das Ziel der Verkehrssicherheit mit hoher Priorität verfolgen.
Wie sehr sich bei aller weiterhin notwendigen Kritik die Lage auf den Straßen verändert hat, zeigt ein Blick in die jüngere Geschichte: Im Jahr 1967 beispielsweise gab es in Essen zwar im Vergleich nur einen Bruchteil der Automobilzahlen, dafür aber 128 Verkehrstote - in einem einzigen Jahr! Aus heutiger Sicht der reine Wahnsinn, und in jener Zeit keineswegs ein statistischer Ausreißer.
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