Essen. Firma klagte gegen Abbiegezwänge am Ende der Huyssenallee und bekam Recht. Stadt Essen muss Schilder und Fahrbahnmarkierung nun wieder ändern.
Paukenschlag im Ringen um die neue Verkehrsführung auf der Rüttenscheider Straße: Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat am Freitag (8.11.) einer Klage der im Glückaufhaus ansässigen Firma ifm electronic GmbH stattgegeben und im Wege der aufschiebenden Wirkung eine Aufhebung des Abbiegegebots für Kraftfahrzeuge am südlichen Ende der Huyssenallee in Essen angeordnet. Die Stadt Essen wurde verpflichtet, die entsprechenden Schilder dort zu entfernen. Auch der rote Streifen für die Radfahrer muss so verdeckt oder abgefräst werden, dass Autofahrern klar ist: Hier darf man wieder geradeaus fahren.
Gegen den Beschluss ist Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht möglich. Ob die Stadt diesen Weg geht, ist derzeit offen. „Bis zum 22. November haben wir Zeit uns zu erklären, und diese Frist wollen wir auch nutzen“, sagte Oberbürgermeister Thomas Kufen auf Anfrage. Das Amt für Straßen und Verkehr prüfe derzeit, wie die Vorgaben des Gerichtes umzusetzen seien. Die Schilder an der besagten Kreuzung sollen vorläufig verdeckt werden, wie man technisch mit der roten Fahrbahnmarkierung umgeht, ist noch unklar.
Mitte Oktober hatte die Stadt die Abbiegezwänge auf der Rüttenscheider Straße eingeführt
Die Stadt hatte gemeinsam mit anderen umstrittenen Maßnahmen Mitte Oktober das Überqueren der Kreuzung Huyssenallee / Hohenzollernstraße in südliche Richtung für Kraftfahrzeuge unterbunden. Nur noch Radfahrer dürfen seitdem geradeaus über die Kreuzung in die Rüttenscheider Straße fahren, während Kraftfahrzeuge nach rechts oder links auf die Hohenzollernstraße abbiegen müssen. Von der Hohenzollernstraße aus ist die Einfahrt in die Rüttenscheider Straße für Links- bzw. Rechtsabbieger weiterhin möglich. Ziel dieser Regelung ist die Umsetzung eines Verkehrskonzepts, das die Verkehrsverhältnisse auf der Rüttenscheider Straße verbessern soll, aber bislang nach Meinung vieler Beobachter eher das Gegenteil bewirkte. Vor allem die Rüttenscheider Einzelhändler sind in Sorge.
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Gericht: Voraussetzungen für Beschränkung des Verkehrs sind nicht gegeben
Die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts sah die Verkehrsregelung als offensichtlich rechtswidrig an, weil bereits die von der Straßenverkehrsordnung für eine solche Beschränkung des fließenden Verkehrs geforderten tatsächlichen Voraussetzungen nicht belegt oder allgemein ersichtlich seien.
„Erforderlich ist ein zwingender Grund aufgrund einer besonderen Gefahrenlage, welche aus den örtlichen Verhältnisse folgt und die üblichen Gefahren des Straßenverkehrs für die von der Straßenverkehrsordnung geschützten Rechtsgüter erheblich übersteigt“, formuliert das Gericht. Diese Gefahrenlage müsse zwar noch nicht durch erhöhte Unfallzahlen belegbar sein, aber es sei „eine tatsachengestützte Prognose hinsichtlich dieser Gefahr zu treffen“. Allein das von der Stadt Essen im Verfahren angeführte Motiv, die als unübersichtlich empfundene Verkehrssituation zu verbessern, reiche dazu nicht aus. Auch der Hinweis auf die Fahrradstraße genüge nicht, weil diese erst hundert Meter weiter auf der Rüttenscheider Straße beginne.
Darüber hinaus habe die Stadt bei der Anordnung das ihrerseits auszuübende Ermessen nur unzureichend erkannt und umgesetzt. Die Auswirkungen der Verkehrsumleitung auf die Verkehrssituation auf der Rüttenscheider Straße sowie auf die nunmehr zu nutzenden, teilweise engen oder – wie die Bismarckstraße - vielbefahrenen Zuwegungen, habe man im Rathaus nicht ausreichend in die Betrachtung einbezogen, rügte das Gericht.
Gerichtsbeschluss könnte auch für die anderen Maßnahmen das vorläufige Aus bedeuten
„Insbesondere konnte die Kammer anhand der vorgelegten Unterlagen nicht feststellen, dass die nach wie vor mögliche Nutzung der Rüttenscheider Straße durch Autos, die von der Hohenzollernstraße aus abbiegen, oder über eine der Nebenstraßen dann über die Rüttenscheider Straße in nördlicher Richtung zu der Kreuzung Hohenzollernstraße fahren, in der Entscheidungsfindung berücksichtigt wurde.“ Dieser Punkt könnte unter Umständen auch die Axt an die anderen Maßnahmen entlang der Rü legen, wenn sich wie an der Huyssenallee Kläger fänden, vermuten politische Beobachter.
Die Prüfung der Kammer beschränkte sich jedoch in diesem Verfahren allein auf die Kreuzung Huyssenallee/Hohenzollernstraße. Entscheidend war die Frage, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchführung der Regelung das Interesse der Antragstellerin überwiegt, die Verkehrsregelung bis zu einer Entscheidung über die anhängige Klage auszusetzen. Das Gericht verneinte das.
CDU: Müssen schauen, welche Konsequenzen aus dem Gerichtsbeschluss zu ziehen sind
Durchgesetzt hatte die neue Verkehrsführung auf der Rü eine Koalition aus CDU und Grünen im Essener Stadtrat, wobei die Grünen die treibende Kraft waren. „Wir müssen nun sehr genau schauen, welche Konsequenzen aus dem Gerichtsbeschluss zu ziehen sind“, erklärte CDU-Ratsfraktionschef Fabian Schrumpf, der selbst nicht als Anhänger der neuen Rü-Verkehrslenkung gilt.
Ob nun das gesamte Projekt auf den Prüfstand komme, wollte Schrumpf zwar nicht bestätigen, doch müsse sehr wohl geprüft werden, ob die Maßnahmen „rechtlich haltbar“ seien. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass es sich um einen Kompromiss handele, dessen Basis ein Vergleichsvertrag mit der Deutschen Umwelthilfe ist. Grünen-Fraktionschef Stephan Neumann erklärte, man werde auch mit der CDU beraten, wie es nun weitergehe.
Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid, begrüßte das Urteil und verwies auf die Probleme, die seit Einführung der Abbiegezwänge entstanden seien. „Allein schon die realen Verhältnisse auf der Straße sind ein Grund, das Ganze noch einmal kritisch zu überdenken.“
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