Essen. Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die Abbiegezwänge auszusetzen, richten sich unterschiedliche Hoffnungen auf die Beschwerde-Instanz.

Die zweite juristische Niederlage der Stadt Essen beim Thema Autoverdrängung auf der Fahrradstraße Rüttenscheider Straße hat eine breite Diskussion auch in der kommunalpolitischen Landschaft zur Folge. Dabei ist es im wesentlichen bei den bereits bekannten Standpunkten geblieben.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte der Stadt am Dienstag (21.1.) nach Klage einer Anliegerin im Eilverfahren auferlegt, die seit einigen Monaten installierten Abbiegezwänge wieder aufzuheben. Begründet hat die Kammer dies vor allem mit argumentativen Schwächen der Stadtverwaltung, etwa dem Anführen von Verkehrsunfällen, die jedoch nach Ansicht des Gerichts die Notwendigkeit der Einschränkungen keineswegs stützten.

OB hält den „Schutz der Fahrradstraße“ weiterhin für wichtig

Oberbürgermeister Thomas Kufen blieb auch nach dem Urteil bei seiner Ansicht, dass es darum gehe, den „Schutz der Fahrradstraße“ zu erhöhen, womit man leider „nicht durchgedrungen“ sei. Bei der Beschwerde-Instanz, dem Oberverwaltungsgericht in Münster, erhoffe man sich nun „Klarheit darüber zu bekommen, welche Eingriffsmöglichkeiten Politik und kommunale Verwaltung bei verkehrlichen Anordnungen zum Schutz von Fahrradstraßen haben“. Kufen vermutet hier eine Gesetzeslücke.

Auch die Grünen sehen, ähnlich wie Kufen, sehr wohl Sicherheitsprobleme auf der Rü: „Wir Grünen stehen für eine Verkehrspolitik, die die Sicherheit und Gesundheit aller Verkehrsteilnehmenden berücksichtigt“ erklärte die Co-Fraktionschefin im Stadtrat, Sandra Schumacher. „Auf der Rüttenscheider Straße war und ist dies nicht der Fall.“ Daher sei es richtig, die nächste Instanz anzurufen.

CDU-Ratsfraktionschef Fabian Schrumpf, von dem bekannt ist, dass er vor allem aus Koalitionstreue die Rü-Maßnahmen mittrug, erhofft sich ebenfalls Klarheit vom Gang vors OVG. Dort sollten seiner Ansicht nach dann auch die eingegangenen Verpflichtungen aus dem Vergleich mit der Deutschen Umwelthilfe zur Sprache kommen. Zu klären sei, „wozu die Stadt Essen verpflichtet ist – und wozu nicht“.

CDU-Fraktionschef Fabian Schrumpf sieht keinen Spielraum mehr für Konzessionen

Schrumpf lässt leises Unbehagen anklingen: „Für uns als CDU-Fraktion bleibt es dabei: Wir werden keine rechtswidrigen oder über den gefundenen Kompromiss hinausgehenden Verkehrsbeschränkungen auf der Rüttenscheider Straße mittragen.“ Auch bereits bei mehreren anderen Gelegenheiten schloss Schrumpf weitere Konzessionen an den grünen Koalitionspartner aus.

Die SPD sieht die Gerichtsentscheidung als Quittung „für eine dilettantische Umsetzung der neuen Verkehrsführung“. Die Rechtssicherheit der diskutierten unterschiedlichen Varianten habe überhaupt keine Rolle gespielt. Schwarz-Grün habe ein „verkehrsplanerisches Kartenhaus“ errichtet.

Die SPD plädiert deshalb für eine komplette Neuplanung der Rüttenscheider Straße. „Wir brauchen einen Stift und ein weißes Blatt Papier, wir brauchen einen Neustart“, erklärte Julia Klewin, OB-Kandidatin und Rüttenscheider Ratsfrau der SPD. Die gewünschte Richtung scheint klar: Erst jüngst hatte sich die SPD sehr deutlich dafür ausgesprochen, die Verkehrswende zu Lasten des Autos zu forcieren.

Die Linke wundert sich über die Haltung des Gerichts

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Nach Ansicht der Linken-Ratsfraktion ist es „nicht nachzuvollziehen, dass das Gericht in keiner Weise berücksichtigt hat, dass die Einrichtung der Fahrradstraße letzten Endes auf eine Klage der Deutschen Umwelthilfe zurückzuführen ist und auf einem Vergleich mit diesem Verband beruht“. Ein Punkt, der auch in der CDU diskutiert wird. Inhaltlich favorisiert die Linke eine gegenläufige Einbahnstraßenregelung auf der Rüttenscheider Straße. „Die Geschäfte wären so gut weiter zu erreichen, gleichzeitig würde die Befahrbarkeit der Straße erhöht.“ 

Bestätigt sieht sich die FDP-Ratsfraktion: „Das von uns stets vorausgesagte Chaos in Sachen Verkehrsverdrängung ist nun Realität geworden“, so Fraktionschef Hans-Peter Schöneweiß. „Die von den Grünen vorangetriebene ideologisch motivierte Verkehrspolitik hatte nur ein Ziel, das Auto aus dem Stadtteil zu vertreiben. Dieses Verhalten hat sich nicht nur als katastrophal erwiesen, sondern zudem einen großen Image- und Wirtschaftsschaden hinterlassen und dem Vertrauen in die Politik geschadet.“ Die FDP kritisiert unzureichende Kommunikation und mangelnde Transparenz.

EBB sieht kompletten Fehlschlag der Stadtverwaltung

Ähnlich sieht es das Essener Bürgerbündnis EBB. „Die neue Verkehrsregelung ist ein kompletter Fehlschlag, was nun doppelt gerichtlich bestätigt worden ist“, so Kai Hemsteeg, Fraktionsvorsitzender des EBB. „Anstatt den Verkehr zu entlasten, hat die Stadt ein Nadelöhr geschaffen, das zu noch mehr Staus und Ärger führt. Radfahrer, Autofahrer und Fußgänger sind gleichermaßen frustriert und verunsichert.“

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