Emmerich. Nach dem Rassismus gegen Pfarrer Muziazia äußert sich Sabina Palluch sehr persönlich. Was die Integrationsratsvorsitzende erleben musste.

Die wiederholten rassistischen Anfeindungen gegen Égide Muziazia bewegen Emmerich. Seitdem sich der Eltener Pfarrer nach langem Überlegen durchgerungen hatte, gemeinsam mit dem Bistum Münster die diskriminierenden Attacken und Beleidigungen der vergangenen Wochen und Monate in einer Pressekonferenz öffentlich zu machen, schwappt eine Welle der Solidarität durch die Stadt. Von Bürgermeister Peter Hinze über zahlreiche Privatleute bis zu den beiden Schützenbruderschaften St. Georg Hüthum-Borghees und St. Martinus Elten-Grondstein, bei denen Muziazia als Präses in Uniform mitläuft – sie alle zeigen sich bestürzt über den offenen Rassismus und sichern dem überaus beliebten Pfarrer von St. Vitus ihre Unterstützung zu.

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Auch Sabina Palluch hat sich als Vorsitzende des Emmericher Integrationsrates in einer ausführlichen Stellungnahme geäußert und betont: „Rassismus, Hass und Fremdenfeindlichkeit haben in unserer Stadt keinen Platz.“ Doch die gebürtige Polin, die seit 2011 in Emmerich lebt, musste hier selbst bereits bittere Rassismuserfahrungen machen. „Diese Verletzungen sitzen tief, man möchte sie eigentlich verdrängen, aber das gelingt nicht. Die Erinnerungen daran kommen immer wieder hoch“, sagt die 44-Jährige, die sich jetzt dazu entschlossen hat, öffentlich über das Erlebte zu sprechen. „Denn irgendwann reicht es mal. Ich möchte zudem zeigen, dass es leider kein Einzelfall ist, was unserem Pfarrer Égide widerfahren ist.“

„Diese Verletzungen sitzen tief, man möchte sie eigentlich verdrängen, aber das gelingt nicht“

Sabina Palluch
Vorsitzende des Integrationsrates der Stadt Emmerich

Bedrohung in der Sauna

Sabina Palluchs Welt wurde am 9. Februar 2024 erschüttert. An jenem Freitagabend ging sie mit ihrem Ehemann in die Sauna des Embricana. In der gemischten Umkleidekabine setzte sie sich auf die Bank, unterhielt sich auf Polnisch mit ihrem Mann und vernahm dann plötzlich, dass ein Mann sie zum Gehen aufforderte. „Ich habe gar nicht verstanden, was sein Problem ist“, erinnert sich Palluch. Ein zweiter Mann kam hinzu und verbalisierte das Unglaubliche: „Es ist besser, wenn nur Deutsche in der Sauna sind“, habe dieser gesagt, so Palluch, die zurückfragte: „Was stört Sie?“

Eine Antwort bekam die Juristin, die sowohl den polnischen als auch den deutschen Pass besitzt, nicht. Sie hörte nur aggressive Faustschläge gegen die Tür des Spindes. „Der Mann wollte mir Angst einjagen“, stellt die Emmericherin fest, die daraufhin die Polizei rief. „Erst wollte der Polizist den Fall gar nicht aufnehmen, aber ich ließ mich nicht abwimmeln“, erzählt sie. „Ich war schockiert.“

Das Embricana aus der Luft betrachtet: In der Sauna wurde Sabina Palluch rassistisch angegangen.
Das Embricana aus der Luft betrachtet: In der Sauna wurde Sabina Palluch rassistisch angegangen. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Verfahren wurde eingestellt

Aus dem Schock wurde Frustration, als gut zwei Monate später ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Kleve in Palluchs Briefkasten landete: Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. „Der Beschuldigte bestreitet, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben“, heißt es in dem Dokument, das der NRZ vorliegt. Und weiter: „Letztlich stehen sich Ihre Angaben und die Angaben des Beschuldigten unvereinbar gegenüber, wobei keiner der Sachverhaltsschilderungen ein höherer Beweiswert beigemessen werden kann. Im Falle einer Anklageerhebung wäre daher nicht mit der Verurteilung des Beschuldigten zu rechnen.“

Noch heute ist Sabina Palluch über dieses Ergebnis fassungslos. „Ich habe mich gedemütigt gefühlt, und das wird einfach als unwichtig betrachtet. Warum wurde der ganze Fall gar nicht richtig untersucht?“, fragt sie. Weder ihr Ehemann noch der Bademeister im Embricana seien als Zeugen vernommen worden.

Justiz Bau
Die Staatsanwaltschaft Kleve hat angekündigt, den Rassismusfall um Égide Muziazia noch einmal zu prüfen. © NRZ | Ralf Daute

Staatsanwaltschaft prüft den Fall Muziazia

Die Vorsitzende des Integrationsrates spricht dabei einen Punkt an, der auch viele Emmericher nach den Veröffentlichungen im Rassismusfall von Pfarrer Égide Muziazia verstört. Wie die Staatsanwaltschaft Kleve auf NRZ-Anfrage am Dienstag bestätigte, war das Verfahren seinerzeit „mangels Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung eingestellt worden“. Die aktuelle Medienberichterstattung nahm die Behörde jedoch zum Anlass, diese Entscheidung zu überprüfen und die Akten von der Bußgeldstelle des Kreises Kleve zurückzufordern. Der Ausgang ist offen.

Weitergehende Fragen der NRZ ließ Johannes Hoppmann, Sprecher der Staatsanwaltschaft, zunächst unbeantwortet – mit dem Verweis, „dass das Ergebnis der in Aussicht genommenen Prüfung der seinerzeit getroffenen Einstellungsverfügung abzuwarten bleibt“. In der kommenden Woche könnte Bewegung in die Sache kommen.

Albert Jansen, Ortsvorsteher in Elten, hatte bei der Pressekonferenz mit deutlichen Worten die Einstellung des Strafverfahrens kritisiert: „Wenn das die Rechtssprechung in Deutschland ist, dann muss ich mich dafür schämen. Wenn ich jemanden anzeige, der mich rassistisch beleidigt und bespuckt hat, und dies das Ergebnis ist, dann zeigt doch keiner so etwas ein zweites Mal an.“

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Sabina Palluch fordert: „Nicht wegschauen“

Sabina Palluch fühlt mit Égide Muziazia, der sich vorerst aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, mit. „Ich bin so glücklich, dass wir ihn haben. Er ist so eine Bereicherung“, sagt Palluch, die den vom Pfarrer beschriebenen Alltagsrassismus bestätigen kann. Oft würden Außenstehende diese Situationen kaum wahrnehmen. Doch die selbstbewusste Integrationsratsvorsitzende erinnerte sich noch gut an den belehrenden Ton eines Nachbarn, der eine Diskussion mit den Worten begann: „Bei uns in Deutschland …“. Oder eine gesellschaftlich angesehene Frau, die unwidersprochen polnische Mitbürger auf der Steinstraße als „Alkoholiker“ und „Prostituierte“ brandmarkte.

„Abgesehen von den beschriebenen Situationen habe ich in Emmerich glücklicherweise wenig Rassismus erlebt“, stellt Sabina Palluch fest. „Aber leider sind Diskriminierungen auch hier Teil der Gesellschaft. Deshalb müssen wir das Thema immer wieder ansprechen.“ Palluch fordert jede und jeden dazu auf, nicht wegzuschauen. „Lasst uns auch unsere Bekannte und Nachbarn nach ihren Erlebnissen fragen. Das Thema Rassismus muss immer und überall auf der Agenda stehen.“