Düsseldorf. Jacques Tillys Mottowagen sind weltbekannt. Kaum jemand kennt aber die Menschen, die sie bauen – und die Strapazen, die der Job mit sich bringt.
Während zum Düsseldorfer Karnevalsbrauchtum viele Termine gehören, ist das Highlight der Session für die meisten Jecken der Rosenmontagszug. Besonders die Bilder der Wagen aus dem Hause Jacques Tilly gehen jedes Jahr durch die Republik und um den Globus. Dass sie alle rechtzeitig fertig sind, ist das Ergebnis monatelanger Arbeit des Teams der Wagenbauhalle in Düsseldorf-Bilk. Doch wie wird man eigentlich Wagenbauer?
Manchmal spielt dabei der glückliche Zufall eine Rolle: Etwa bei David Salomo (44), der bereits seit 2006 in der Wagenbauhalle arbeitet. „Ich bin gelernter Illustrator“, erklärt der Düsseldorfer. Damals, vor fast zwanzig Jahren, hatte es einen Einbruch in seiner Branche gegeben, berichtet er, mit geringen Chancen auf eine Stelle. Just zu diesem Zeitpunkt stieß David auf ein Inserat von Jacques Tilly – und bewarb sich.
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Und dann ging alles ziemlich schnell: „Jacques rief mich an, ich stand gerade im Supermarkt an der Kasse“, erinnert er sich. Nach einem Treffen in der Wagenbauhalle und einem Gespräch in der dazugehörigen Küche wurde er bald zum Teil des Teams – und blieb es bis heute. Mit der Zeit eignete sich der Illustrator auch andere Fertigkeiten an. Heute arbeitet er bei jedem Schritt des Wagenbaus mit. „Eigentlich alles macht die Arbeit hier besonders“, erklärt er. „Es gibt immer wieder neue Herausforderungen. Man muss sich immer wieder neu in Aufträge reindenken, es gibt viele verschiedene Anforderungen von Seiten der Kunden.“ So sei die Arbeit in der Wagenbauhalle nie das Gleiche.
Doch in der Halle fand David mehr als nur künstlerische Herausforderungen: auch seine Partnerin Melanie Rudolph (39) lernte er hier eines Tages bei der Arbeit kennen. „Da hat man sich über die Farbpistole tief in die Augen geschaut“, sagt sie – und beide lachen.
Ihr Weg führte die ursprünglich aus Mettmann stammende Malerin vor rund sechseinhalb Jahren in Tillys Wagenbauhalle. „Ich habe vorher an der Kunstakademie studiert und habe einen Quereinstieg gemacht“, erzählt sie. Nach dem Studium absolvierte sie sogar noch eine Ausbildung zur Malerin und Lackiererin, die Grundlagen des Wagenbaus lernte sie dann bei Tilly in einem Crashkurs.
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Heute ist Melanie mit für die farbliche Gestaltung der Wagen zuständig. „Du erweiterst dich malerisch immer mehr, arbeitest dich in den Stil rein – und musst bei jedem Motiv umdenken“, erklärt sie. Dem großen Know-How von Melanie und ihren Kollegen an der Sprühpistole ist es zu verdanken, dass die Wagen im Zoch genau in den richtigen Farben leuchten – und dabei ganz besonders plastisch aussehen. „Wir haben in der Halle ja kein richtiges Tageslicht“, erklärt sie. „Es braucht viel Erfahrung, zu wissen, wie sehr du die Farbtöne übersteigerst.“
Kurz vor Rosenmontag wird es jedes Mal „richtig stressig“
Ob dabei alles hingehauen hat, sehen sie dann am Rosenmontag, sagt Melanie. Aber auch die Reaktionen der Zoch-Besucher schauen sich die Wagenbauer genau an: „Ich finde es schon auch immer interessant, auf der Straße unsere Werke ‚in Aktion‘ zu sehen“, berichtet David. „Es ist spannend, auf die Gesichter der Leute zu achten: Kommt ein Wagen gut an, wird er verstanden?“ Auch die internationale Resonanz, die viele der Mottowagen auslösen, ist für das Team sehr Interessant: „Wenn sie global von jeder Kultur verstanden werden können, dann haben wir unsere Arbeit richtig gemacht“, sagt Melanie.
Dafür, dass das funktioniert, sorgt der Chef-Karikaturist nicht allein: Bevor die Mottowagen in den Bau gehen, bespricht Jacques Tilly seine Entwürfe in der Runde mit seinem Team. „Wenn wir den Wagen nicht verstehen, versteht ihn wahrscheinlich auch draußen keiner“, sagt David. So kann dabei schnell klar werden, wo Motive etwa noch eindeutiger werden müssen. „Da kommen auch mal Themen aufs Tapet, wo auch einige von uns denken: ‚Da habe ich mich noch nie mit beschäftigt‘“, erzählt er. Das werde dann eben nachgeholt. Wer in der Wagenbauhalle arbeitet, sollte schon immer auf dem Laufenden bleiben, meint Melanie: „Wenn man gar kein Interesse für Geschichte oder Politik hat, ist das hier eher nicht das Richtige.“
Für die Wagenbaukünstler ist der Rosenmontag der Höhepunkt einer sehr anstrengenden Zeit: „Ab Januar, wenn die Endbauphase losgeht, dann wird es richtig stressig. Dann absolvieren wir locker mal zwölf Stunden am Tag“, erklärt Melanie. „Rosenmontag kann ja nicht wegen zehn Leuten verschoben werden!“, sagt die Farbexpertin mit einem Lachen. „Da muss man halt der richtige Typ für sein. Das ist schon knackig, aber gleichzeitig stehe ich auch ein bisschen darauf.“
Gerade diese Zeiten sind es auch, die das Team in der Halle besonders zusammenschweißen, berichten die beiden: „Dadurch, dass wir gerade in der Endbauphase so viel mit den Kollegen zusammenhängen, ist es ein Zusammenspiel in richtig familiärer Weise“, erzählt David.
Wenn der letzte Wagen durch die Altstadt gerollt ist, dann ist die Arbeit der Wagenbauer für die Session aber noch nicht ganz abgeschlossen: „Dann müssen wir verkatert am Dienstag hier sein, um die Wagen abzureißen“, erklärt Melanie. Weil die meisten Wagen kurz nach dem Einsatz zerstört werden (müssen), sei es auch besser, wenn deren Schöpfer nicht zu sehr an einzelnen Kreationen hängen. Immerhin: „Das Kaputtmachen macht auch Spaß!“ findet Melanie.
Danach heißt es für die Kreativen aber endlich eins: Sich richtig ausruhen. „Erstmal zwei Wochen schlafen und sich nicht bewegen“, meint die Künstlerin. Daran, in den Urlaub zu fahren, sei da erstmal noch gar nicht zu denken, sind sich die beiden einig.
Jacques Tilly: Was Nachwuchs-Wagenbauer mitbringen sollten
Wer beruflich Karnevalswagen bauen will, sollte also belastbar sein. Und natürlich gilt: Auch Wagenbauer müssen abseits der Session arbeiten. „Wir sind beide selbstständig und haben natürlich noch Aufträge nebenher“, erklärt David. Karneval sei allerdings das Hauptstandbein. Etwa zehn Leute umfasst das Kernteam, das das ganze Jahr in der Wagenbauhalle zugange ist, berichtet er. Zu den Hochzeiten vor Rosenmontag könne das Team dann auch mal auf rund 20 Personen anwachsen, von denen die meisten Minijobber sind.
Wie viel Arbeit in die geliebten Rosenmontagswagen fließt, das unterschätzen die meisten Leute eher, so das Wagenbauer-Paar aus Erfahrung. „Viele Leute wissen gar nicht wie das hier abläuft“, meint David. „Ich weiß nicht, ob man das mit etwas anderem vergleichen kann.“ Interessierte, die gerne in der Halle mitarbeiten würden, gebe es aber immer wieder: etwa nach den Figurenbau-Workshops, die Jacques Tilly – das nächste Mal im Mai 2025 – anbietet. Dass von denen dann tatsächlich jemand in der Wagenhalle anfängt, passiere dagegen seltener, berichten die beiden – und natürlich auch bedarfsabhängig. Wer gute Chancen haben will, in Zukunft an den Düsseldorfer Karnevalswagen mitzubauen, sollte am besten eins mitbringen, raten Melanie und David: Praktische Erfahrung im Umgang mit den genutzten Materialien – zum Beispiel durch eine passende handwerkliche Ausbildung.
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