Düsseldorf. Jacques Tillys Mottowagen gehören fest zum Düsseldorfer Karneval. Warum er sich dieses Jahr auf schlaflose Nächte einstellt – und was er plant.
Die bewegte politische Lage in Deutschland und der Welt wird Jacques Tilly die eine oder andere schlaflose Nacht vor dem Rosenmontag am 3. März bescheren, prophezeit er. Die Mottowagen des Düsseldorfer Wagenbauers sind ein fester Bestandteil des Rosenmontags in der Landeshauptstadt und über die Region hinaus bekannt. Bilder der Wagen gingen um die ganze Welt, besonders wenn Tilly Persönlichkeiten wie Donald Trump oder Wladimir Putin aufs Korn nimmt. Warum der Zeitplan in diesem Jahr so knapp ist und was Tilly beschäftigt.
Bundestagswahl sorgt für Terminstress bei Wagenbauern
„Wir haben nur eine Woche, um das Ergebnis der Bundestagswahl närrisch zu kommentieren“, sagt der Düsseldorfer Karnevalist. Das sei zwar „sehr sportlich“, aber er habe mit seinem Team schon andere Herausforderungen gemeistert. Das Problem: „Es wird erstmal Gespräche der Parteien geben und nicht klar sein, wer mit wem koaliert. Ob die CDU mit der SPD oder den Grünen zusammenkommt und ob die FDP eine Rolle spielt, wissen wir nicht.“
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Mit großer Wahrscheinlichkeit sei abzusehen, dass Friedrich Merz Kanzler werde, meint Tilly. „Das ist in der jetzigen Situation offensichtlich.“ Doch noch halte er viele Wagen zurück. „Es ist schwierig, auf ein Ziel zu zielen, wenn das Ziel nicht sichtbar ist. Das liegt in der Natur der Sache.“
Nachtschichten sind nichts Neues für den 61-jährigen Wagenbauer und sein Team. „Als Putin 2022 die Ukraine überfallen hat, haben wir nachts einen Wagen dazu gemacht.“ Der Rosenmontag war in dem Jahr wegen der russischen Invasion zwar ausgefallen, doch dieser Wagen wurde präsentiert. „Es war der einzige, aber immerhin haben wir einen gebaut“, sagt Tilly. „Da war die Farbe noch nicht trocken, als wir ihn um 11 Uhr vorgestellt haben.“
So ähnlich könne es vom Zeitplan her auch in diesem Jahr ablaufen, meint Tilly. „Aber das ist mein Team gewohnt, unter großem Stress optimale Leistungen zu bringen. Das gehört zu unserem Geschäft.“
Tilly: Rechtspopulismus wird wieder ein Thema beim Rosenmontag
Neben den Ergebnissen der Bundestagswahl könnten auch andere politische Themen eher kurzfristig Eingang finden in die karnevalistische Satire. „Bei Donald Trump wissen wir noch nicht, welche Sau er wieder durch Washington jagen wird. Wahrscheinlich täglich was Neues“, überlegt Tilly und betont: „Das muss ja auch aktuell sein.“
Ein Thema der Mottowagen werde – „wie immer“ – der Rechtspopulismus sein, verrät Tilly. Seit 2016 stehe es auf der karnevalistischen Agenda. „Denn Rechtspopulismus ist ein weltweiter Trend.“ Wie genau er in diesem Jahr an die Sache herangehen wird, wisse er aber noch nicht, so Tilly. Zudem verrate er ohnehin nie vor dem Rosenmontag, welche Motive genau zu sehen sein werden.
„Wir haben jetzt gerade Elon Musk, der ziemlich dreist in den Wahlkampf eingegriffen und der AfD Schützenhilfe gegeben hat, aber wer weiß, was er nächste Woche macht. Wenn wir da jetzt schon was zu machen würden, ist das vielleicht bald schon wieder kalter Kaffee“, erklärt Tilly. „Im Moment heißt es ‚abwarten und Killepitsch trinken‘.“
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Karnevalist beklagt fehlenden Konsens in der Gesellschaft
Eine weitere Auswirkung des Rechtspopulismus auf Tillys Arbeit sei, dass es schwieriger werde „Wagen für alle“ zu machen, wie er sagt. „Der Konsens der Gesellschaft – falls der jemals existiert hat – wurde noch weiter reduziert und die Menschen radikalisieren sich in ihren Blasen“, so der Düsseldorfer. Das sei neu und bedeute eine starke Politisierung fast aller Themen. Früher habe es das so nicht gegeben, meint er. „Das muss man beim Arbeiten berücksichtigen. Ich will ja Wagen für alle machen, aber das geht nicht, wenn die Themen so kontrovers sind, dass man sich nicht einigen kann“, erklärt Tilly.
„Wir sind im Karneval parteipolitisch neutral, aber wenn Werte verletzt werden – Rechtsstaatlichkeit, Toleranz, Demokratie, Pluralismus, Säkularismus – dann stehen wir auf der Matte und machen Wagen dagegen“, sagt er. „Es ist ein Eiertanz zwischen unpolitisch sein und hochpolitisch sein. Dieser Spagat muss uns jedes Jahr gelingen.“
Internationale Reaktionen auf Jacques Tillys Wagen
Mittlerweile sind die Wagen des Düsseldorfer Karnevalisten weltweit bekannt. Bilder von Wagen zu Trump oder Putin gingen um die Welt und sorgten für Reaktionen. „2019 haben wir in 100 Ländern 1500 Veröffentlichungen gesehen von unseren Wagen“, erzählt Tilly. „Meine Pressemappe war damals 30 Zentimeter dick.“
Die Bilder werden international gesehen – auch von so mancher Persönlichkeit, die Tilly aufs Korn genommen hat. „Matteo Salvini hat auf seinen Wagen reagiert, Geert Wilders war sauer“, erinnert sich Tilly. „Die Leute sehen das. Ich hoffe, es fühlt sich auch dieses Jahr wieder jemand auf den Schlips getreten. Das ist immer ein Zeichen, dass man gut gearbeitet hat.“