Düsseldorf. Dass Minderjährige schon Pornos schauen, hat laut einer Umfrage stark zugenommen. Pädagogen in Düsseldorf wollen gegensteuern - und aufklären.
Eine aktuelle Studie der Landesanstalt für Medien NRW zeigt: Dass Kinder und Jugendliche Pornos schauen, hat in jüngster Vergangenheit zugenommen. „Für Eltern oder Lehrkräfte, die in Zeiten von dunklen Videotheken oder meinetwegen DVDs auf dem Schulhof aufgewachsen sind, ist es schwer vorstellbar, wie einfach Kinder und Jugendliche heute an Pornografie kommen“, warnt Tobias Schmid, Direktor der Medienanstalt in Düsseldorf.
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Studie: Immer mehr Pornokonsum bei 11 -bis 13-jährigen
Zum zweiten Mal wurde die repräsentative Umfrage der Medienanstalt NRW in diesem Jahr durchgeführt. Dafür wurden knapp 3000 Kinder und Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren befragt. Im Vergleich zum Vorjahr gaben dabei deutlich mehr der Minderjährigen an, bereits einen Porno gesehen zu haben – ganze 42 Prozent im Vergleich zu 35 Prozent im Jahr 2023.
Was besonders besorgniserregend ist: Diese Zunahme ist nur bei den bei 11 bis 13-jährigen Jungen und Mädchen zu verzeichnen, berichtet die Medienanstalt. Der Erstkontakt mit Porno-Inhalten liegt laut der Umfrage meist im Alter von 12 bis 15 Jahren und geschieht häufig zufällig. Das Gesehende einzuordnen, fällt den allermeisten Kindern dabei schwer. Nur gut ein Viertel der Befragten (28 Prozent), die einen Porno gesehen haben, bewerten Pornos demnach als unrealistisch.
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Und: Nicht nur sehen Minderjährige offenbar immer früher Pornos, sie erstellen auch immer häufiger selbst pornografische Inhalte – und versenden sie. Man spricht dabei von „Sexting“. Ein Viertel der Befragten gab an, bereits eine Sexting-Nachricht erhalten zu haben (2023: 21 Prozent), neun Prozent (2023: 6 Prozent) hatten selbst welche versendet. Die gesamten Ergebnisse der Studie sind unter www.medienanstalt-nrw.de abrufbar.
Thema taucht auch im Schulalltag auf
Auch im Schulalltag taucht das Thema Pornos ab und zu auf, erklärt Gabriella Lorusso, Personalrätin, Gewerkschafterin und Lehrerin an der Gesamtschule Stettiner Straße in Düsseldorf-Garath. „Es passiert immer wieder, dass sich nachvollziehen lässt, dass Schüler über schuleigene iPads entsprechende Bilder oder Videos abgerufen haben.“ In diesen Fällen gebe es Gespräche mit den Schülern und Eltern. Auch die sozialpädagogische Abteilung an der Schule werde dann aktiv.
Aber auch auf anderer Ebene tauchen Effekte von Pornonutzung auf, erklärt sie: So gebe es von männlichen Schülern manchmal Aussagen über Frauen, auch Beleidigungen, die sehr wahrscheinlich von Pornos beeinflusst wurden. „Wir versuchen, Schülern zu erklären, dass das Bild der Frau in solchen Filmen verfälscht ist“, sagt Lorusso. Sexuelle Diskriminierung sei ein sehr großes Thema, das an ihrer Schule auch im Projekt „Schule der Vielfalt“ angegangen werde, berichte die Lehrerin.
Grundsätzlich werde der Themenkomplex Pornografie im Sexualkunde-Unterricht behandelt. Doch die Prävention gestalte sich für die Lehrkräfte sehr schwierig: Viele der Schüler wollten über das Thema mit ihnen nicht reden. Die Düsseldorfer Lehrerin hält es deswegen für nötig, dass dazu auch externe Pädagogen herangezogen werden, die mit den Jugendlichen den Themenkomplex besprechen.
Auch die Stadt hat das Thema auf der Agenda
Das Thema hat das Amt für Soziales und Jugend bereits auf dem Schirm. Der Erzieherische Kinder- und Jugendschutz in der Abteilung Jugendförderung bietet im Bereich sexuelle Bildung und Prävention (digitaler) sexualisierter Gewalt jährlich mehrere Fortbildungen an, außerdem Teamschulungen zum Thema „Sexuelle Bildung“. Mit den Beratungsangeboten in der Stadt ist die Stelle im Sexualpädagogischen Arbeitskreis (SPAK) vernetzt.
Das konkrete Thema Pornografie im Zusammenhang mit Jugendsexualität wurde zuletzt im August 2023 explizit bei einer Fachtagung der AG „Sexuelle Bildung in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit“ in Düsseldorf behandelt. Die Arbeitsgemeinschaft setzt sich aus den Einrichtungen kommunaler und freier Trägerschaft zusammen.
Zum sexualpädagogischen Arbeitskreis gehört auch die Düsseldorfer Beratungsstelle von Pro Familia. Diese bietet auch Workshops für Schulklassen und andere Jugendgruppen an, bei denen Themen mit Porno-Bezug oft eine Rolle spielen. „Vor so einem Termin bekommen die Schülerinnen und Schüler Zettel im Unterricht, mit denen sie anonym Fragen einreichen können“, erklärt Sozialarbeiterin Lena Meyer-Barzen. Diese behandeln die Pädagoginnen dann in Kleingruppen.
Pro Familia bietet auch telefonische Beratungen an
Die Beratungsstelle von Pro Familia bietet eine telefonische Sprechstunde: Dienstags zwischen 14 und 15 Uhr unter der Nummer 0211-315051 . Diese Sprechstunde richtet sich nicht nur an Kinder und Jugendliche – auch Eltern und Pädagogen, die mit sexualpädagogischen Themen konfrontiert sind, können sich dort für Unterstützung melden.
Porno-Konsum kann bei Jugendlichen zu Nachahmung führen
Bei bestimmten, häufigen Fragen sei ihr sofort klar, dass diese im Zusammenhang mit Pornokonsum aufgekommen sind, berichtet sie: „Etwa: ‚Welche Penisgröße ist normal?‘ oder ‚Muss man Analsex haben?‘“. Oft merke sie bei der Besprechung der Antworten dann ein Aufatmen bei den Schülern – die meistens zwischen 13 und 14 Jahren alt sind. „Manchmal stelle ich dann auch die Frage: zeigen Pornos Sex im echten Leben?“ In jeder Gruppe finden sich Teilnehmer, die den Realitätsgehalt von Pornos durchaus einordnen können, aber auch andere, die das nicht gut können, erklärt die Sozialarbeiterin.
Wenn die Vorstellung der Jugendlichen von Sex durch Pornos geprägt wird, hat das viele Risiken, erklärt die Sexualpädagogin. Beispielsweise: „In Pornos wird kaum miteinander gesprochen“. Diese Art, wie Sex in den Filmen dargestellt wird, könnte dazu führen, dass Jugendliche dies nachahmen, statt eigenen Impulsen zu folgen. Dies sei deswegen ein Problem, weil konsensueller Sex erfordert, dass auch darüber kommuniziert wird, was die Partner möchten und was nicht.
Auch den Verzicht auf Kondome schauten sich Jugendliche unter Umständen aus Pornos ab. Und ebenso Rollenbilder: „Viele dominante Männer sind in Pornos zu sehen, gleichzeitig werden Frauen übersexualisiert und objektifiziert.“ Häufig gebe es auch eine Verbindung von Sex und Gewalt in den Filmen – die einen Eindruck bei den Jugendlichen hinterlässt, so die Sozialarbeiterin.
Jugendliche fragen: „Bin ich eigentlich schon pornosüchtig?“
Das Thema Pornosucht sei ein Risiko, das manchmal explizit von den Jugendlichen in den Workshops angesprochen werde. „Ich werde oft gefragt: ‚Bin ich eigentlich schon pornosüchtig?‘“. Auch das sogenannte Sexting ist Thema in vielen Besprechungen, berichtet Meyer-Barzen. Hier erklären die Beraterinnen auch die rechtliche Lage – denn Jugendliche, die von sich oder anderen Personen pornografisches Material verschicken, können sich leicht strafbar machen.
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Zur Prävention sei besonders wichtig, dass das Thema besprechbar gemacht wird, erklärt Meyer-Barzen. Die Workshops von Pro Familia sind aufbauend für den Sexualkunde-Unterricht konzipiert. Doch auch die Eltern sind ein wichtiger Ansprechpartner für ihre Kinder, betont sie. Ein guter Eltern-Kind-Kontakt sei deswegen entscheidend. Da Pornos vor allem über digitale Mittel gesehen werden, spiele auch Medienkompetenz eine große Rolle. „Dabei gibt es bei vielen Eltern Unsicherheiten“, so die Sozialarbeiterin.