Düsseldorf. DFB-Vizepräsident Peter Frymuth hat vier Wochen lang die EM in Düsseldorf begleitet. Den emotionalsten Moment erlebte er jedoch nicht im Stadion.

Peter Frymuth hat viele lange Tage und viele kurze Nächte hinter sich. Wir treffen den DFB-Vizepräsidenten und Präsidenten des Fußballverbandes Niederrhein (FVN), der gut vier Wochen lang die Fußball-EM in Düsseldorf als Funktionär begleitet hat, in einem Eiscafé in der City. Der Lohausener erzählt im NRZ-Interview von tollen Begegnungen mit Menschen aus anderen Nationen, lobt Düsseldorf als sogenannte Host City, schaut aber auch auf die kleinen Dinge abseits des Weltfußballs.

Wie waren Ihre ganz persönlichen EM-Erfahrungen?

Ich hatte eine wunderbare EM, und das teile ich ja mit ganz vielen Menschen - nicht nur in Deutschland. Es ist aber auch genau das passiert, was ich und viele meiner Kolleginnen und Kollegen auch vorher prophezeit haben: Wenn es einmal losgegangen ist, dann verfliegt die Zeit. Wir hatten ja einen Prozess von mehreren Jahren, in denen sich viele Mitarbeitende des DFB und der Uefa um die Vorbereitung für das Turnier gekümmert haben. Die waren schon lange im Feuer, wenn man so will. Wir wurden über die Planungsstände unterrichtet, man tauschte sich sehr viel aus. Das Turnier rückte immer näher, dann startete es, und dann war es vorbei. Ein bisschen wie Weihnachten war das: Ende November sagst Du: Oh, in vier Wochen ist Weihnachten, und wenn man sich einmal umdreht, ist schon Neujahr. Das zeigt deutlich, wie intensiv das Erlebnis EM war.

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War es auch Stress?

Von Stress kann ich wirklich nicht sprechen, weil ich ja gar nicht im operativen Bereich unterwegs war. Ich hatte beim DFB nur die lokale Verantwortung für Düsseldorf, im Austausch mit dem DFB-Hauptamt in Frankfurt und auch mit der Uefa. Gerade die Beobachtung der Stimmung war da wichtig. Wir hatten ja eine besondere Situation: Anfang März lag Fußball-Deutschland noch in Schutt und Asche. Dann kamen zwei Länderspiele, die die Stimmung gedreht haben. Und dann kam dazu, dass es Bayern und Dortmund in der Champions League ganz weit nach vorn schafften, wie auch Leverkusen in der Europa-League. Das war die Grundlage für die gute EM-Stimmung in Deutschland. Ich hatte immer gehofft, dass sich das Land hinter der Mannschaft von Julian Nagelsmann versammelt. Das war dann auch der Fall.

Bei vielen anderen Nationen ist das ja üblich...

Ja. Wir haben es bei den Gästen gesehen, die wir hier hatten. Beispiel Niederlande: Man kann ja nun nicht gerade sagen, dass die Oranje-Bewegung im Land durch permanente Erfolge des holländischen Teams hervorgebracht wird. Es war eher eine Entwicklung. Bei den Schotten ist das noch einmal etwas ganz anderes, die feiern sich am liebsten selbst. Und diese Bewegung hat nun auch wieder in Deutschland ihren Anfang genommen. Das ist wohl das Wichtigste, was die EM geschafft hat.

Ein Düsseldorfer, der anpackt

Peter Frymuth ist ein deutscher Fußballfunktionär. Aktuell ist er Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes, Präsident des Westdeutschen Fußballverbandes und Präsident des Fußballverbandes Niederrhein. Bis vor kurzem war er auch in der Lokalpolitik hauptberuflich als Leiter der Bezirksverwaltungsstelle 8 im Düsseldorfer Stadtteil Eller tätig.

Von November 2004 bis Januar 2014 war Frymuth Vorstandsvorsitzender von Fortuna Düsseldorf. In dieser Zeit konsolidierte sich der Verein finanziell und stieg von der 3. Liga bis in die Bundesliga auf. 2014 wurde der Lohausener für seine Verdienste zum Düsseldorfer des Jahres in der Kategorie Sport gekürt.

Sie treffen viele Menschen bei einem solchen Großereignis. Gab es Begegnungen, von denen Sie besonders beeindruckt waren?

Wir hatten in Düsseldorf eine besondere Wohlfühlatmosphäre, für die auch OB Stephan Keller gesorgt hat. Er hat zu jedem Spiel in Düsseldorf die Delegationen der Länder zum Empfang ins Rathaus eingeladen. Dort hat man dann mehr Zeit zum Austausch, als nur im Vorbeigehen im Stadion. Dann habe ich die Fans der Schotten in der Münchener Innenstadt erlebt, das war grandios. Und damit meine ich weniger den Alkoholkonsum, sondern deren friedliches Auftreten, das Gemeinschaftsgefühl, was da rüber kam. Als die gegen Deutschland das einzige Tor beim 1:5 machten, was auch noch ein Eigentor war, jubelten sie in der Allianz-Arena, als hätten sie gerade EM und WM in einem gewonnen.

Düsseldorf punktete hingegen mit den Fan-Walks

Absolut. Auch, mit der Düsseldorfer Konzeption, den Weg am Rhein entlang laufen zu lassen, das war für die Fans natürlich gigantisch. Das hast viel zur positiven Stimmung in der Stadt beigetragen. Was für mich aber auch wichtig war: Dass es an den spielfreien Tagen in Düsseldorf Aktionen gab. Mit dem Fußballverband Niederrhein hatten wir eine Kooperation mit der Stadt für Events auf dem Burgplatz. Dort haben wir Gruppen eine Plattform gegeben, die sonst nicht so im Rampenlicht stehen. Etwa Grundschulkinder oder Schülerinnen und Schüler von weiterführenden Schulen, die sich als DFB-Junior-Coach ausbilden lassen. Es gab auch ein Ü-70-Turnier. Mein Höhepunkt war dort allerdings unser Inklusionsturnier. Ich schildere da immer gerne eine Szene, als einige Spieler entdeckten, dass sie live auf der Leinwand zu sehen sind. Die haben einfach aufgehört zu spielen. In solchen Momenten steht die Zeit still. Ich stand an der Bande, es war ein sehr emotionaler Moment. Da war eine Art Dankbarkeit zu spüren, die man so nicht mehr kennt.

Was hat Düsseldorf noch gut gemacht?

Ich finde, hier haben von Anfang an alle Rädchen ineinander gegriffen. Da fing an mit der Abholung der Mannschaften an den Flughäfen Düsseldorf, Dortmund und Paderborn landeten. Aber auch die Polizei und die Stadt machten in Hinsicht auf die Sicherheitslage einen überragenden Job. Die Public Viewing-Bereiche am Rheinufer und am Burgplatz sowie in etwas kleinerer Form am Schauspielhaus waren ideale Standorte. Ich habe es ja selbst erlebt bei den FVN-Aktionen an spielfreien Tagen am Rhein: Da hast Du eine Riesen-Leinwand auf dem Burgplatz, dann den Schlossturm, dann noch den Blick auf den Fluss und auf das Riesenrad von der Kirmes auf der anderen Rheinseite. Das ist ein unvergleichliches Ambiente. Düsseldorf hat ausgezeichnet, dass alles gut abgestimmt und kooordiniert war.

Wie kann Düsseldorf nachhaltig von der EM profitieren?

In Deutschland gibt es viele Standorte, die im Sommer bei anderen Veranstaltungen mit im Rennen sind. Wir haben natürlich viel Konkurrenz, aber ich mache mir um die Zukunft keine großen Sorgen. Denn man sollte doch mal überlegen, was wir in Düsseldorf in den letzten Jahren schon alles auf die Beine gestellt haben. Angefangen mit dem Eurovision Song Contest gab es eine lange Strecke an Veranstaltungen, das ist nicht selbstverständlich. Viele haben ja schon dieses überragende Handball-Weltrekordspiel zum EM-Auftakt im Januar dieses Jahr in der Arena vergessen. Solche Events freuen mich als Sportfunktionär natürlich besonders. Und wenn sich Düsseldorf bei einer EM als so toller Gastgeber präsentiert, dann ist das natürlich noch einmal eine ganz besondere Referenz.

Gibt es nach der EM eigentlich auch Kritikpunkte?

Eigentlich keine. An verschiedenen Stellen wurde gelegentlich über Preise gemeckert - bei den Tickets, beim Verzehr von Speisen und Getränken im Stadion. Da muss man aber wissen, dass es die Diskussion bei Großveranstaltungen immer gibt. Das hat der Stimmung aber keinen Abbruch getan, finde ich.

Kann der Vereinsfußball, in unserem Fall die Fortuna, vom EM-Hype profitieren?

Ja, das wird man merken an den Zuschauerzahlen. Fortuna hat ja schon in der Saison 2023/24 sehr viele Dauerkarten abgesetzt. Und vor der neuen Saison ging es noch einmal nach oben. Die positive Stimmung zum Fußballsport wird bleiben.

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