Dinslaken. Am Mittwoch sind Kitas in Dinslaken geschlossen. Das Personal ist zur Demo in Düsseldorf aufgerufen. So dramatisch ist die Situation vor Ort.

„Wir haben keine Wahl, es muss weitergehen, irgendwie.“ Ein oft von einem Seufzer begleiteter Satz, den Kitamutter Lena S. (Name geändert) immer wieder von Erzieherinnen und Erziehern hört, wenn es um den Streik geht: In Dinslaken, Voerde und Hünxe bleiben am Mittwoch, 13. November, die Türen vieler städtischer Kindertagesstätten und Offener Ganztagsschulen geschlossen. Erzieherinnen und Erzieher, unterstützt von Gewerkschaften und Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, demonstrieren in Düsseldorf gegen die geplanten finanziellen Kürzungen, die den Bildungs- und Betreuungsbereich massiv treffen sollen.

Hintergrund der Aktion ist, dass das Land NRW mehr als 80 Millionen Euro im Sozialbereich einsparen will. Davon sind unter anderem die Kitas betroffen. „Mit der Demonstration am 13. November soll noch einmal in die Öffentlichkeit getragen werden, was so oft ,nur‘ die Eltern und das Personal in den Kitas und deren Trägern mitbekommen. Seit über einem Jahr klafft eine eklatante Finanzierungslücke bei den Personalkosten für die Kitas“, sagt Lena S., die anonym bleiben möchte.

Erzieherin aus Dinslaken: Viele Erzieherinnen und Erzieher arbeiten am Limit

Für Lenas Kind bedeutet der Streik, dass die Betreuungszeiten in den Kitas oft eingeschränkt sind. Das heißt, es wird nicht der offizielle Notbetrieb ausgerufen. Wenn zu viele Fachkräfte ausfallen, müssen die Eltern selbst einspringen, damit die Kinder noch in der Kita betreut werden können, deren Eltern sie gerade nicht zu Hause betreuen können. „In unserer Kita versuchen sowohl die Erzieherinnen und Erzieher als auch wir Eltern, immer alle Kinder im Blick zu haben. Das ist ein Spagat, der uns allen viel abverlangt“, bestätigt Lena.

Die Arbeitsbelastung in den Kitas ist seit Jahren hoch. Und viele Erzieherinnen und Erzieher arbeiten bereits am Limit. Auch in den Kitas. Erzieherin Sabine D., die ebenfalls anonym bleiben möchte, hat Verständnis für den Streik, auch wenn sie bei diesem Streik nicht dazu aufgerufen wurde, denn: „In vielen Kitas in Dinslaken herrscht Personalmangel und das Personal geht am Stock“, sagt sie und fügt hinzu: „Wir arbeiten teilweise allein in der Gruppe mit 20 bis 22 Kindern, davon mehrere Wickelkinder.“ Das sei für sie allein nicht zu schaffen: „Aber es wird sich nichts ändern, das ist im Moment leider die Realität, man lässt die Leute lieber am Limit arbeiten.“

Eltern in Dinslaken haben dafür Verständnis

So stehen viele Erzieherinnen und Erzieher unter Druck, nicht nur diesen Mangel zu bewältigen, sondern auch die Betreuung der Kinder sicherzustellen und aufrechtzuerhalten. „Ich möchte mir gar nicht vorstellen, welchem Druck die Kitas und ihre Träger hier oft ausgesetzt sind“, sagt Lena. Trotzdem ist die Verzweiflung groß, wie sich die Notfallbetreuung mit dem Beruf vereinbaren lässt. Denn natürlich soll man arbeiten und seinen Teil zum Gemeinwohl beitragen. Aber die Notfallbetreuung „lässt uns als Eltern oft verzweifelt und meistens gestresst zurück, weil man nicht weiß, wie man diese Ungewissheit mit dem Berufsalltag vereinbaren soll“, sagt Lena.

Die Kürzungen würden bedeuten, dass bereits überlastete Einrichtungen noch weniger Personal und Ressourcen zur Verfügung hätten. Hinzu kommt, dass zusätzliche Stellen wie Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger wegfallen. Die Auswirkungen werden nicht nur im Kita-Alltag spürbar sein, sondern langfristig auch die Entwicklung der Kinder beeinträchtigen. „Wenn ich mir allerdings den Fachkräftemangel ansehe, der schon jetzt überall herrscht, wird mir angst und bange. Es werden zu wenig neue Fachkräfte ausgebildet, die Bezahlung ist nicht angemessen für das, was von Erzieherinnen und Erziehern erwartet wird und was sie im Bildungsbereich leisten“, so Lena.

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Auch Kinder mit Behinderung in Dinslaken sind betroffen

Vor einigen Wochen hat Lena im Jugendamtselternbeirat mit Vertretern des Jugendamtes über das Thema gesprochen. Dabei wurde eine Studie der TU Dortmund zur Entwicklung der Fachkräftesituation in der Kinder- und Jugendhilfe vorgestellt. „Durch die Reduzierung der Gruppenstärke wird der Kita angeblich die Möglichkeit gegeben, den Mehraufwand an Betreuung zu leisten, den Kinder mit Behinderung benötigen“, teilt Lena S. mit.  

Die geplanten Kürzungen des Landes NRW bieten daher keine Möglichkeit, gezielt auf diese Gruppe einzugehen. „Wir arbeiten sehr eng mit unserer Kita und dem Träger zusammen. Aber außerhalb dieser Blase haben wir oft das Gefühl, dass wir die Einzigen sind, die sich mit dem Thema beschäftigen müssen“, sagt Lena.