Wesel. Das Land will im Sozialbereich kürzen – das trifft auch die Kitas. Doch viele Einrichtungen aus Wesel werden nicht zur Großdemo dagegen fahren.
Der Unmut in der freien Wohlfahrtspflege ist groß: Die Landesregierung will die Budgets für die sozialen Dienste und Angebote im nächsten Jahr um 83 Millionen Euro kürzen. Awo, Caritas, DRK und andere Organisationen rufen deshalb für den 13. November zu einer großen Protestkundgebung in Düsseldorf auf. Sie fordern eine Rücknahme der Pläne, von denen unter anderem die Kindertageseinrichtungen betroffen wären. Die Redaktion hat sich in Wesel, Hamminkeln, Schermbeck und Hünxe bei den Kitaträgern umgehört, wer sich an der Demo in der Landeshauptstadt beteiligt.
Zehn Kitas betreibt zum Beispiel die Katholische Kirchengemeinde St. Nikolaus in Wesel – doch aus keiner Einrichtung können Mitarbeitende an der Protestaktion teilnehmen, obwohl ihnen das Thema unter den Nägeln brennt. Das Bistum hat alle Kitas gebeten, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Da die Personallage ohnehin extrem angespannt ist, bedeute das: „Wir können kein Personal schicken“, so Kita-Verbundleiterin Maria Heynen. Das sei „befremdlich“, denn die Mitarbeitenden stehen hinter dem Anliegen des Protests. „Ich hätte mir einen Samstag gewünscht“, so Heynen mit Blick auf die Demo. In den Kitas der Weseler Gemeinde sind die Sorgen ebenso groß wie anderswo: „Das Kita-System ist vor die Wand gefahren.“ Knackpunkt ist der Personalmangel, viele Beschäftigte seien „am Rande einer großen Erschöpfung.“
Das Problem hat zwei Ursachen, so die Fachfrau: Zum einen gibt es zu wenige Fachkräfte, zum anderen zu wenig Geld, um eine ausreichende Besetzung sicherzustellen. Die jüngsten Tarifabschlüsse würden durch das Land nicht refinanziert. Kita-Träger kommen mit den aktuellen Personalkosten schon in die roten Zahlen. Stellenausschreibungen laufen ins Leere. So habe eine Kita in Wesel ein halbes Jahr lang nach einer langfristigen Vertretungskraft gesucht. Durch Urlaub und Erkrankungen geraten die Einrichtungen in personelle Not – mit der Folge, dass Betreuungszeiten gekürzt werden müssen, was wiederum die Eltern vor große Probleme stellt. Als „hochdramatisch“ beschreibt Maria Heynen die Situation. „Es ist ein gesellschaftliches Problem. Alle müssten ein Interesse daran haben, dass das System verlässlich für Eltern ist.“
Caritas und DRK Wesel fahren nicht zur Demo
Auch in den Kitas des Caritasverbandes Dinslaken-Wesel, der unter anderem zwei Einrichtungen in Wesel und eine in Schermbeck betreibt, bleiben die Türen geöffnet. „Die Eltern haben schon viele Schließungszeiten“, begründet Caritasdireketor Michael van Meerbeck. Gleichwohl steht auch der Verband zu den Anliegen der Demo, denn auch bei der Caritas spürten die Mitarbeitenden den Druck, der auf den Kitas, aber auch auf anderen sozialen Berufen lastet. „Mitarbeiter steigen aus, weil sie nicht mehr können“, so van Meerbeck. Die Situation habe sich seit Corona nicht entspannt. Einige Beschäftigte des Verbandes werden dennoch an der Protestaktion in Düsseldorf teilnehmen.
Die Kitas des DRK-Kreisverbandes Niederrhein (drei in Wesel, je eine in Hünxe und Hamminkeln) werden sich ebenfalls nicht gebündelt am Protesttag beteiligen. „Wir haben uns nach langer Diskussion dagegen entschieden, denn die personelle Lage ist sowieso schon angespannt und wir können den Eltern keinen Schließtag zumuten“, sagt Petra Meier-Haesters, die beim Roten Kreuz für die Kindertageseinrichtungen zuständig ist. Einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten sich zwar beteiligen, aber der Betrieb in den Kitas soll auf jeden Fall aufrechterhalten bleiben. „Wir setzen auf die Eltern und haben über die Beiräte appelliert, dass möglichst viele von ihnen nach Düsseldorf fahren.“
So reagieren Kitas aus Hamminkeln
In Hamminkeln beteiligen sich die insgesamt vier katholischen und zwei evangelischen Kindergärten nicht am Streik, wohl aber die Elterninitiativ-Kita Regenbogen am Feldrain. „Wir fahren in kompletter Besetzung nach Düsseldorf“, sagt eine der Erzieherinnen. Man wolle vor Ort zeigen, dass Fördermittel zwingend notwendig seien. Die Eltern indes sind informiert – eine Notgruppe ist am 13. November eingerichtet. Nicht mit dabei ist dagegen der Elterninitiativ-Kindergarten an der Windmühle – die personelle Besetzung erlaube das momentan nicht, erklärt eine Mitarbeiterin dort.
Hinter den Zielen der Demonstration stehe der DRK-Kreisverband aber dennoch, die geplanten Kürzungen im Sozialbereich würden die Kinderbetreuung weiter unter Druck setzen. „Kitas sind Bildungseinrichtungen, unsere Aufgabe ist es, Kinder auf die Grundschule vorzubereiten. Das geht nur mit mehr Fachkräften“, sagt die DRK-Vertreterin. Die Strukturen des Systems müssten verändert, der Beruf attraktiver werden. Für den Demotag in Düsseldorf hätte sich Meier-Haesters eine gemeinsame Aktion aller Träger gewünscht. „Wenn alle Kitas zu bleiben, dann hätte das eine Wirkung“, glaubt sie.
Anders sieht es hingegen beim Awo-Kreisverband aus. „Wir schließen die Einrichtungen an diesem Tag komplett und bieten keine Notbetreuung an“, schreibt der Wohlfahrtsverband auf Nachfrage der Redaktion. Das betrifft in Wesel die Kindertagesstätten Brüner Tor und Quadenweg sowie die Kita Meisenstraße in Mehrhoog. Der Schließtag sei mit den Elternbeiräten abgestimmt worden, alle Erzieherinnen und Erzieher werden sich an der Demo beteiligten.
„Die Demonstration ist für die Kitas von großer Bedeutung, weil sie auf die schwierigen Bedingungen in der frühkindlichen Bildung und Betreuung aufmerksam macht und bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in diesem Bereich fordert“, heißt es von der Awo. Die Probleme in der Kita-Landschaft beträfen sowohl die Fachkräfte als auch die Familien und Kinder. „Gleichzeitig geht es zudem um ein wichtiges Signal an die Politik und um ein solidarisches Zeichen für viele weitere, von Sparmaßnahmen betroffene soziale Arbeitsfelder“, so der Wohlfahrtsverband.