Dinslaken. Der Künstler Gunter Demnig verlegt am Samstag 16 Stolpersteine in Dinslaken. Einer ist für Leeser Elkan. Ein Jude, der für Deutschland im Krieg war.

„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Mit diesen Worten zitiert Gunter Demnig auf seiner Homepage den Talmud. Gemeinsam mit dem Verein Stolpersteine Dinslaken und seiner Vorsitzenden Anne Prior arbeitet der Künstler seit Jahren daran, die Erinnerung an die jüdischen Bürger in Dinslaken, an die Opfer der Nationalsozialisten wach zu halten. Etwa 145 Stolpersteine lassen ihre Namen, ihr Schicksal unvergessen bleiben. Am Samstag kommt Gunter Demnig erneut nach Dinslaken und verlegt 16 weitere Stolpersteine. Anne Prior hat die Schicksale der Menschen erforscht. Für die NRZ hat sie die Lebensgeschichte von Leeser Elkan aufgeschrieben.

Leeser Elkan war 30 Jahre alt, als er 1879 in die Neustraße 49 zog. Der gebürtige Brünener hatte im gleichen Jahr die aus Dülmen stammende Emma Leeser geheiratet. Hier in Dinslaken wurden die gemeinsamen Kinder Rosa (1879), Johanna (1880), Julius (1882) und Otto (1886) geboren. Leeser Elkan arbeitete vermutlich zunächst im väterlichen Viehhandel, bis sein Vater die Geschäfte 1889 an seinen Sohn weitergab. In den folgenden Jahrzehnten gehörte er für viele Jahre dem Repräsentantenkollegium der jüdischen Gemeinde in Dinslaken und der Stadtverordnetenversammlung an.

Leeser Elkan hat für Deutschland im Krieg gekämpft

Am 18. Januar 1896 wurde im Dinslakener Rathaus feierlich eine vom Kriegerverein-Dinslaken gestiftete Gedenktafel für die Teilnehmer der „siegreichen Feldzüge 1848, 64,66, 1870/71 am 25-jährigen Erinnerungstage der Wiedererrichtung des Deutschen Reiches“ enthüllt. Auf der Tafel ist auch der Name von Leeser Elkan und anderen jüdischen Kriegsteilnehmern aus Dinslaken verzeichnet. Elkan hatte in den Jahren 1870/71 im deutsch-französischen Krieg für sein Vaterland gekämpft.

Leeser Elkan war Ehrenvorsitzender des „Reichsbunds jüdischer Frontsoldaten“ in Dinslaken.
Leeser Elkan war Ehrenvorsitzender des „Reichsbunds jüdischer Frontsoldaten“ in Dinslaken. © PR | Privat

In den Kriegsjahren 1914 bis 1918 wurden auch die Söhne Julius und Otto zum Militär eingezogen. Beide kehrten mit dem Ende des Ersten Weltkrieges in ihre Geburtsstadt zurück. 1919 gründete sich der „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten“, eine Reaktion auf die, im Jahre 1916 erfolgte „Judenzählung“ in der deutschen Armee. Die Diffamierungen in der antisemitischen Presse hatten Zweifel am Patriotismus der deutschen Juden geschürt und schließlich den preußischen Kriegsminister dazu veranlasst, die Zählung im November 1916 durchzuführen. Das Ergebnis war so beschämend für den Auftraggeber, dass das Kriegsministerium es jahrelang unter Verschluss hielt: 100.000 deutsche Juden hatten am Feldzug teilgenommen, 80.000 von ihnen an der Front gekämpft. Das bedeutete, dass die jüdische Bevölkerung in Deutschland restlos den auf sie entfallenden Anteil an der deutschen Bevölkerung an Kriegsteilnehmern gestellt hatte. Leeser Elkan wurde Ehrenvorsitzender der Dinslakener Ortsgruppe der Vereinigung.

Im Jahr 1919 gründete der jüngste Sohn Otto ein Schuhgeschäft in der Neustraße 57. Sechs Jahre später zogen Leeser und Emma Elkan in die Blücherstraße 69. 1929 feierte das Ehepaar das Fest der Goldenen Hochzeit. Mit einer Andacht in der Synagoge wurde das Ereignis gefeiert. Die Kameraden vom Reichsbund jüdischer Frontsoldaten und den Dinslakener Kriegervereinen gratulierten dem Paar. Die Stadt Dinslaken überreichte Blumen und aus dem fernen Berlin gratulierte Reichspräsident Hindenburg schriftlich.

Hier werden Steine verlegt

Die Stolperstein-Verlegung mit Gunter Demnig am Samstag, 9. November, in Dinslaken beginnt um 9 Uhr an der Blücherstraße 69. Dort werden Stolpersteine für Leeser Elkan, Otto Elkan, Mariele Elkan, Gudrun Elkan und Antje-Rosemarie Elkan verlegt. Weiter geht es an der Wilhelm-Lantermann-Str. 56 weiter mit Steinen für Benjamin Isaacson, Emma Isaacson, Hedwig Isaacson und Anita Isaacson. Etwa um 9.45 Uhr wird an der Neustraße 43, dem ehemaligen Israelischen Waisenhaus, ein Stolperstein für Horst Lieblein verlegt. Es folgen an der Neustraße 70 Steine für Siegfried Bernhard, Anna Bernhard, Heinz Bernhard und Inge Bernhard. An der Heinrichstraße 10 wird ein Stolperstein für Johann Brzechwa und an der Stollenstraße 28 in Lohberg einer für Ludwig Rech verlegt (ca. 10.50 Uhr). Die beiden Letztgenannten sind politische Opfer, alle anderen sind jüdisch.

Die Namen der jüdischen Soldaten wurden weggelassen

Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Machtübernahme im Jahr 1933 begannen auch für die Juden unserer Stadt Ausgrenzung und Entrechtung. Auf dem im November 1933 neu errichten Kriegerdenkmal im Stadtpark für die gefallenen Dinslakener des Ersten Weltkriegs fehlten die Namen der jüdischen Soldaten, und auch in dem neu angelegten „Eisernen Buch“ der Stadt Dinslaken fanden sie keine Erwähnung. Die jüdische Gemeinde beschwerte sich beim Landrat, beim Regierungspräsidenten in Düsseldorf und am Ende erklärte Innenminister Frick, dass er nicht daran denke, in den Vorgang einzugreifen. In Dinslaken blieb man der Ansicht, dass die Juden nicht auf dem Feld der Ehre gefallen seien, denn „… ein Jude habe keine Ehre“. An dieser Stelle sollen die Namen der gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs aus Dinslaken genannt werden: Rudolf und Philipp Fuldauer, Richard Strauß und Isidor Kahn. Die alte Gedenktafel aus dem Jahr 1896 wurde aus dem Rathaus entfernt. Im gesamten Reich löschten die neuen Machthaber die Erinnerung an die jüdischen Soldaten aus.

Gudrun Elkan und Rosemarie Elkan.
Gudrun Elkan und Rosemarie Elkan. © privat

Nach fünfundfünfzig gemeinsamen Ehejahren starb Emma Elkan im Jahr 1934. Sohn Otto zog nun mit seiner Ehefrau Mariele und den beiden Töchtern Rosemarie und Gudrun zum Vater in die Blücherstraße. 

1936 verstarb plötzlich Sohn Julius. Er besaß eine Manufakturwarenhandlung in der Neustraße und war wie sein Vater Stadtverordneter gewesen. Er hinterließ seine Ehefrau Zerline „Ina“ und die drei gemeinsamen Kinder Lore, Berthold und Hanna.

„Vielleicht ist ihm vieles erspart geblieben“

Berthold, Enkel von Leeser Elkan nach dessen Tod 1941

Im August 1938 gelang es dem Ehepaar Otto Elkan mit den beiden Töchtern legal in die USA zu emigrieren. Nun zog der greise Leeser Elkan zu seiner verwitweten Tochter Johanna Jovishoff nach Hattingen. Im Frühjahr 1939, drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes Julius, starb auch Ina Elkan. Johanna Jovishoff konnte noch kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs im Juni 1939 nach Chile fliehen. Leeser Elkan lebte nun bei seiner in Rheine verheirateten ältesten Tochter Rosa Rosenberg und deren Ehemann Julius. Er starb dort am 23. Juni 1941 im Alter von zweiundneunzig Jahren und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Rheine bestattet. Im August desselben Jahres gelang es dem Ehepaar Rosenberg zur Familie des Bruders und Schwagers Otto in die USA zu fliehen.

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Der Enkel Berthold erfuhr in Frankreich vom Tod des Großvaters und schrieb an den Bruder seiner Mutter in New York: „Vielleicht ist ihm vieles erspart geblieben.“

Berthold wurde 1943 in Majdanek ermordet, seine Schwester Hanna überlebte versteckt in Belgien. Nach dem Krieg lebte sie in Großbritannien, wohin ihre Schwester Lore rechtzeitig emigrieren konnte.