Voerde. Für die Ansiedlung eines Logistikparks im Hafen Emmelsum muss der Stadtrat die Weichen stellen. Wie die Gegner die Politik in die Pflicht nehmen.
Das Zeugnis, das Fachanwälte für Planungs- und Umweltrecht der Stadt Voerde für die Bauleitplanung zur Ansiedlung eines Logistikparks im Hafen Emmelsum ausgestellt haben, ist alles andere als schmeichelhaft. Nicht nur von einer „Vielzahl grundlegender Mängel“ ist in der Einwendung der BUND-Kreisgruppe Wesel die Rede, die die Kanzlei Rechtsanwälte Günther aus Hamburg damit beauftragt hat, sie in der Sache zu vertreten. Die Juristen monieren in der Eingabe unter anderem auch, dass die vorliegende Planung „gegen verbindliche Ziele aus dem Landesentwicklungsplan“ verstoße: Der Bedarf „an Hafeninfrastruktur und hafennaher Logistik“ sei „bereits massiv überbedient“. Auch halten die Fachanwälte der Stadt eine „eklatant fehlerhafte naturschutzrechtliche Eingriffsprüfung“ und eine „stark defizitäre Verkehrsuntersuchung“ vor.
Die von der Kanzlei für den BUND verfasste Einwendung haben seit einigen Tagen auch all jene vorliegen, die mit einer mehrheitlich positiven Entscheidung die Weichen für die hochumstrittene Gewerbeansiedlung stellen würden. Günther Ladda, Vorsitzender der Bürgerinteressengemeinschaft (BIG) Spellen, die mit der Initiative „Emmelsum-Biotop-Retten!“ federführend den Widerstand gegen das Vorhaben organisiert, hat das 55-seitige Schreiben an alle Stadtratsmitglieder geschickt – und darüber hinaus auch an alle sachkundigen Bürger. Vor zwei Jahren hatte er einen Fragebogen der BIG Spellen zu dem Thema lediglich den jeweiligen Fraktionsvorsitzenden zukommen lassen. Die Frage, ob sie die Eingabe des BUND jeweils in ihrem Kreis weitergeben, wollte sich Ladda erst gar nicht stellen. Also schrieb er alle an, denn: „Es soll sich jeder selbst ein Bild machen können“, sagt er.
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Auch Nichtjuristen hätten eine Chance, die Ausführungen der Fachanwälte zu verstehen. Der Sachverhalt sei plausibel und gut erklärt. „Wir hoffen, dass die Politik die Argumente wirken lässt. Man kann an den Aussagen nicht vorbei“, meint Ladda. Er ist überzeugt, dass es für die Stadt schwer wird, „die einzelnen Punkte zu entkräften“. Geht es nach den Verantwortlichen im Rathaus, würde der Stadtrat das laufende Bauleitplanverfahren noch in diesem Jahr mit einem positiven Votum zu Ende bringen und damit den Weg für den Bau eines Logistikparks im Hafen Emmelsum freimachen. Geplant sind fünf Hallensegmente mit insgesamt 50.000 Quadratmetern Fläche, ursprünglich waren es sieben (75.000 Quadratmeter) gewesen. Gegen das Vorhaben regt sich mit Hinweis auf den enormen Flächenverbrauch und die steigende Verkehrsbelastung sowie aus Gründen des Klima-, Natur- und Umweltschutzes Protest.
Die Stadt argumentiert mit aus ihrer Sicht im Laufe des Verfahrens erzielten Verbesserungen: Gewerbliche Bauflächen würden zurückgenommen und weitere Flächen „für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur- und Landschaft, Flächen für die Landwirtschaft, Grünflächen und von Waldflächen“ würden ausgewiesen. Dadurch würden maximal 9,7 Hektar neu versiegelt, argumentiert die Verwaltung. Die Kritiker hat dies nicht überzeugt, sie sprechen von „Greenwashing“, wollen, dass die riesige Freifläche in unmittelbarer Nachbarschaft zum Aluminiumhersteller Trimet so bleibt, wie sie ist.
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Für den Fall, dass der Stadtrat mit dem Satzungsbeschluss zum neuen Bebauungsplan und zur Änderung des Flächennutzungsplans den Weg für die Realisierung des Bauprojekts ebnet, erwägt der BUND zu klagen. Die Initiative „Emmelsum-Biotop-Retten!“ und die BIG Spellen ziehen in Betracht, ein Bürgerbegehren gegen den Ratsbeschluss anzustrengen. Die Gegner des Vorhabens erinnern auch an den Klimanotstand, den die Stadt vor fünf Jahren ausgerufen hat. „Klimanotstand heißt für uns, dass die Stadt, gemäß ihrem eigenen Mehrheitsbeschluss, alle Planungen daran misst. Konkret heißt das, eine alte Planung an die Bedingungen der Gegenwart anzupassen und der Klimakrise sowie der Flächenzerstörung Rechnung zu tragen“, erklärt Frank Parting von der Initiative „Emmelsum-Biotop-Retten!“.
Man sei weiterhin für einen Dialog offen. Aber „Kompromisse auf Kosten der Umwelt, Lebensqualität und des Landschaftsbildes wird es mit uns aber nicht geben, zumal es dazu auch keine rechtlichen Erfordernisse gibt“. Parting nimmt deutlich die Politik in die Pflicht: Jedes Stadtratsmitglied sei „in seiner persönlichen Verantwortung der Entscheidungsfindung gefragt“. Es „wäre schön, wenn die Politik im Jetzt ankommen und Mut zur Veränderung zeigen würde“. Und noch etwas hofft das Mitglied der Initiative „Emmelsum-Biotop-Retten!“: dass „jeder nach seinem Gewissen entscheidet“.
„Es wäre schön, wenn die Politik im Jetzt ankommen und Mut zur Veränderung zeigen würde.“
BIG-Spellen-Chef Günter Ladda geht, anders als die Stadtverwaltung, nicht davon aus, dass es noch in diesem Jahr zu einer Abstimmung im Stadtrat über den Satzungsbeschluss kommen wird – also entweder in der Sitzung im Oktober oder in der im Dezember. Beides ist seiner Einschätzung nach „illusorisch“. Die 55-seitige Einwendung der BUND-Kreisgruppe Wesel ist eine von 150, die im Zuge des laufenden Bauleitplanverfahrens bei der Stadt eingereicht wurden. Die Gegner der Ansiedlung eines Logistikparks sehen sich nicht zuletzt durch Reaktionen aus der Bevölkerung darin bestärkt, Fachanwälte hinzugezogen zu haben: „Jeder Cent, der in die Stellungnahme der Hamburger Kanzlei investiert worden ist, ist sein Geld wert“, habe ein alteingesessener Spellener Bürger kommentiert. Und dies sei nur einer von mehreren Voerderinnen und Voerdern, „die uns positive Rückmeldungen gaben“, berichtet Frank Parting.
Wer sich die komplette Einwendung durchlesen möchte, die von der Kanzlei Rechtsanwälte Günther im Auftrag der BUND-Kreisgruppe Wesel verfasst wurde, kann dies auf der Webseite der Initiative „Emmelsum-Biotop-Retten!“ unter www.emmelsum-biotop-retten.de tun. Dort ist sie auf der Startseite eingestellt.