Voerde. Voerder Grüne setzen mit Unterstützung der SPD ihre Forderung durch, dass Voerde den „Klimanotstand“ erklärt. Kontroverse Debatte im Stadtrat.

Die Stadt Voerde wird den „Klimanotstand“ ausrufen. Dies hat am Dienstagabend nach einer langen und teils hitzig geführten Debatte der Rat mit den Stimmen der Grünen als Antragsteller und der SPD entschieden. Die Fraktionen von WGV und FDP präferierten den Vorstoß der CDU, die eine Entscheidung im Sinne einer „klimagerechten Stadtentwicklung“ – so war ihr Antrag überschrieben – hatte herbeiführen wollen. Im Kern kreiste die Diskussion um den Begriff „Notstand“ – mit dem haben die Christdemokraten ein großes Problem, wie sie bereits vor der Sitzung deutlich gemacht hatten. Und nicht nur sie.

Stefan Meiners (Grüne) betonte, dass seine Fraktion „keine neue Verbotskultur“ wolle. Vielmehr gehe es darum zu erklären, dass bei allen politischen Entscheidungen in Voerde genauso selbstverständlich über deren Folgen für das Klima wie über die für die städtischen Finanzen gesprochen werde. Dabei signalisierte der Grünen-Fraktionschef damit leben zu können, die Inhalte des CDU-Antrags im Fachausschuss zu diskutieren, „wenn die Stadt heute den Klimanotstand ausruft“.

Die Gegenseite indes mochte sich darauf nicht einlassen. Zu groß waren die Bedenken.

Befürworter und Gegner teilten verbal aus

CDU-Fraktionsvorsitzender Ingo Hülser erinnerte an den vom damaligen Hamburger Polizeisenator und späteren Kanzler Helmut Schmidt wegen der Sturmflut ausgerufenen Notstand und fragte, wo der aktuell zu sehen sei. Hülser warnte vor der Tragweite einer solchen Erklärung und verwies auf den Fall der Stadt Konstanz, wo ein traditionelles Fest am Bodensee mit großem Feuerwerk (Stichwort: Feinstaubbelastung) vor dem Aus steht. Hülser versuchte vergeblich, auf die Gemeinsamkeiten des Antrages seiner Fraktion mit dem der Grünen abzuheben, handelte sich dafür später den süffisanten Kommentar von Meiners ein, dass die CDU Punkt für Punkt abgeschrieben habe. „Dann doch lieber das Original“, meinte der Grünen-Fraktionschef. Hülser seinerseits hatte zuvor verbal ausgeteilt, nachdem er zunächst seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht hatte, dass bei der SPD im Falle einer Abstimmung über den Antrag der Grünen kein Fraktionszwang herrsche: „Wenn ihr euch als Junior-Partner der Grünen empfehlen wollt, müsst ihr deren Antrag folgen“, stichelte er in Anspielung auf das desaströse Abschneiden der Sozialdemokraten auch zuletzt bei der Europawahl, das Erstarken der Grünen und die seiner Ansicht nach möglicherweise neuen Machtverhältnisse in Voerde nach der Kommunalwahl im nächsten Jahr.

SPD erinnerte an die Notwendigkeit, im Sinne des Klimas zu handeln

Ulrich Neßbach (SPD) versuchte, die Diskussion auf eine andere Ebene zu heben, erklärte, dass es nicht gut sei, sich nur über Begriffe auszulassen. Es gehe darum, das weitere Leben auf der Erde für die Zukunft zu sichern. Nach Einschätzung von Experten sei jetzt die letzte Gelegenheit, „die Klimakatastrophe zu verhindern“.

Christian Garden (WGV) betonte, in der Diskussion keinen gehört zu haben, der den Klimawandel bestreite, gab aber zu bedenken, dass Voerde nicht das Weltklima werde retten können. „Wir werden hier symbolisch keinen Klimanotstand ausrufen. Wenn wir mit solchen Formulierungen operieren, werden Hoffnungen geweckt, die wir nicht erfüllen können“, stellte der WGV-Fraktionsvorsitzende klar. In der Öffentlichkeit werde ein falsches Bild erzeugt. Die Folgen, die mit den bei den Freitagsdemonstrationen propagierten Forderungen für die Wirtschaft, für die Arbeitsplätze einher gingen, seien bei den Protesten nicht mit eingepreist. Auch stelle sich die Frage, inwieweit die Bürger der Politik folgen, wenn diese in Voerde den Klimanotstand ausrufe.

Kompromissvorschlag des Bürgermeisters fruchtete nicht

Mit einer solchen Erklärung würden sich Politik und Verwaltung „selbst verpflichten“ und es würde ein sichtbares Zeichen nach außen gesetzt, warb Grünen-Fraktionschef Meiners bei den Kritikern für die Idee des Antrags. Dies verfing bei der Gegenseite genauso wenig wie der Appell von Ingo Hülser in die andere Richtung, den Klimanotstand nicht zu beschließen. Auch ein Kompromissvorschlag von Bürgermeister Dirk Haarmann, der den Begriff nicht aufnahm, sondern unter anderem die Anerkennung des Klimawandels als ernste Bedrohung für Mensch, Tier und Umwelt und dessen Berücksichtigung bei künftigen Entscheidungen beinhaltete, fruchtete nicht, so dass es am Ende zu einer Kampfabstimmung kam, die im Sinne der Grünen ausging.