Duisburg. Deutschland und die Türkei: Für Kaan (17) aus Duisburg sind beide Länder Heimat. Wie er mit Mitschülern umgeht, die von Remigration träumen.

Im Ruhrgebiet leben Menschen mit Wurzeln aus 170 verschiedenen Nationen. Wie erleben sie die derzeitigen Debatten über Zuwanderung und Abschiebung im Zuge eines Rechtsrucks? Wie wohl und sicher fühlen sie sich in Deutschland? Und sehen sie hier noch eine Zukunft für sich? Das haben wir Betroffene gefragt. Einer von ihnen ist der 17-jährige Kaan. Seine Großeltern sind als Gastarbeiter ins Ruhrgebiet gekommen. Wie er deshalb heute in der Schule anders behandelt wird und wie er mit Mitschülern umgeht, die von Remigration träumen:

„Als ich letztens mit der Bahn gefahren bin, hatte ich einen Jutebeutel dabei, auf dem ,Haltung statt Herkunft‘ steht. Davon muss sich ein Mann so angegriffen gefühlt haben, dass er sagte: ,Alle Ausländer müssen vergast werden. Heil Hitler!‘ Ich war so perplex, dass ich nicht antworten konnte. Ich hatte auch Angst vor ihm, weil er so aggressiv war. Also bin ich an der nächsten Haltestelle direkt ausgestiegen, obwohl ich eigentlich noch weiterfahren wollte.

Meine Großeltern sind als türkische Gastarbeiter ins Ruhrgebiet gekommen. Wir haben noch viel Familie in der Türkei. Ich fühle mich dort sehr wohl und geborgen. Es ist schwer, es in Worte zu fassen, aber die Türkei ist für mich schon ein Stück weit Heimat, obwohl ich in Deutschland aufgewachsen bin.

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Ich sehe mich aber vor allem als Europäer. Deshalb bin ich auch bei der Initiative ,Ruhrpott für Europa‘ aktiv. Generell engagiere ich mich politisch sehr viel. Umso weniger Verständnis habe ich dafür, dass viele junge Menschen nicht selbst aktiv sind und etwas verändern wollen und stattdessen aus Protest einfach die AfD wählen.

Solche Menschen kenne ich auch aus meinem Umfeld. Wir waren zum Beispiel gerade erst auf Klassenfahrt. Da habe ich mir das Zimmer mit einem Mitschüler geteilt, der überzeugter AfD-Unterstützer ist. Wir haben fast eine Stunde lang diskutiert, aber mit meinen Argumenten konnte ich gar nicht zu ihm durchdringen.

„Ich wurde in der Schule schon oft anders behandelt“

Ich finde es total bedrückend, dass so viele Menschen aus meiner Generation eine Partei wählen, die von Remigration träumt. Meine Großeltern sind eingewandert, haben hier ihre Arbeit geleistet, sind schon lange ein Teil der Gesellschaft, die im Ruhrpott ja sowieso total bunt ist. Und jetzt sollen sie Deutschland wieder verlassen müssen? Das ist doch absurd.

Ich höre immer wieder von jungen Menschen mit Migrationsgeschichte, die überlegen, auszuwandern. Sie fühlen sich in Deutschland nicht mehr gewollt, sehen hier keine Zukunft für sich. Bei mir halten sich die rassistischen Anfeindungen noch in Grenzen, obwohl auch ich merke, dass sie zunehmen.

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Und oft sind es ja auch gar nicht die öffentlichen Beleidigungen von einzelnen Personen, sondern generelle Strukturen. Ich wurde in der Schule schon oft anders behandelt. Wie alle Kinder mit türkischer Migrationsgeschichte musste ich schon erleben, dass Lehrkräfte Sprüche klopfen, obwohl ich genauso gut Deutsch spreche wie meine Mitschüler. Deutschland irgendwann zu verlassen, das kann ich mir trotzdem nicht vorstellen. Wir müssen unsere Gesellschaft doch vor Extremisten und Populisten schützen. Und das geht nicht, wenn wir alle gehen.“