Das Verbot unerlaubter Telefonwerbung hilft oft nicht: Viele Verbraucher tappen trotzdem in die Falle von Abo- und Policenverkäufern.

Manchmal klingelte bei Christiane Rude (Name geändert) jeden Abend das Telefon. Meist zwischen 19 und 20 Uhr, wenn sie mit ihrer Familie am Abendbrottisch saß. Die freundliche Servicestimme aus dem Callcenter ließ sich so leicht nicht abwimmeln, in petto hatte sie eigentlich jeden Abend etwas anderes.

Mal war es eine Versicherung, mal eine tolle, neue Zeitschrift, dann wieder ging es um „ganz sichere Geldanlagen in den unsicheren Zeiten“. Und Gewinnspiele. „Ich weiß gar nicht, wie viele Autos ich angeblich schon gewonnen habe“, sagt die Berlinerin. Aber einen ordentlichen Fuhrpark könnte sie damit schon bestücken.

Bereits vor rund einem Jahr wurde das Gesetz zu unerlaubter Telefonwerbung verschärft. Genützt hat das bisher wenig, denn das allabendliche Klingeln zur besten „Tagesschau“-Zeit geht weiter. Genervt werden Verbraucher durch sogenannte Cold Calls, meist mit Gewinnspielen, Handyverträgen, Geldanlageprodukten und Zeitschriftenabos.

Und nicht wenige schließen tatsächlich Verträge ab, von denen sie hinterher nichts wissen. Dabei wäre die Lösung des Problems mit einer verpflichtenden schriftlichen Erklärung gar nicht so kompliziert.

Doch bislang sehen die verschärften Regeln nur vor, dass die anrufenden Unternehmen ihre Rufnummern nicht mehr unterdrücken dürfen, und – was als Durchbruch gefeiert wurde – angerufen werden darf nur noch, wer vorher ausdrücklich eingewilligt hat. Zudem wurde das Widerrufsrecht der Verbraucher verbessert. Doch dass es „unseriöse Werbeanrufer in Zukunft sehr schwer haben“, wie Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) zum Inkrafttreten des Gesetzes betonte, davon kann ein Jahr später längst keine Rede mehr sein.

Tausende Vebraucher mit Werbeanrufen belästigt

„Die verschärften Regeln zur Telefonwerbung greifen zu kurz“, heißt es beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Die Zahlen des VZBV sprechen eine deutliche Sprache: Innerhalb von vier Monaten haben sich bei einer noch immer laufenden Umfrage mehr als 40.000 Menschen beteiligt, die sich von Werbeanrufen belästigt fühlten – ein Ende ist nicht abzusehen.

Die Bundesnetzagentur, die seit der Gesetzesänderung Bußgelder gegen die Unternehmen verhängen darf, die Verbraucher mit unerlaubten Werbeanrufen bombardieren, zählte seit August 2009 fast 60.000 schriftliche Beschwerden. Doch die neuen gesetzlichen Bestimmungen beeindrucken die Firmen offenbar nicht. Bußgeldandrohungen laufen ins Leere. In bisher knapp einem Dutzend Ordnungswidrigkeitsverfahren wurden insgesamt Bußgelder in Höhe von etwa 700.000 Euro verhängt. Gemessen an der Zahl der Beschwerden und an dem, was mit den Verträgen offenbar zu verdienen ist, die durch unerlaubte Telefonwerbung generiert werden, kann das wohl eher als Randnotiz betrachtet werden.

Die Verbraucherzentralen und auch einige Landesregierungen fordern nun schärfere Maßnahmen. Das baden-württembergische Verbraucherministerium hatte bereits 2009 die sogenannte Bestätigungslösung in den Bundesrat eingebracht, die auch mehrheitlich von anderen Bundesländern vertreten wird. Diese Lösung sieht vor, dass jeder Vertrag, der am Telefon geschlossen wird, schriftlich vom Kunden bestätigt werden muss, sei es per E-Mail, Fax oder Brief.

„Die Bürger werden von Telefonbetrügern getäuscht und in nicht gewollte Verträge gezwungen“, sagt der baden-württembergische Verbraucherminister Rudolf Köberle. „Ihnen muss Rechtssicherheit gegeben werden: Wird ein Vertrag nicht schriftlich bestätigt, gilt er als nicht geschlossen.“ Der Minister geht nun erneut in die Offensive: „Das Thema unerlaubte Werbeanrufe kommt Mitte September in der Verbraucherschutzministerkonferenz noch einmal auf den Tisch.“

Verbraucher schließen ungewollt Verträge

Denn es sind gerade die untergeschobenen Verträge, die für die Verbraucher zum Problem werden und die durch die Bestätigungslösung ein Ende finden könnten. „Vielen Angerufenen ist es nicht einmal bewusst, dass sie einen Vertrag geschlossen haben“, sagt Martin Madej, Jurist beim VZBV. Die Gesprächstechniken der Anrufer seien so ausgefeilt, dass viele Verbraucher hinterher mit einem Vertrag dastünden, den sie gar nicht gewollt hätten. „Das böse Erwachen kommt dann erst, wenn die Unterlagen samt Zahlungsbescheid ankommen“, sagt Madej. Oder wenn direkt vom Konto abgebucht werde – was ebenfalls keine Seltenheit sei.

Dabei stellt sich für den Verbraucherschützer immer wieder die Frage, wie die Werbeanrufer an die Daten der Kunden kommen. „Und dazu muss man klar sagen: Viele Leute gehen einfach sehr sorglos mit ihren persönlichen Daten um“, macht Madej deutlich. Wer etwa bei einem Gewinnspiel in der Fußgängerzone oder im Einkaufszentrum mitmacht und dort seine Telefonnummer samt Adresse und schlimmstenfalls auch noch seine Bankverbindung hinterlässt, kann damit rechnen, dass er irgendwann unerwünschte Anrufe bekommt.

Das Problem für den Verbraucher: Obwohl die Anrufe wettbewerbsrechtlich verboten sind, haben die aus den Telefonaten resultierenden Verträge Bestand, wenn man sie nicht widerruft. Dazu muss der vermeintliche „Kunde“ aktiv werden – und das liegt nicht jedem. Das einzige Mittel, das gegen die ungewollten Verträge hilft, ist nach Ansicht des VZBV, verbindlich eine schriftliche Bestätigung solcher Verträge festzuschreiben. „Damit schlägt man ja auch gleich zwei Fliegen mit einer Klappe“, sagt Jurist Madej. „Wenn das Unternehmen dem Verbraucher einen Vertrag vorlegt, den man bestätigen muss, outet es ja auch, dass es unerlaubt Werbeanrufe tätigt.“

Quelle: Welt Online