Hamburg. Amt bearbeitet wegen Personalmangels Antrag für Deponie zu langsam. Scharhörn könnte zurück ins Spiel kommen.

Die Zeit ist wieder ungünstig. Immer in den Sommermonaten, wenn weniger Wasser die Elbe hinunterkommt und Trockenheit zu niedrigen Wasserständen führt, ist Schlick-Zeit. Dann lagern sich die Sedimente, die mit dem Strom driften, besonders stark ab, weil der Spülfaktor des Flusses zu gering ist. Vor allem betroffen sind Hafenbecken, kurvige Zufahrten und Ecken, in denen der Strom ohnehin kaum Wirkung hat.

Für Hamburg bedeutet das: Es muss ab Herbst wieder kräftig gebaggert werden, damit die Schiffe mit ihren Tiefgängen den Hamburger Hafen erreichen können. Zwischen 80 und 100 Millionen Euro kostet das im Jahr. Drei bis vier Millionen Tonnen Schlick müssen ausgebaggert und weggeschafft werden, damit der Hafen erreichbar bleibt.

Hamburger Hafen: Bund bearbeitet Antrag für Schlickdeponie zu langsam

1,5 bis 2 Millionen Tonnen Sediment darf Hamburg nach einer neuerlich geschlossenen Vereinbarung mit dem Land Schleswig-Holstein für einen begrenzten Zeitraum in der Nordsee beim Seezeichen Tonne E3 südlich von Helgoland verklappen. Die andere Hälfte des Aufkommens wird aber aufwendig aus dem Hafen ausgebaggert und dann an der Hamburger Landesgrenze bei Neßsand wieder in die Elbe gekippt. Das soll aufhören.

Denn von dort werden die Schwebteilchen durch die Tide wieder zurück in den Hafen transportiert, sodass Hamburg jährlich viele Millionen Euro darauf verschwendet, im Kreislauf Hafenschlick auszubaggern, der schnell wieder zurückkommt. Und die Mengen nehmen jedes Jahr zu. Aber wohin mit dem Schlamm?

Bundesregierung verschlimmert Hamburgs Notlage bei der Schlickentsorgung

Der Plan Hamburgs, einen Teil des Schlicks auf eigenem Gebiet bei der Vogelschutzinsel Scharhörn in die Außenelbe zu kippen, scheiterte im vergangenen Jahr nach heftigem Streit am Widerstand der Länder Niedersachsen und Schleswig Holstein. Sie befürchten negative Auswirkungen auf das unmittelbar benachbarte Weltnaturerbe Wattenmeer.

Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD beklagt das schleppende Genehmigungsverfahren für ein neues Schlickfallgebiet in der Ausschließlichen Wirtschaftszone AWZ.
Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD beklagt das schleppende Genehmigungsverfahren für ein neues Schlickfallgebiet in der Ausschließlichen Wirtschaftszone AWZ. © picture alliance/dpa | Daniel Reinhardt

Stattdessen einigten sich die Länder und der Bund darauf, den Schlick künftig weit draußen in der Nordsee in der sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) zu verklappen. Im Sommer vergangenen Jahres hatte Hamburg diesen Antrag beim in Hamburg ansässigen Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) gestellt. Doch genau dort hakt es jetzt.

Erreichbarkeit der Häfen für Exportnation erforderlich

Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) ist zumindest mit dem Fortgang der Prüfung der Antragsunterlagen ziemlich unzufrieden. Indirekt wirft sie dem Bund vor, die Notlage Hamburgs bei der Schlickentsorgung zu verschlimmern, weil die Genehmigung eines neuen Schlickfallgebietes in der AWZ nicht vorankommt.

„Für die Exportnation Deutschland ist die wasserseitige Erreichbarkeit der Häfen erforderlich“, sagte die Senatorin dem Abendblatt. „Um diese Erreichbarkeit sicherzustellen, müssen die Wasserstraßen unterhalten werden. Dabei fallen Sedimente an, die wir weit vor der Küste wieder ins Meer zurückbringen wollen. Die zuständigen Bundesbehörden sind derzeit scheinbar personell nicht ausreichend ausgestattet, um die entsprechenden Anträge zeitnah zu bearbeiten. Diese zeitnahe Klarheit benötigen wir allerdings dringend.“

Scharhörn ist als Schlickdeponie weiter eine Option

Mehr noch: Die Senatorin droht damit, doch wieder Scharhörn ins Spiel zu bringen, wenn die Prüfung des Antrags für das Schlickfallgebiet in der AWZ nicht voranschreitet. Zwar gebe es mit dem Bund und den Ländern die Verabredung, für den gemeinsamen Unterhalt der Elbe eine weitere Verbringstelle im Meer zu ermöglichen. Hamburg habe aber weitere eigene Optionen, so Leonhard: „Diese wollen wir nicht nutzen, könnten aber in die Situation kommen, es tun zu müssen, wenn sich die Verabredungen aus dem vergangenen Jahr nicht konkretisieren.“

Damit erhöht sie den Druck auf das BSH, die Planungen voranzutreiben – wohlwissend, dass eine solche Prüfung mehrere Jahre dauern kann. Denn einem Eingriff in die AWZ müssen auch die anderen Anrainerstaaten der Nordsee zustimmen.

Die Vogelinsel Scharhörn bei Niedrigwasser aus der Luft. Wenige 100 Meter von hier entfernt plant Hamburg eine Schlickdeponie auf eigenem Gebiet in der Außenelbe nahe am Nationalpark Wattenmeer. Schleswig-Holstein und Niedersachsen kämpfen dagegen an.
Die Vogelinsel Scharhörn bei Niedrigwasser aus der Luft. Wenige 100 Meter von hier entfernt plant Hamburg eine Schlickdeponie auf eigenem Gebiet in der Außenelbe nahe am Nationalpark Wattenmeer. Schleswig-Holstein und Niedersachsen kämpfen dagegen an. © picture alliance / blickwinkel/C. Kaiser | C. Kaiser

Das Bundesamt steht ohnehin schon im Fokus. Als die zentrale maritime Behörde in Deutschland ist sie zuständig für Schifffahrt, Meeresschutz, Offshore und Meeresdaten. Zu ihrem Aufgabengebiet gehört also auch die Prüfung und Genehmigung von Windparks auf See. Und dieses Thema hat für die Bundesregierung Priorität. Schließlich hat sie ihre Ausbauziele gerade erst deutlich erweitert. Für die gewünschte Energiewende drängt der Bund auf eine schnelle Genehmigung neuer Offshore-Windkraftanlagen.

Hamburger Hafen: Bund bearbeitet Antrag für Schlickdeponie zu langsam

Der Hamburger Antrag auf ein neues Schlickfallgebiet ist also nur einer von vielen, die beim BSH liegen. Bereits im Januar hatte das BSH klargestellt, dass die Prüfung zweieinhalb Jahre dauere und sich nicht beschleunigen lasse. „Meine subjektive Einschätzung ist, dass sich das nicht beschleunigen lässt“, sagte ein leitender BSH-Beamter damals. Es müssten alle Beteiligten gefragt, die Umweltbelange geprüft und eine gewisse Akzeptanz geschaffen werden. „Da rechne ich nicht damit, dass man das so eben in einer relativ kurzen Zeit schaffen kann“, so seine Einschätzung.

Jetzt heißt es, das BSH habe mit der Prüfung des Hamburger Antrags begonnen. Einer Sprecherin zufolge gibt es aber Nachbesserungsbedarf: Die Prüfung der Unterlagen habe ergeben, dass noch Dokumente zu einer alternativen „landseitigen Verbringung“ des Baggerguts nachzureichen seien, sagt sie. „Es ist vorgesehen, im Sommer das Beteiligungsverfahren einzuleiten.“ Die Sprecherin betont zudem: „Es ist das erste Genehmigungsverfahren dieser Art; Erfahrungswerte existieren daher nicht.“

Die Tonne E3 liegt südöstlich von Helgoland.
Die Tonne E3 liegt südöstlich von Helgoland. © HA Grafik | Frank Hasse

Hamburg steht mit seinem Schlickproblem nicht allein. Viele europäische Häfen müssen ihre Fahrwege und Schiffsliegeplätze freihalten. Allein 2019 wurden in Gesamteuropa 128 Millionen Tonnen Trockensubstanz an Baggergut gezählt. Gerade einmal 1,6 Prozent davon wurden bei Tonne E3 umgelagert. Es muss also noch mehr Möglichkeiten zur Schlickverbringung geben.