Die erneute Verschlickung der Elbe zeigt, dass man auf die Folgen nicht vorbereitet war. Wie geht es jetzt weiter?
Behörden wird mitunter der unsachgemäße und schludrige Umgang mit Steuergeldern vorgeworfen. Wenn es eines weiteren Beweises dieser These bedarf, ist ein solcher derzeit vor Hamburgs Haustür zu betrachten. Die Hansestadt und der Bund haben mehr als 800 Millionen für die Elbvertiefung ausgegeben. Sie haben über Jahre viele Mitarbeiter abgestellt und Gerichte beschäftigt, um dieses riesige Bauprojekt im Fluss gegen alle Widerstände durchzudrücken.
Warum? Weil sie davon überzeugt sind, dass die Elbvertiefung notwendig ist, um die Hafenzufahrt auch für große Frachtschiffe frei zu halten, und nur so die Wettbewerbsfähigkeit dieses wichtigen wirtschaftlichen Standbeins der Stadt erhalten werden kann.
Gründe für die Verschlickung sind politisch so umstritten, wie das ganze Projekt
Doch kaum ist die Elbvertiefung beendet und die Fahrrinne für Schiffe mit größeren Tiefgängen freigegeben worden, muss diese Freigabe schon wieder zu einem Großteil zurückgedreht werden. Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes hat aufgrund der zunehmenden Verschlickung der Elbe die Tiefgänge um einen Meter reduziert.
Die Gründe für die Verschlickung sind politisch so umstritten, wie es das ganze Projekt von Anfang an war. Die Behörden führen die Sedimentmassen auf das geringere Oberwasser zurück, das die Elbe hinunterkommt, zudem auf mehrjährige so- genannte Anpassungsreaktionen des Gewässerbettes nach der Elbvertiefung und auf Sturmfluten in diesem Frühjahr, die außerordentlich viele Sedimente in die Elbmündung gedrückt hätten.
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Die Gegner der Elbvertiefung wiederum sagen, man habe die negativen Auswirkungen dieses großen Baggerprojekts von vornherein falsch eingeschätzt. Man könne das Verhalten des Flusses nicht mit ein paar Berechnungen zum Strömungsverlauf prognostizieren.
Vergebene Elbvertiefung: Die Lage falsch eingeschätzt
Einerlei, welche Gründe zutreffen (wahrscheinlich spielen alle eine Rolle), so stellt sich doch die Frage: Man gibt 800 Millionen Euro an Steuergeldern für ein Projekt aus, und dann fehlt ernstlich das Geld, um dessen Betrieb sicherzustellen? So wird man ganz schnell ein Thema für das Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes.
Wenn die Behörden jetzt einräumen müssen, dass der sogenannte morphologische Nachlauf, also die Anpassung des Flussbetts an die Elbvertiefung, zu dieser Schlick-Misere so sehr beigetragen hat, dass man den Reedern in der Welt gegenüber nur Monate nach der Freigabe der Elbvertiefung zurückrudern muss, dann haben sie die Lage falsch eingeschätzt.
Und zwar nicht nur ein bisschen. Denn das, was da jetzt von den ausgebaggerten Rändern in die Fahrrinne nachrutscht, sind riesige Massen. Der Bund gibt vor, bis Ende des Jahres 26 Millionen Tonnen Baggergut zusätzlich aus dem Elbgrund schaufeln zu wollen – das ist mehr als die Hälfte der Menge, die man für die ganze Elbvertiefung ausgebaggert hat.
Es fehlt an Personal und technischem Material
Es fehle an Personal und technischem Material, also an Baggerschiffen, um das Problem schnell zu beseitigen, heißt es von Behördenseite. Wieder ein Zeichen dafür, dass da etwas unterschätzt wurde. Da hilft nur noch die Notbremse.
Der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt in Bonn wird seit Jahren vorgehalten, dass sie wegen der Nichtbesetzung frei werdender Stellen in eine massive Unterbesetzung hineinläuft. Der Ältermann der Hafenlotsen, Ben Lodemann, hat jüngst vor SPD-Abgeordneten gesagt, dass im Grunde nur ein einziger Mensch in der Behörde für die Überwachung des Zustands von Elbe, Weser und Ems zuständig sei. Kein Wunder, dass der Effekt der Elbvertiefung verpufft ist.