Hamburg. Regierung in Hannover nennt Elbvertiefung „ökologisch gescheitert“ und lehnt eine Verklappung bei Scharhörn ab. Das sorgt für Unmut.

Es seien nicht seine ersten Koalitionsverhandlungen gewesen, aber seine angenehmsten, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nach Abschluss der Gespräche in Hannover. Im Eiltempo hatte er sich zuvor mit den Grünen auf einen neuen Koalitionsvertrag verständigt. Doch was in Niedersachsen als angenehm bezeichnet wird, sorgt im benachbarten Hamburg für Unbehagen und Kopfschütteln. Denn im neuen Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen stehen Dinge, die für schlechte Stimmung zwischen den Nachbarländern sorgen.

Auf Seite 14 der rot-grünen Vereinbarung finden sich unter dem Stichwort „Wassermanagement“ ein paar Aussagen, die man im Rathaus der Hansestadt nicht gerne lesen dürfte. „Die neunte Elbvertiefung ist ökologisch gescheitert, das belegt die ungelöste Bewältigung der enorm gestiegenen Baggergutmengen“, heißt es in dem Papier. Niedersachsen wischt mit einem Satz die 800 Millionen Euro teure Elbvertiefung zur Zukunftssicherung des Hamburger Hafens vom Tisch. Des Weiteren blockiert Niedersachsen auch den wichtigen Plan des Hamburger Senats, um die im Zuge der Elbvertiefung gewachsenen Schlickmengen loszuwerden. Die Verklappung bei Scharhörn wird in Hannover nämlich kategorisch abgelehnt.

Elbvertiefung: Niedersachsen lehnt Schlickverklappung bei Scharhörn ab

Die Elbe hat derzeit bekanntlich mit extrem viel Sedimentablagerungen zu kämpfen. Nach Aussagen der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes sind sie die Folge „mehrjähriger Anpassungsreaktionen des Gewässerbettes“ nach der Elbvertiefung und mehrerer Sturmflutereignisse im Frühjahr. Die Schlickmassen haben die Behörden sogar dazu veranlasst, für große Frachtschiffe die Tiefgangsbeschränkungen zu verschärfen und die Tidefenster – also die Flutzeiten, in denen sie sicher in den Hafen kommen – zu verkürzen.

Die Sedimentberge am Grund der Fahrrinne durch Baggerarbeiten zu reduzieren, um der Schifffahrt in den Hafen den Weg zu ebnen, ist das eine. Das andere ist die Frage, wohin mit den Baggermassen? Hamburgs Senat hat dazu ein neues Schlickfallgebiet in der Außenelbe etwa 1,2 Kilometer nördlich der Vogelschutzinsel Scharhörn auserkoren. Eine Verklappung des Baggerguts wäre dort laut eines 330 Seiten starken Gutachtens ökologisch unbedenklich, denn sie hätte laut Expertenmeinung keine Auswirkungen auf Flora und Fauna. Zudem hat die Fläche, die mit 1200 Meter Länge und 160 Meter Breite im Vergleich zum gesamten deutschen Bewirtschaftungsraums der Nordsee äußerst klein ist, aus Hamburger Sicht drei Vorteile.

Fläche gehört der Hansestadt

Erstens gehört die Fläche der Hansestadt. Sie kann im rechtlichen Rahmen damit also machen, was sie will. Zweitens liegt die Fläche zwar nahe, aber außerhalb des Nationalparks Wattenmeer, der Unesco-Welterbestätte, sowie der durch die Fauna-Flora-Habitat- oder Vogelschutzrichtlinie geschützten Bereiche. Und drittens ist sie weit genug draußen im Elbeästuar, so dass die dort abgelagerten Sedimente ins Meer hinaus geschwemmt und nicht wieder in die Elbe zurückgespült werden.

Dennoch hatte es aus Niedersachsen in den vergangenen Monaten erheblichen Widerstand gegen die Hamburger Pläne gegeben. In Hannover befürchtet man, dass mit Schadstoffen belastete Sedimente in den nahe gelegenen Nationalpark Wattenmeer gelangen könnten.

Hannover will rechtliche Schritte ergreifen

Im Hamburger Senat führte man diesen besonders heftigen Widerstand auf den Landtagswahlkampf im südlichen Nachbarland zurück. Die Hoffnung war groß, dass sich der Widerstand nach der Wahl auflöst. So hatte erst kürzlich der Staatsrat der Wirtschaftsbehörde, Andreas Rieckhof, auf Nachfrage des Abendblatts erklärt: „Es ist zutreffend, dass es in diesem Jahr keine Verbringung von Sedimenten in der Hamburger Außenelbe geben wird. Das Thema steht aber für 2023 weiter auf der Tagesordnung.“ Doch Niedersachsen bleibt auch jetzt bei seiner eindeutigen Ablehnung. Mehr noch: Die neue Landesregierung will sogar klagen, sollte Hamburg bei Scharhörn Schlick verklappen.

Wörtlich heißt es dazu im Koalitionsvertrag: „Wir lehnen Schlickverklappungen vor der Vogelschutzinsel Scharhörn strikt ab und werden nötigenfalls rechtliche Schritte ergreifen. Auch die Sedimentverklappungen vor dem Neuen Lüchtergrund wollen wir beenden.“ Mit dieser zusätzlichen Ankündigung bringt Niedersachsens neue Regierung nicht nur Hamburg, sondern auch den Bund gegen sich auf. Denn er verklappt seine Sedimente aus der Elbe am Neuen Lüchtergrund.

Verbandschef: „unfreundlicher Akt gegen Hamburg“

Aus dem Rathaus und der zuständigen Wirtschaftsbehörde gab es am Mittwoch keine Stellungnahme zu den Beschlüssen des Koalitionsvertrags in Niedersachsen. Eine Behördensprecherin sagte lediglich: „Wir führen gute Gespräche bezüglich des Sedimentmanagements mit Schleswig-Holstein und mit dem Bund. Wir werden sicherlich auch Gespräche mit Niedersachsen führen.“ Dagegen äußerte sich die Hafenwirtschaft eindeutig. „Das ist ein unfreundlicher Akt gegen Hamburg und den Bund“, sagte der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH), Gunther Bonz. „Es ist erstaunlich, dass sich eine rot-grüne Landesregierung so gegenüber einer anderen rot-grünen Landesregierung verhält.“

Sollte sich Niedersachsen durchsetzen, käme Hamburg mit Blick auf seine Schlickberge in Schwierigkeiten. Denn die beiden derzeitigen Verklappungsstellen in der Elbe bei Neßsand und in der Nordsee auf schleswig-holsteinischem Gebiet beim Seezeichen Tonne E3 (siehe Grafik) sind mit erheblichen Kosten verbunden. Werden die Sedimente aus dem Hafenbecken bei Neßsand abgeladen, drückt sie die Tide zudem in die Hafenbecken zurück. Dort müssen sie wieder für viel Geld ausgebaggert und erneut nach Neßsand verfrachtet werden.

Elbvertiefung: Verbringung des Schlicks weiterhin möglich

Eine Verbringung des Schlicks zur Tonne E3 ist grundsätzlich weiterhin möglich. Zwar läuft ein gültige Vertrag gerade aus, Schleswig-Holstein hat aber eine Verlängerung in Aussicht gestellt. Der Preis dafür ist allerdings hoch. Denn Kiel lässt sich jede Tonne Sedimente, die aus Hamburg kommt, teuer bezahlen, um mit dem eingenommenen Geld eigene Umweltschutzmaßnahmen zu finanzieren.