Hamburg. Im globalen Ranking liegt die Hansestadt nur noch auf Platz 20. Es fehlen Liegeplätze für Riesenfrachter. Folgt jetzt der Ausbau?

Viermal im Jahr untersucht der maritime Branchendienst Alphaliner die weltgrößten Häfen auf ihre Umschlagsleistung, so auch für die ersten neun Monate 2022. Und die Zahlen für den Hamburger Hafen sind wieder einmal negativ. Zwar fällt auf, dass auch die direkten Konkurrenten im europäischen Feld in den drei Quartalen Verluste beim Containerumschlag verzeichnen mussten. Doch betrachtet man den Standort an der Elbe im Vergleich der 20 weltgrößten Häfen, lässt sich eines mit Bestimmtheit sagen: Der Hamburger Hafen wird nach unten durchgereicht.

Schon 2021 war der Umschlagplatz trotz eigenen Wachstums vom 18. auf den 19. Platz gefallen. Damals konnte der Hafen von New York/New Jersey mehr Containerumschlag verzeichnen. Betrachtet man die Entwicklung der ersten neun Monate 2022, ist Hamburg nun auch vom thailändischen Konkurrenten Laem Chabang überholt worden. Die Hansestadt steht somit an letzter Stelle im Ranking der 20 weltgrößten Häfen – und droht demnächst aus dieser maritimen Champions League herauszufallen.

Hamburger Hafen kommt langsam aus der Krise

Auffällig ist, dass zahlreiche Häfen auf der Welt trotz der Pandemie-Nachwirkungen und der aktuellen geopolitischen Probleme hohe Wachstumsraten aufweisen. Zum Teil liegen diese bei zehn Prozent, wie in den Häfen von New York oder im ostchinesischen Ningbo. Der Hamburger Hafen kommt hingegen wieder einmal nur langsam aus der Krise.

Eine andere Auflistung macht es noch deutlicher: Seinen Höhepunkt hatte der Hamburger Hafen 2008, als an den Kaikanten an der Elbe 9,74 Millionen Standardcontainer (Twenty-foot Equivalent Unit, TEU) umgeschlagen wurden. Diesen Wert hat Hamburg dem Containerticker des Verlags Schifffahrt und Technik (SuT) zufolge nie wieder erreicht, während ausnahmslos alle anderen Seehäfen und auch fast alle Binnenhäfen in Europa seitdem gewachsen sind.

In Hamburg herrscht schon lange Stillstand

Warum das so ist, beschäftigt viele Hafenexperten – auch den Analysten des Branchendienstes Alphaliner, Jan Tiedemann. Er wirft die Frage auf, ob sich der stockende Ausbau des Hamburger Hafens negativ bemerkbar macht. „Auffällig ist, dass alle Hafenkonkurrenten in den vergangenen Jahren ihre Terminals erweitert und den Reedern neue Umschlagplätze angeboten haben.

In Hamburg ist seit Langem nichts passiert. Wenn nach einer Flaute das Umschlagsgeschäft wieder anspringt, sind die Wettbewerber schneller in der Lage, die Mengen wegzuschaffen.“ Insbesondere beim Angebot an Großschiffsliegeplätzen hätten die Konkurrenten die Nase vorn. „Damit tragen sie der Entwicklung der Weltflotte hin zu immer größeren Schiffen Rechnung.“

Keine neuen Liegeplätze seit 2002

In der Tat hat auch die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) in den vergangenen Jahren hohe Millionensummen investiert, um ihre bestehenden Großschiffsliegeplätze für die Abfertigung der modernen Riesenfrachter auszubauen. So wurden größere Containerbrücken angeschafft, die auch auf breiteren Schiffen die Stahlboxen sicher greifen können. Neue Liegeplätze sind allerdings seit dem Jahr 2002 nicht mehr entstanden – damals wurde das Containerterminal Altenwerder eingeweiht. „

Es gibt fünf Liegeplätze für Großschiffe mit 400 Metern Länge in Hamburg“, sagt Tiedemann. „Zwei am Burchardkai, zwei bei Eurogate und einer am Containerterminal Tollerort. Kommt ein sechstes Großschiff, hat es schon keinen Platz mehr.“ Dabei wächst die Zahl außergewöhnlich großer Schiffe, die den Hamburger Hafen anlaufen, stetig. Im vergangenen Jahr machten 221 Frachter mit einer Ladekapazität von 18.000 bis 24.000 TEU in Hamburg fest. Im Jahr davor waren es noch 190 gewesen.

Köhlbrandbrücke steht den Großschiffen im Weg

Eigentlich könnten auch am Containerterminal Altenwerder Großschiffe abgefertigt werden. Doch dort ist die Köhlbrandbrücke im Weg, die den neuen Riesenfrachtern mit ihren hohen Deckaufbauten und einer Länge von 400 Metern die Durchfahrt versperrt – mindestens noch bis 2034. Bis dahin soll ein Tunnel als Ersatz fertig sein und die Köhlbrandbrücke abgerissen werden.

Benötigt der Hamburger Hafen also mehr Großschiffsliegeplätze? Eine einfache Antwort gibt es auf diese Frage nicht, sagt der Professor für maritime Logistik an der Hamburg School of Business Administration (HSBA), Jan Ninnemann. „Da immer mehr große Schiffe gebaut werden und auch den Hamburger Hafen anlaufen, ist es richtig, sich darüber Gedanken zu machen. Ob aber tatsächlich mehr Großschiffsliegeplätze den Hamburger Hafen voranbringen würden, lässt sich schwer sagen.“

Fahrpläne der Reeder führen zu Problemen

Der Hafen leide unter einer ungleichen Verteilung der Schiffsanläufe, was an den Fahrplänen der Reeder liege. Tagelang komme kein Schiff, und dann legten an wenigen Tagen alle auf einmal an. „Das kann also bedeuten, dass die Zahl der Großschiffsliegeplätze im Durchschnitt reicht, es aber aufgrund der Ballung der Anläufe zu Engpässen kommen kann.“ Zusätzliche Einschränkungen bei der Zufahrt würden auch noch durch die knappen Tidefenster entstehen.

Mitunter könnten zwei, maximal drei Schiffe mit großem Tiefgang auf der Flutwelle nach Hamburg hineinfahren. Verpassen sie den Zeitpunkt, müssen sie zwölf Stunden warten. „Es macht ja keinen Sinn, einen neuen Schiffsliegeplatz zu bauen, wenn die großen Schiffe nicht in den Hafen kommen“, so Ninnemann.

Durch China-Deal würden Umschlagsmengen steigen

Tatsache ist allerdings, dass der Hafenkonzern HHLA Pläne für den Bau eines weiteren großen Schiffsliegeplatzes in der Schublade hat. Diese betreffen den Containerterminal Tollerort, wo das hintere Ende der Kaikante zu einem Liegeplatz für besonders große Schiffe erweitert werden könnte. Aktuell gebe es dazu keine Veranlassung, sagt ein HHLA-Sprecher. Die derzeitigen Mengen könnten an den bestehenden Anlagen abgewickelt werden.

Die Situation könnte sich aber schnell drehen, wenn die Beteiligung der chinesischen Reederei Cosco an dem Terminal endgültig unter Dach und Fach gebracht werde, sagen andere Hafenexperten. Dann sei damit zu rechnen, dass die Umschlagsmengen dort deutlich steigen würden. Cosco hat angekündigt, Tollerort im Falle einer Beteiligung zu einem sogenanten Preferred Hub – also zu einem bevorzugten Umschlagplatz – in Europa zu machen. Dann könnten die Pläne zur Erweiterung der Kaianlagen wieder aus der Schublade geholt werden.

Hamburger Hafen: Senat erwägt Ausbau

Das sei dann aber zu spät, hält Tiedemann entgegen. „Das Beispiel Elbvertiefung hat uns gezeigt, wie lange Planfeststellungsverfahren in Deutschland dauern können. Selbst wenn man in den kommenden Monaten ins Planverfahren einsteige, würde der Ausbau wohl erst 2028 fertig sein. Das ist zu spät.“

Die Wirtschaftsbehörde teilte auf Anfrage unserer Zeitung mit, dass es bereits Pläne für mögliche Terminalerweiterungen gebe. „Im Rahmen der Beratungen über den neuen Hafenentwicklungsplan wird auch über die Standorte von neuen Großschiffliegeplätzen entschieden werden“, sagte ein Sprecher. Mögliche Plätze seien Tollerort oder die Westerweiterung bei Eurogate. Ob das Hamburg im Hafenranking wieder nach vorne bringt, bleibt abzuwarten.