Das von der Pleite bedrohte Griechenland kann aufatmen: Die Milliarden fließen und eine Strategie zum Abbau der Schulden steht.

Berlin/Brüssel. Ein Staatsbankrott Griechenlands ist vorerst abgewendet: Nach wochenlangen Verhandlungen schnürte die Eurogruppe und der Internationale Währungsfonds ein Hilfspaket von fast 44 Milliarden Euro. Die Bundesregierung will nun ein Zeichen der Solidarität setzen und die Notkredite, die unter Parlamentsvorbehalt stehen und den Bundeshaushalt des kommenden Jahres mit 730 Millionen Euro belasten werden, noch in dieser Woche durch den Bundestag bringen. Zugleich schlossen führende Vertreter der Koalition erstmals einen Schuldenschnitt für Griechenland nicht mehr aus.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Euro-Kollegen hatten sich in der Nacht zum Dienstag auf die Freigabe der seit Sommer aufgelaufen Milliardenhilfen verständigt, die wegen der zögerlichen Programmumsetzung in Griechenland blockiert waren. Die klaffende Finanzierungslücke von 14 Milliarden Euro bis 2014 wird mit Zinssenkungen bis zur Schmerzgrenze, mit Kreditstundungen und mit Gewinnen aus dem Anleihenkaufprogramm der EZB gestopft. Zudem soll Athen für zehn Milliarden Euro unter Wert gehandelte Papiere von Privatinvestoren aufkaufen – und so seinen Schuldenberg deutlich abbauen.

Schäuble: Rettungspaket drückt Schuldenlast unter 120 Prozent

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte vor der Unionsfraktion am Dienstag Teilnehmerangaben zufolge, dass es nicht verantwortbar sei, Griechenland den Geldhahn zuzudrehen.

Schäuble verteidigte das nachgebesserte Rettungspaket gegen Kritik. Die Hilfen für Griechenland eröffneten dem überschuldeten Land die Chance, seine Schuldenlast bis zum Jahr 2022 auf 115 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken, sagte er. Zurzeit liegt die Schuldenlast knapp 180 Prozent der Wirtschaftsleistung, als langfristig tragbar gelten höchstens 120 Prozent. Der IWF hatte auf diese Marke bestanden, was einen Streit über einen Schuldenschnitt seitens der Geberländer auslöste. Vor der Fraktion machte er deutlich, dass sich der Bundestag – auch mit Blick auf die Märkte - nun schnell entscheiden müsse.

Ein Schuldenerlass wird also vorerst nicht kommen. Jedoch schlossen Schäuble und FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle für die Zukunft dies nicht mehr kategorisch aus. Bedingung dafür wäre, dass Athen einen sogenannten Primärüberschuss, also ein Haushaltsplus ohne Schuldendienst, erreicht. Ein solcher Schnitt sei nach seiner Einschätzung „rechtlich möglich, wenn es keine weitere Kreditzustimmung an Griechenland gibt“, sagte Brüderle. Bislang hatte sich Deutschland gegen einen Krediterlass unter verweis auf rechtliche Hürden gestemmt. Die Opposition hatte schon seit Wochen ein Schuldenschnitt für unerlässlich gehalten.

Opposition wegen Eiltempo verschnupft

Bereits am Donnerstag soll der Bundestag nach dem Willen der Bundesregierung über das neue Griechenland-Paket abstimmen. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier reagierte verärgert und warf Schwarz-Gelb wegen des Eiltempos mangelnden Respekt vor dem Parlament vor. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück fügte hinzu, die entscheidende Frage sei, ob es zu einem Schuldenschnitt in den nächsten Jahren komme und wie sich der Internationale Währungsfonds (IWF) verhalte. „Die Stunde der Wahrheit, für die wir wirklich plädieren“, stehe nach wie vor aus. Aus der Unionsfraktion hieß es am Abend, man wolle am Donnerstag abstimmen, sei aber auch bereit, der Opposition entgegenzukommen und auf den Freitag zu gehen.

Auch die Grünen zeigten sich verschnupft. Fraktionschefin Renate Künast forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, endlich die ganze Wahrheit über die Rettung Griechenlands zu sagen. Auch müsse man davon ausgehen, dass es „eines Tages“ einen Schuldenschnitt der Geberländer geben werde. Die Linke im Bundestag, die die Griechenland-Beschlüsse kategorisch ablehnt, prophezeite einen Schuldenschnitt für das krisengeschüttelte Euro-Land nach der Bundestagswahl 2013.

Lob und Tadel aus der Wirtschaft

Unterschiedlich bewertete die Wirtschaft das neue Hilfspaket. Die beschlossene Mischung aus Verlängerungen von Kreditlaufzeiten, niedrigen Zinsen und Stundungen sei „das angemessene Signal Europas und des IWF an Griechenland“, erklärte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Für den Außenhandelsverband BGA kann nur ein Schuldenschnitt der öffentlichen Hand die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands wieder herzustellen. Der richtige Zeitpunkt wäre nach den Wahlen in Italien und Deutschland im Jahr 2014, sagte BGA-Präsident Anton Börner dem „Handelsblatt“ (Mittwochausgabe).

Der CDU-Wirtschaftsrat lehnte die Brüssler Einigung rundweg ab. Sie sei nichts anderes als eine „politische Insolvenzverschleppung“, sagte Verbandspräsident Kurt Lauk. Griechenland sei seit mehr als zwei Jahren nicht mehr in der Lage, sich selbst am Kapitalmarkt zu refinanzieren. „Daran haben auch der erste Schuldenschnitt und zwei Rettungspakete der Euro-Staaten und des IWF über 240 Milliarden Euro nichts geändert“, betonte er.

Die Bundesregierung widersprach energisch. „Die Entscheidung ist ein positives Signal für die Stabilisierung der gesamten Eurozone“, erklärte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Außenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte unterdessen davor, aus der Solidarität in Europa auszusteigen und damit die Währungsunion infrage zu stellen. „Wenn wir Europa an einer Stelle rückabwickeln wollen, dürfen wir nicht glauben, dass andere unberührt bleiben“, sagte er mit Blick auf Reise- oder Niederlassungsfreiheit. geschehen soll.