Steinmeier geht von Schuldenschnitt 2014 aus. Unions-Politiker sieht Schuldenschnitt abgewendet. Bundestag stimmt wohl Donnerstag ab.
Berlin. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Fraktionsvorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien über die beschlossenen Hilfen für Griechenland informiert. Dazu gab es am Dienstagmorgen eine Schaltkonferenz, wie es aus Unionskreisen hieß.
Am Nachmittag wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Schäuble die jüngsten Beschlüsse der internationalen Geldgeber in einer Sitzung der Unionsfraktion erläutern. Die Eurogruppe will – nach der Befassung der nationalen Parlamente – am 13. Dezember endgültig die Auszahlung der Milliarden-Hilfen beschließen. Um diesen Zeitplan einhalten zu können, solle der Bundestag noch in dieser Woche entscheiden, hieß es.
Deutsche Politiker uneins über Griechenland-Ergebnis
Am Morgen zeigten sich die Fraktionen uneins über die Ergebnisse der EU-Griechenland-Beratungen. Steinmeier geht von Schuldenschnitt für Griechenland 2014 aus. Unions-Haushaltsexperte sieht Schuldenschnitt abgewendet. Rösler lobt Einigung zu Griechenland - unterschiedlicher könnten die Reaktionen auf die Verhandlungsergebnisse der Europäischen Union für Griechenland nicht ausfallen.
Trotz der Einigung der internationalen Geldgeber über weitere Milliarden-Hilfen für Griechenland rechnet die SPD fest mit einem Schuldenschnitt für das angeschlagene Land im Jahr 2014. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) brüste sich damit, dass der Schuldenschnitt vermieden worden sei, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“. „Ich sage Ihnen: Der Schuldenschnitt ist nicht vermieden, er ist verschoben worden auf einen Zeitpunkt nach der Bundestagswahl.“ Alle Beteiligten wüssten, dass es ohne einen solchen Schnitt nicht gehe.
Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hat hingegen die Einigung zu Griechenland gelobt. „Die Entscheidung ist ein positives Signal für die Stabilisierung der gesamten Eurozone. Sie zeigt die Entschlossenheit aller Beteiligten, zur Lösung der Staatsschuldenkrise beizutragen“, erklärte Rösler am Dienstag in Berlin. „Die klare Verhandlungslinie der Bundesregierung hat sich dabei ausgezahlt. Nun ist Griechenland gefordert, die vereinbarten Maßnahmen umzusetzen. Dazu zählen vor allem ein effizientes Steuersystem und eine funktionierende Steuerverwaltung.“
Aber machen die nächtlichen Beschlüsse der internationalen Geldgeber für neue Griechenland-Hilfen einen Schuldenschnitt überflüssig? Nein, sagt die SPD-Opposition. Der Schnitt sei nur auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben worden. „Wir sind realistisch und versuchen, der Bevölkerung ehrlich und aufrichtig zu sagen, was ist. Schäuble und die gegenwärtige Bundesregierung versuchen, sich an den Wahrheiten erneut vorbei zu mogeln“, sagte Steinmeier.
Auch nach Einschätzung von FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle könnte ein Schuldenschnitt, den die schwarz-gelbe Koalition bislang ablehnt, möglicherweise auf lange Sicht doch noch kommen. „Ob zum späteren Zeitpunkt man sich arrangiert (...) ist nicht ausgeschlossen, da könnte auch eine Maßnahme dieser Art mit einbezogen sein“, sagte er am Dienstag im „Deutschlandfunk“. Zurzeit sei dies aber nicht der Fall. Brüderle wies zudem auf rechtliche Schwierigkeiten hin: „Mit dem bestehenden Haushaltsrecht, das hat Herr Schäuble dargelegt, geht das in Deutschland nicht.“
Ähnlich äußerte sich der Unions-Haushaltsexperte Norbert Barthle. Ein Schuldenschnitt ist aus seiner Sicht zwar vorerst abgewendet. Der CDU-Politiker räumte aber am Dienstag im „Inforadio“ des RBB ein: „Er wird sicherlich nicht für alle Tage vom Tisch sein.“ Denn mit den neuen Maßnahmen soll Griechenland seine Schuldenquote bis 2020 auf 124 Prozent reduzieren, 2022 auf weniger als 110 Prozent. „Das wird voraussichtlich dann im Jahr 2020 nur mit einem Schuldenschnitt gehen können.“
Die internationalen Geldgeber hatten sich in der Nacht zum Dienstag auf weitere Milliarden-Hilfe für Griechenland geeinigt. Der Bundestag muss den neuen Hilfen noch zustimmen. Brüderle sagte dazu: „Ich glaube, dass es eine breite Zustimmung geben wird.“
Steinmeier deutete eine Zustimmung der SPD-Fraktion an: „Ich werde meiner Fraktion kein Verhalten empfehlen, das dazu führen wird, dass Griechenland kurzfristig nicht mehr zahlungsfähig ist und gegebenenfalls die Eurozone verlassen muss.“
Der SPD-Politiker forderte aber Klarheit über die Details der nächtlichen Beschlüsse. „Die große Einigkeit, die heute Nacht verkündet worden ist, steht ja unter einigen Vorbehalten.“ So wisse er zum Beispiel nicht, ob der Internationale Währungsfonds (IWF) „wirklich dabei ist“. Viele beschlossene Maßnahmen stünden unter dem Vorbehalt, dass das Programm zum Rückkauf griechischer Schulden erfolgreich sein wird. „Insofern weiß ich noch nicht so recht, über was der Deutsche Bundestag in dieser Woche eigentlich entscheiden soll“, sagte Steinmeier.
Der Bundestag soll voraussichtlich an diesem Donnerstag über die weiteren Hilfen für Griechenland abstimmen. Zuvor dürfte sich am Mittwoch der Haushaltsausschuss damit befassen, wie der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, am Dienstag sagte. Der CDU-Politiker begrüßte, dass der Internationale Währungsfonds weiterhin beteiligt bleibe und kein Schuldenerlass beschlossen worden sei. Er betonte, dass die rechtlichen Voraussetzungen dafür in Deutschland nicht gegeben wären. Grosse-Brömer machte deutlich, dass er von einer eigenen Mehrheit der Koalition bei der Bundestagsabstimmung ausgeht.