Für den Stromkonzern ist das BoA 2&3 das modernste Kraftwerk seiner Art, für Umweltschützer ein Dinosaurier mitten in der Energiewende.

Grevenbroich. Im rheinischen Grevenbroich hat der Energiekonzern RWE zwei neue, milliardenteure Kraftwerksblöcke zur Stromerzeugung aus Braunkohle in Betrieb genommen. Das wegen seines hohen C02-Ausstoßes umstrittene RWE-Kraftwerk BoA 2&3 hat eine Kraftwerksleistung von 2200 Megawatt und produziert genug Strom, um 3,4 Millionen Haushalte zu versorgen.

Während RWE die Doppelblockanlage weltweit rühmt, sehen Umweltschützer einen Rückschlag für die Energiewende . „Braunkohle ist der klimaschädlichste Energieträger“, sagte Greenpeace-Energieexperte Gerald Neubauer in Hamburg.

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Zum offiziellen Start kamen am Mittwoch neben RWE-Chef Peter Terium auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU). Altmaier würdige bei der Festveranstaltung in Neurath den 2,6 Milliarden Euro teuren Kraftwerksneubau als „herausragenden Beitrag zum Gelingen der Energiewende“ und als praktizierten Umweltschutz. Denn mit der Inbetriebnahme könnten alte, umweltschädlichere Anlagen vom Netz genommen werden. Die neuen Anlagen sollen pro Jahr bis zu sechs Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid einsparen

Ministerpräsidentin Kraft (SPD) nannte den Bau „eines der wichtigsten Industrieprojekte in diesem Land“. Nordrhein-Westfalen wolle auch in Zukunft das Energieland Nummer eins in Deutschland bleiben.

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In Deutschland wird etwa ein Viertel des Stroms aus Braunkohle erzeugt. Die neuen Anlagen des Kraftwerks Neurath sollen pro Jahr bis zu sechs Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid einsparen. Sie sollen alte Anlagen ersetzen, die zum Teil bereits außer Betrieb genommen worden sind.

Die Umweltorganisation Greenpeace sprach von einem „Desaster für den Klimaschutz“. Neurath zähle „zu den größten CO2-Schleudern Europas“, hieß es in einer Mitteilung. „Allein diese beiden Blöcke werden 17 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr ausstoßen.“

Der Umweltverband BUND griff Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen an. „Dass ausgerechnet Ministerpräsidentin Kraft diesen Klimakiller offiziell in Betrieb nimmt, belegt die widersprüchliche Energie- und Klimaschutzpolitik der Landesregierung“, kritisierte der nordrhein-westfälische BUND-Chef Paul Kröfges. Das Kraftwerk Neurath sei „ein Dinosaurier des Kohlezeitalters“. Die Gewinnung von Braunkohle in den Tagebauen des Rheinlandes sei außerdem „mit unbeherrschbaren Ewigkeitsschäden verbunden“.

Die Grünen in NRW betonten, die politische Ablehnung des Baus neuer Kohlekraftwerke bleibe bestehen: „Nordrhein-Westfalen wird auch weiterhin die erneuerbaren Energien ausbauen und den Ausstieg aus der Kohle vorantreiben.“

RWE-Chef Terium sieht gerade in der neuen Doppelblockanlage einen wichtigen Baustein für die Energiewende. Moderne Kohle- und Gaskraftwerke seien unverzichtbar, „weil sie anders als Wind und Sonne immer und flexibel produzieren können“, erklärte Terium. Dem Energiekonzern zufolge ist jeder Kraftwerksblock so konzipiert, dass er in 15 Minuten seine Leistung um gut 500 Megawatt verändern kann.

Zur Grundsteinlegung war am 23. August 2006 auch Bundeskanzlerin Angela Merkel gekommen. Im Oktober 2007 sorgte dann ein schwerer Unfall auf der Baustelle für Aufsehen. In großer Höhe stürzte ein Stahlgerüst in die Tiefe. Drei Männer kamen ums Leben.

Mit Material von dpa/dapd