Zwar sei die Energiewende machbar, doch die Risiken enorm: „Wir alle sind Teil eines ökonomischen und gesellschaftlichen Experiments“.

Essen. Der wegen seines Pro-Atom-Kurses umstrittene RWE-Chef Jürgen Großmann hat eine positive Bilanz seiner Amtszeit gezogen. Trotz der Milliardenbelastungen durch die Energiewende und massiver Probleme auf dem Gasmarkt sei RWE heute flexibler, breiter und intelligenter aufgestellt als bei seinem Amtsantritt im Jahr 2007, sagte der scheidende Vorstandsvorsitzende am Donnerstag auf der Hauptversammlung des Energiekonzerns in Essen.

„RWE hat die Kraft und die Substanz, um weiterhin auf Kurs, sprich Wachstumskurs zu bleiben“, machte der 60-Jährige den Aktionären nach dem drastischen Gewinneinbruch im Jahr 2011 Mut. Seit seinem Amtsantritt habe der Konzern rund 23 Milliarden Euro in die eigenen Energiewende – in die Erneuerung des konventionellen Kraftwerksparks und den Ausbau erneuerbarer Energien – investiert. Der Konzern sei damit „unverzichtbarer Treiber der Umgestaltung der Energiewirtschaft“.

Großmann betonte, bei allen wichtigen Zukunfsthemen „von A wie Atomstrom über I wie intelligente Energie bis hin zu Z wie zertifizierter Grünstrom“ sei RWE dabei. Gleichzeitig warnte der Manager aber erneut vor den Risiken des deutschen Energiekurses. Zwar sei die Energiewende machbar. Doch die Risiken seien enorm. „Wir alle sind Teil eines ökonomischen und gesellschaftlichen Experiments, das in dieser Form nur hier bei uns in Deutschland durchgeführt wird“, sagte Großmann bei seinem letzten großen öffentlichen Auftritt als RWE-Chef.

„Wir segeln auf Sicht und das bei Nebel“

Vor allem die Übertragungsnetze seien für die anspruchsvollen Ziele der Energiewende bislang nicht ausgelegt. Nötig seien „Eisbrecher“, die den Weg frei räumen, damit zentrale Infrastrukturprojekte umgesetzt werden können. „Ehe unsere Energieversorgungssysteme nicht auf die beschleunigte Wende ausgelegt sind, segeln wir auf Sicht und das bei Nebel. Die Versorgungssicherheit bleibt gefährdet, die Kosten im Dunkeln“, warnte der Manager.

Ausdrücklich verteidigte Großmann auch die juristischen Schritte, die der Konzern nach der Energiewende gegen die Bundesrepublik eingeleitet hatte: die Klagen gegen das dreimonatige Kernenergiemoratorium und die Kernbrennstoffsteuer sowie die Verfassungsbeschwerde gegen die Novellierung des Atomgesetzes.

„Ich halte es nach wie vor für richtig, dass RWE als erster den Mut hatte, diese Klagen gegen massiven politischen und öffentlichen Druck anzustrengen.“ Dies sei der Konzern den Aktionären schuldig. Schließlich belaste der Kernenergieausstieg das Ergebnis von RWE allein 2011 mit rund 1,3 Milliarden Euro.

(dapd)