Eurogruppen-Chef Juncker gibt Deutschland eine Mitschuld und erntet scharfe Kritik. Schäuble spricht mit US-Amtskollegen Geithner.
Berlin. Die Eurozone kommt trotz aller Rettungszusagen für die kriselnde Währung nicht zur Ruhe. Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker warnte vor dem Zerfall der Währungsunion und deutete unmittelbar bevorstehende Entscheidungen der Euroländer an.
Die Bundesregierung stemmte sich am Montag in Berlin gegen Spekulationen über kurzfristige neue Hilfen. Ihm seien keine entsprechenden Gesprächstermine der Euroländer bekannt, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter. Auch die Erwartungen an das T reffen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit seinem US-Amtskollegen Timothy Geithner am Montagnachmittag auf Sylt wurden gedämpft. In München wies die CSU Kritik Junckers an der deutschen Europapolitik in scharfer Form zurück.
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Juncker hatte der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag) gesagt: „Welche Maßnahmen wir ergreifen werden, entscheiden wir in den nächsten Tagen. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.“ Was genau wann gemacht werde, sei noch offen: „Das hängt von den Entwicklungen der nächsten Tage ab und davon, wie schnell wir reagieren müssen.“
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Eine Sprecherin des Finanzministeriums verwies darauf, dass das nächste reguläre Eurogruppen-Treffen für September anberaumt sei. Das gut einstündige Gespräch Geithners in Schäubles Urlaubsort auf Sylt sei „nichts Unübliches“. Das auf Wunsch der Amerikaner zustande gekommene Treffen sei ein informelles Gespräch zu allen aktuellen Themen und Fragen. Anschließend wollte sich Geithner mit der EZB-Spitze treffen. Die USA mahnen die Euro-Länder seit langem zu weiteren Schritten gegen die Schuldenkrise.
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Die Bundesregierung lehnt trotz der jüngsten Aussagen, sie werde alles zum Schutz der Eurozone tun, gemeinsame Staatsanleihen von Euroländern weiter strikt ab. Die Haltung der Bundesregierung zu solchen Eurobonds sei unverändert. Jegliche Vergemeinschaftung von Schulden – zum Beispiel in Form von Eurobonds – sei nicht im Sinne der Bundesregierung, bekräftigte Streiter.
Am Wochenende hatten Kanzlerin Angela Merkel und Italiens Ministerpräsident Mario Monti versichert, alles zum Schutz der Gemeinschaftswährung zu tun. Ähnlich hatten sich Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande am Freitag geäußert.
Zuvor hatten Äußerungen von EZB-Chef Mario Draghi für Spekulationen über ein erneutes Eingreifen der Notenbank gesorgt . Die Europäische Zentralbank (EZB) werde alles unternehmen, um den Erhalt des Euro zu sichern, hatte Draghi gesagt. An den Märkten war dies als Hinweis gewertet worden, die EZB könnte ihr Programm zum Kauf von Staatsanleihen klammer Euro-Länder wieder anfahren.
Juncker zufolge bereiten sich die 17 Euroländer zusammen mit dem Rettungsfonds EFSF und der EZB darauf vor, Staatsanleihen klammer Euro-Länder aufzukaufen: „Wir stimmen uns eng mit der Notenbank ab, und wir werden, wie Draghi sagt, Resultate sehen. Ich will nicht Erwartungen schüren. Aber ich muss sagen, wir sind an einem entscheidenden Punkt angekommen“, sagte Juncker.
Die Bundesregierung sieht mögliche weitere Anleihekäufe durch die EZB nicht kritisch. „Natürlich hat die Bundesregierung volles Vertrauen in das unabhängige Handeln der EZB“, sagte Streiter. Die EZB erfülle ihre Pflicht. Die Politik habe die nötigen Instrumente geschaffen. Aus Sicht des Finanzministeriums ist der Kauf von Anleihen auf dem Sekundärmarkt gemäß dem EU-Vertrag zulässig.
Juncker gibt Deutschland eine Mitschuld an der sich verschärfenden Krise. Deutschland erlaube sich den „Luxus, andauernd Innenpolitik in Sachen Euro-Fragen zu machen“. Hohe Politiker plädierten für den Ausschluss Griechenlands aus dem Euro, ohne den Prüfbericht der Experten abzuwarten. Die Bundesregierung wollte die Äußerungen nicht kommentieren. Streiter betonte aber, Europapolitik sei natürlich auch immer Innenpolitik: „Das ist ja unbestritten.“
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warf Juncker vor, Tatsachen zu verdrehen. „Sich jetzt hinzustellen und Deutschland als Teil des Problems, Teil der Krise zu bezeichnen, ist an Unverfrorenheit nicht mehr zu überbieten“, sagte er im Bayerischen Rundfunk. „Ob man so jemand wirklich in dieser Funktion als Eurogruppenchef behalten kann, (...), da mache ich ein großes Fragezeichen.“
Junckers Amtszeit war gerade erst verlängert worden, er will das Mandat jedoch zum Jahresende niederlegen. CSU-Chef Horst Seehofer sagte zu Junckers Äußerungen : „Manches Interview schafft erst Probleme, und dieses gehört dazu.“ Allerdings reiche der Fall nicht für Ärger, „sondern nur für Erstaunen“. (dpa/abendblatt.de)