Neuer Forderungsverzicht für Griechenland im Gespräch. Diskussion über Anleihekauf durch EZB und EFSF. Irland gelingt ein Comeback.

Berlin. EZB-Präsident Mario Draghi hat mit seiner Äußerung zur Euro-Rettung den Streit über die angemessenen Instrumente zur Krisenlinderung neu angeheizt. Akut in der Diskussion sind neue Käufe von Anleihen von Krisenstaaten durch die Europäische Zentralbank (EZB), Anleihenkäufe durch den Euro-Rettungsschirm EFSF, eine Banklizenz für den geplanten dauerhaften Rettungsschirm ESM sowie ein Forderungsverzicht staatlicher Gläubiger zu Gunsten Griechenlands, um das Land doch noch in der Eurozone zu halten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte am Freitag aus dem Urlaub mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande. Die Initiative für den Gedankenaustausch ging angeblich von französischer Seite aus. Im Anschluss erklärten beide, sie seien „entschlossen, alles zu tun, um die Eurozone zu schützen“. Die Euro-Länder wie die europäischen Institutionen müssten ihren jeweiligen Verpflichtungen nachkommen, hieß es in einer Erklärung. Zudem müssten die Beschlüsse des letzten Euro-Gipfels zur forcierten europäischen Integration rasch umgesetzt werden. Über konkrete Absprachen zu kurzfristigem Handeln, über die an den Märkten spekuliert worden war, wurde nichts bekannt.

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Draghi hatte am Donnerstag gesagt, die Zentralbank werde alles tun, um die Gemeinschaftswährung zu retten: „Und glauben Sie mir, das wird ausreichen“, hatte er hinzugesetzt. Anleger und Experten werteten das als Hinweis auf die Bereitschaft der Notenbank, wieder Anleihen von Krisenländern wie Spanien zu kaufen, um deren Zinsniveau zu drücken. Italien konnte am Freitag bereits eine Anleihe am Markt zu günstigeren Zinsen platzieren. Ob die EZB dabei aktiv war, blieb unklar. Auskunft über ihre Aktivitäten am Kapitalmarkt gibt die Notenbank erst am Montag.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble begrüßte Draghis Äußerungen. Die Politik müsse aber die Voraussetzungen dafür schaffen, indem sie ihrerseits alles zur Bewältigung der „Finanz- und Vertrauenskrise“ tue. Dagegen äußerte sich die Bundesbank kritisch zu etwaigen neuerlichen EZB-Ankäufen von Staatsanleihen. Ein Sprecher nannte diesen Mechanismus „problematisch“, weil „dadurch falsche Anreize gesetzt werden„ könnten. Die Forderung, dem Euro-Rettungsschirm eine Banklizenz und damit unbegrenzten Zugang zu Notenbankgeld zu geben, lehnte die Bundesbank gleichfalls ab. Auch die Bundesregierung sagt hierzu Nein, wie eine Sprecherin erklärte.

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FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle ließ ebenfalls Kritik an zu weitreichenden Aktivitäten der EZB anklingen. „Aufgabe der EZB ist es nicht, Staatsfinanzierung zu betreiben.“ Das würde das Vertrauen in den Euro und die Unabhängigkeit der EZB untergraben, warnte er. Dagegen wertete der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider die EZB-Ankündigung als Zeichen, dass die Krisenbekämpfung der Staats- und Regierungschefs zu kurz greifen. Mit der Bereitschaft der Notenbank, unbegrenzt tätig zu werden trete die Finanzkrise in eine neue Phase.

Zum Ankauf von Staatsanleihen über den EFSF – eine Option, die Frankreich für überlegenswert hält – hielt sich die Bundesregierung alle Optionen offen. Würde ein Antrag gestellt, müsse nach deutschem Recht der Bundestag damit befasst werden, gegebenenfalls über ein Sondergremium.

Spanien hat nach Angaben eines EU-Vertreters kürzlich erstmals eingestanden, dass es womöglich ein komplettes Hilfsprogramm des EFSF in Höhe von rund 300 Milliarden Euro benötigen könnte. Gesagt haben soll das Spaniens Wirtschaftsminister Luis de Guindos am Dienstag bei einem Treffen mit Schäuble in Berlin. Diese Summe würde das bereits verabredete Hilfsprogramm für die Banken des Landes von maximal 100 Milliarden Euro noch erhöhen. Einen ähnlichen Bericht hatte das Finanzministerium bereits als abwegig bezeichnet. Auch aus Madrid kam ein Dementi.

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Unterdessen gelang Irland als erstem Euro-Krisenland, das von Milliardenhilfen des Rettungsschirms EFSF profitiert, das Comeback am Kapitalmarkt. Für langlaufende Anleihen musste das Land Zinsen um die sechs Prozent bieten, mehr als ein Prozentpunkt weniger, als zuletzt Spanien. Schäuble, wie auch etliche Banken-Volkswirte, würdigte Irland als Beleg dafür, dass die Strategie harter Anpassungen Früchte trage, weil der Markt wieder Vertrauen in das Land gefasst habe.

Hektische Betriebsamkeit gibt es auch mit Blick auf Griechenland, dessen Ausstieg aus der Eurozone in Deutschland etwa von der Regierungspartei CSU gefordert wird. Nach Angaben aus EU-Kreisen wird in Brüssel als „letzte Chance“ für den Verbleib des Landes im Währungsraum ein weiterer Verzicht auf Forderungen erwogen, diesmal zu Lasten öffentlicher Gläubiger inklusive der Zentralbanken.

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Im Gespräch sind demnach Abschreibungen bei den öffentlichen Instituten auf Forderungen gegenüber dem Land von rund 30 Prozent. Das könnte Griechenland bei den Schulden um weiteren 70 bis 100 Milliarden Euro entlasten, wie Reuters von mehreren EU-Diplomaten erfuhr. Mit einer solchen Aktion könnte der Schuldenstand des Landes perspektivisch auf rund 100 Prozent der Wirtschaftsleistung gebracht werden – eine als tragbar erachtete Größenordnung. Allerdings würde ein neuerlicher Schuldenschnitt in Form riesiger Abschreibungen die Zentralbanken heftig treffen und bei einigen von ihnen Kapitalbedarf auslösen, den wiederum ihre Anteilseigner, die Staaten, decken müssten. Die EZB lehnte eine Kommentierung dieses Modells ab. (Reuters)