Laut hochrangigen EU-Vertretern könnte der IWF demnach keine Hilfe mehr leisten. Rösler bekräftig seine umstrittene Aussage zu “Grexit“.
Athen/Brüssel. Die Prüfer der internationalen Gläubigertroika werden bei der Untersuchung der griechischen Finanzlage nach Informationen aus EU-Kreisen zu einem verheerenden Ergebnis kommen. Die Schulden seien nicht beherrschbar und ein weiterer Forderungsverzicht unvermeidlich, sagten drei hochrangige EU-Vertreter der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag in Brüssel. Die griechische Regierung rechnet in diesem Jahr nach eigenem Bekunden mit einem Wirtschaftseinbruch um sieben Prozent. Am Dienstag hielt auch die Kritik an der neuen Regierung aus dem Ausland an. So äußerte sich der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler über die Reformen enttäuscht.
Vertreter von Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission prüfen zurzeit, ob Griechenland die Spar- und Reformziele erfüllt. Das Ergebnis sei absehbar: Der überschuldete Euro-Staat sei weit vom Kurs abgekommen, verlautete aus den Kreisen. „Die Analyse der Schuldentragfähigkeit wird ziemlich furchtbar sein.“
Das zweite Rettungspaket mit einem Umfang von 130 Milliarden Euro sollte Griechenland helfen, den Schuldenstand von mehr als 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Frühjahr bis 2020 auf 120 Prozent zu drücken. Nur unter dieser Bedingung beteiligte sich der IWF an der Finanzhilfe. Doch während des monatelangen Wahlkampfes kamen die Reformen und Einsparungen zum Erliegen, während sich die Rezession verschärfte. Wenn sich jetzt herausstellt, dass die Quote weit über dieser Marke liegen wird, darf der Fonds einem EU-Vertreter zufolge keinen Beistand mehr leisten. Auf zusätzliche Hilfsmilliarden läuft aber die Forderung der griechischen Regierung heraus, mehr Zeit zum Abbau der Neuverschuldung eingeräumt zu bekommen. Dies müssten dann die EZB und die Euro-Staaten übernehmen.
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Deutschland und andere nordeuropäische Länder sind bisher nicht bereit, Griechenland höhere Kredite zu gewähren. IWF, EU-Kommission und Euro-Staaten haben das Land bereits mit knapp 150 Milliarden Euro über Wasser gehalten.
Als eine andere Möglichkeit komme deshalb ein Forderungsverzicht der staatlichen Gläubiger in Betracht, hieß es in EU-Kreisen weiter. Im Frühjahr waren die privaten Geldgeber dazu verpflichtet worden, der Regierung in Athen einen großen Teil ihrer Schulden zu erlassen. Nun könnten die Euro-Staaten und die EZB auf Forderungen verzichten, die Laufzeiten von Krediten verlängern oder niedrigere Zinsen akzeptieren.
Auf der politischen Ebene sei aber niemand zu dieser Diskussion bereit, sagte eine der Personen. Sechs Euro-Staaten seien entschieden gegen jegliche Erleichterung für Griechenland - vor allem nicht, wenn die eigenen Steuerzahler die Kosten dafür direkt tragen sollten, wie es bei einem Forderungsverzicht der Fall wäre. „Die ökonomischen Argumente mögen klar sein: Wir brauchen einen Restrukturierung, um die Schulden tragfähig zu machen. Aber politisch gibt es dazu keine Bereitschaft.“ Deshalb stellt sich die Frage, wie lange Griechenland Mitglied der Währungsunion bleiben kann.
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FDP-Chef Rösler erneuerte unterdessen seine Kritik. Komme Griechenland seinen Reform- und Sparzusagen nicht nach, könne es keine weiteren Hilfen geben. Dann wäre Griechenland zahlungsunfähig und müsste selber über den Verbleib in der Euro-Zone entscheiden, erklärte der Minister in einem Interview der „Rheinischen Post“ (Mittwochausgabe). Bei wichtigen Vorhaben wie dem Aufbau einer funktionierenden Steuerverwaltung gebe es kaum Fortschritte. Rösler hatte mit einem ARD-Interview große Kritik ausgelöst, die bis in die eigene Partei hineinreichte. Darin sagte er am Sonntag, dass für ihn wie für viele Andere ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Währungsgebiet seinen Schrecken verloren habe.
Kanzlerin Angela Merkel hat wiederholt gewarnt, Deutschland bei den Rettungsaktionen für angeschlagene Länder nicht zu überfordern. Indirekt erhielt sie für diese Haltung am Montagabend von der Ratingagentur Moody’s Unterstützung. Moody’s bestätigte zwar die beste Bonitätsnote für Deutschland, nahm aber den Ausblick von „stabil“ auf „negativ“ zurück. Grund seien wachsende Risiken aus der Schuldenkrise. Führende Koalitionspolitiker sehen in dem Befund einen Beleg dafür, dass Deutschland nicht zu viel zugemutet werden dürfe.
In Griechenland ist keine Besserung der Lage in Sicht: Regierungschef Antonis Samaras rechnet nach eigenen Worten in diesem Jahr mit einem starken Konjunktureinbruch, von dem sich das Land erst in zwei Jahren erholen wird. Die Wirtschaft könnte 2012 um mehr als sieben Prozent schrumpfen, sagte Samaras. „Wir werden in diesem Jahr damit beginnen, die Rezession einzudämmen, und Anfang 2014 werden wir eine Erholung erreichen.“ Griechenland kämpft das fünfte Jahr in Folge mit einer Rezession und macht den unerwartet starken Konjunktureinbruch für das Verfehlen der Haushaltsziele mitverantwortlich. (rtr)