Unter Finanzexperten und Politikern nimmt die Sorge vor dem “Grexit“ zu. Ist ein Abschied Athens aus der Währung möglich und wenn wie?
Berlin. Die Hoffnungen, dass Athen im Euroland wieder auf die Beine kommen kann, schwinden. Ein Euro-Austritt Griechenlands halten Politiker und Ökonomen für zunehmend wahrscheinlicher. Doch ist ein solcher Schritt überhaupt möglich und wie könnte er aussehen?
Rechtliche Grundlage
Die Rufe nach einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone werden wieder lauter, nachdem durch die zweimaligen Parlamentswahlen fast alle Reformvorhaben im Land liegen geblieben sind. Zudem will die neue Regierung einen längere zeitliche Streckung der Sparauflagen. Etliche Ökonomen rechnen mit einem Ausscheiden Griechenlands in den nächsten Monaten. Politiker wie Bundeswirtschaftsminister und FDP-CHef Philipp Rösler (FDP) halten einen Austritt nicht mehr für ausgeschlossen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte unlängst erstmals das Austrittsszenario angesprochen. Auch Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker hatte eingeräumt, Experten würden entsprechende Pläne für den Notfall ausarbeiten, dass Athen nicht zu seinen Sparzusagen steht.
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Allerdings ist ein direkter Rauswurf aus der Eurozone durch die anderen Mitgliedsländer nicht möglich. Das sehen die EU-Verträge nicht vor. Allerdings könnte Griechenland von sich aus erklären, sich vom Euro zu verabschieden. Aber auch in diesem Fall wäre dies Neuland für das gesamte Euro-System, das dafür keine Regelungen kennt.
Folgen für Griechenland
Mit großer Wahrscheinlichkeit würde der Euro-Abschied zunächst den kompletten wirtschaftlichen Zusammenbruch des Krisenlandes bedeuten. Ohne Euro müsste Griechenland wieder eine eigene Währung einführen, etwa die alte Drachme. Sie würde vermutlich drastisch an Wert verlieren, etliche Ökonomen schätzen um die 50 Prozent. Die Abwertungseffekte würden dann aber Exporte verbilligen und die Wettbewerbsfähigkeit Griechenland international steigern.
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Ob diese Effekte jedoch schnell genug eintreten, damit Griechenland absehbar wieder auf die Beine kommt, ist höchst fraglich. Auch würden sich die Importe wie Öl und Benzin drastisch verteuern. Gehälter, Renten oder Pensionen würden in der neuen, vergleichsweise „schwachen“ Währung gezahlt. Diejenigen, die über viel Euro-Bargeld verfügen, weil sie das Geld ins Ausland gebracht oder zuhause liegen haben, stünden vergleichsweise gut da.
Von Ökonomen gibt es auch Vorschläge für die Einführung einer Parallelwährung, beispielsweise dem „Geuro“, wobei der Staat Schuldscheine an seine Bediensteten ausgeben könnte statt sie direkt zu bezahlen. Die Zweitwährung würde gegenüber dem Euro im Wert sinken. Auch in diesem Fall könnten griechische Exporteure im Ausland billiger anbieten, die griechische Wirtschaft könnte so ihre Konkurrenzfähigkeit steigern, was dringend nötig wäre, damit sie aus der Rezession herauskommt. Die Lösung einer Zweitwährung soll dabei dem Land die Rückkehr zu einer vollen Mitgliedschaft in die Eurozone sichtbar offenhalten.
Bei Einführung einer neuen Währung wäre besonders schwerwiegend, dass für Griechenland die in Euro aufgenommenen Altschulden infolge der Abwertungseffekte drastisch steigen würden. Das Bankensystem geriete ins Wanken, ein Ansturm der Sparer wäre programmiert. Deshalb sollte die Einführung einer neuen Währung nach Ansicht von Fachleuten nur geordnet verlaufen, wobei großzügige Überbrückungshilfen und Stützung der Banken notwendig wären.
Folgen für die Eurozone
Ob das Euro-Währungsgebiet einen Austritt der Hellenen verkraften würde, ist äußerst fraglich. Ökonomen warnen vor der Ansteckungsgefahr für weitere Sorgenkinder wie Spanien, Italien oder Portugal. Denn letztlich könnte sich kein Investor mehr darauf verlassen, dass nicht auch andere Länder aus dem Euroraum ausscheren. Vermutlich würden die Risikoaufschläge für Staatsanleihen entsprechender Länder so stark steigen, dass diese ähnlich wie Griechenland an den Rand der Zahlungsunfähigkeit kämen. Letztlich könnte so der gesamte Währungsraum ins Wanken geraten. Aus Sicht von Politikern ist diese Gefahr jedoch deutlich geringer geworden, nachdem größere Euro-Rettungsschirme aufgespannt worden sind. (dpa/abendblatt.de)