Nun auch Deutschland: Moody's hat die Bonität der Bundesrepublik zurückgestuft. Europa denkt beim “Grexit“ an das bisher eigentlich Undenkbare.

Frankfurt/Main. Die Ratingagentur Moody’s nimmt die Spitzenratings von Deutschland, den Niederlanden und Luxemburg unter die Lupe. Sie setzte den Ausblick für alle drei Länder am späten Montag auf negativ. Das bedeutet, dass eine Herabstufung drohen könnte. Bislang haben die Staaten eine stabile Bestnote von „Aaa“. Das finnische Spitzenrating sieht Moody’s weiterhin ungefährdet.

Als Grund für die Überprüfung der Ratings nannte Moody’s die steigende Unsicherheit über den Ausgang der Schuldenkrise in Europa. Es sei immer wahrscheinlicher, dass Griechenland die Eurozone verlassen müsse, schrieben die Experten der Ratingagentur. Selbst wenn dies nicht passiere, sei davon auszugehen, dass Länder wie Spanien und Italien weitere Hilfen bräuchten.

Dabei sei davon auszugehen, dass die europäischen Staaten mit einer sehr guten Bonität die neuen Hilfen schultern müssten, führten die Moody’s-Analysten weiter aus. Deutschland und die anderen wirtschaftlich starken Länder der Eurozone haben den schwächeren Partnern bereits unter die Arme gegriffen. Eine Abstufung des Spitzenratings würde einen Imageschaden bedeuten.

Das Bundesfinanzministerium hat gelassen auf die ersten Zweifel an der Bonität Deutschlands reagiert. Die Meinung der Ratingagentur Moody’s werde zur Kenntnis genommen, teilte das Ministerium am Montagabend mit. „Die von ihr genannten Risiken in der Eurozone sind nicht neu, wobei die Einschätzung vor allem die kurzfristigen Risiken in den Vordergrund stellt, während längerfristige Stabilisierungsaussichten unerwähnt bleiben.“ Moody’s hatte der deutschen Kreditwürdigkeit zuvor einen negativen Ausblick gegeben.

Das Ministerium betonte weiter, die Eurozone habe eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht, die zu einer nachhaltigen Stabilisierung der Eurozone führen werden. „Deutschland selbst befindet sich unverändert in einer sehr soliden Wirtschafts- und Finanzsituation.“ Auch an den internationalen Finanzmärkten sei das Vertrauen in Deutschland hoch, hieß es in der Mitteilung des Ministeriums weiter.

Trotzdem: Europa steht vor dem Tabubruch. Die Geldgeber scheinen die Geduld mit Athen zu verlieren . Ein Bankrott des hochverschuldeten Mittelmeerlandes wird wahrscheinlicher, die Euro-Mitgliedschaft der Hellenen steht auf der Kippe. Für Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hat ein Euro-Austritt Griechenlands („Grexit“) „längst seinen Schrecken verloren“. Volkswirte sind dagegen skeptisch, ob der gemeinsame Währungsraum einen „Grexit“ so einfach verkraften könnte.

Sie befürchten, dass die Krisenstimmung auf ganz Europa überschwappen könnte. Nicht nur die Griechen, sondern auch die Bürger in anderen Euro-Ländern könnten in Panik geraten und ihre Sparkonten plündern. Investoren könnten das Vertrauen in Krisenstaaten wie Spanien oder Italien verlieren.

+++ Ist ein Euro-Austritt Griechenlands möglich? +++

+++ Kein Geld für Athen? Berlin wartet Troika-Urteil ab +++

„Niemand kann mit Bestimmtheit sagen, was passieren wird, wenn Griechenland die Euro-Zone verlässt. Wie werden die Menschen in Portugal oder Deutschland reagieren?“, sagt Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen. „Werten Investoren den Austritt positiv oder als Anfang vom Ende der Euro-Zone?“ Auch wenn seit Wochen über einen möglichen Austritt Athens diskutiert werde, „ich bin mir nicht sicher, dass die Märkte das wirklich schon vollständig eingepreist haben“.

Griechenland will mehr Zeit, um die Sparauflagen der Troika aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) zu erfüllen. Berichten zufolge braucht Athen dadurch zusätzliche Hilfen von bis zu 50 Milliarden Euro. Viele Regierungen der Euro-Zone – allen voran Deutschland - scheinen jedoch nicht mehr bereit, neue Lasten zu schultern. Auch der IWF steht Berichten zufolge zusätzlichen Hilfen skeptisch gegenüber. Die Organisation verweist in einer Stellungnahme dazu lediglich auf den bevorstehenden Troika-Besuch. Sollten der IWF und Deutschland, Athen nicht mehr Zeit und Geld einräumen, wäre das Land wahrscheinlich gezwungen, den Euro-Raum zu verlassen, sagen Experten der Citigroup voraus.

+++ IWF will Griechenland-Hilfe einstellen - droht Staatspleite? +++

Christian Schulz, Volkswirt bei der Berenberg-Bank, schließt in diesem Fall eine Kettenreaktion im Euro-Raum nicht aus. „Im Vergleich zum letzten Jahr hat sich nicht viel geändert.“ Der mit Milliarden ausgestattete Rettungsschirm ESM sei nach wie vor nicht einsatzbereit. „Sollte Spanien im Gefolge eines Grexit noch stärker unter Druck geraten, würden die Mittel des vorläufigen Rettungsschirms EFSF nicht ausreichen“, sagt Schulz. Falls auch Italien Hilfe benötige, dürfte selbst das Geld des ESM nicht reichen. Mit Blick auf den ESM hatten führende Politiker des Euroraums mehrfach angedeutet, man sei jetzt für alle Eventualitäten besser vorbereitet.

Staatsbankrott und „Grexit“ hätten auch Folgen für Europas Steuerzahler. Die Hilfskredite, die der EFSF und die europäischen Staaten dem Land bilateral geliehen haben, wären verloren. „Letztlich müssten die Steuerzahler den Verlust tragen“, sagt Schulz.

+++ Europa wappnet sich für Euro-Austritt Athens +++

+++ Deutsche Firmen und Banken blicken nach Athen +++

Die Belastungen von Banken und Versicherungen seien dagegen vergleichsweise gering. Die meisten Finanzhäuser haben ihr Engagement in Hellas in der Vergangenheit bereits drastisch verringert. „Das schließt aber nicht aus, dass die eine oder andere Bank beispielsweise in Frankreich nicht doch mit Staatsgeldern gerettet werden müsste“, sagt Schulz.

Die Gesamtschulden Griechenlands gegenüber staatlichen und privaten Gläubigern sowie bei der EZB im Rahmen des europäischen Zahlungssystems Target schätzt Schulz auf etwa 420 Milliarden Euro. „Das sind etwa 4,4 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt der Euro-Zone und für sich genommen nichts, was die Euro-Zone gefährdet“.

Sollte die Krise nach einer Griechenland-Pleite jedoch eskalieren, dürfte vor allem wieder die EZB gefragt sein. Mit Zinssenkungen, billigem Geld für Banken und dem Kauf von Staatsanleihen hatten die Währungshüter Turbulenzen in der Vergangenheit immer wieder eingedämmt. Mit Material von dpa und reuters