Die viertgrößte Euro-Volkswirtschaft wird mit Milde behandelt. Bald fließen die ersten Milliarden. Tempo bei der einheitlichen Bankenaufsicht.
Brüssel. Die Europäer kommen dem krisengeschüttelten Spanien mit milliardenschweren Schnellhilfen für Banken und gelockerten Sparzielen entgegen. Die ersten Finanzspritzen für wankende Geldhäuser von 30 Milliarden Euro werden noch im Juli fließen. „Das soll zu einem neuen Vertrauen in das spanische Bankensystem beitragen“, bilanzierte EU-Währungskommissar Olli Rehn am Dienstag in Brüssel nach zweitägigen Beratungen der europäischen Finanzminister.
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Im laufenden Defizitverfahren bekommt die Regierung von Premier Mariano Rajoy mehr Luft. Erst 2014 muss Madrid die Neuverschuldung unter die erlaubten drei Prozent der Wirtschaftsleistung drücken. Der zyprische Ressortchef Vassos Shiarly, der turnusmäßig seine EU-Amtskollegen führt, sagte: „Wir geben Spanien wegen der außergewöhnlichen wirtschaftlichen Umstände ein Jahr mehr Zeit.“ In diesem Jahr gesteht die EU Spanien wegen der anhaltenden Rezession eine deutlich höhere Neuverschuldung von 6,3 statt 5,3 Prozent zu.
Die Kassenhüter der 17 Eurostaaten wollen das Banken-Hilfsprogramm für Spanien bei einem Sondertreffen am 20. Juli endgültig billigen. Zuvor muss der Bundestag nach Worten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) grünes Licht geben.
Insgesamt soll Madrid bis zu 100 Milliarden Euro zur Sanierung seiner angeschlagenen Banken erhalten. Das Land leidet unter dem Einbruch des Immobilienmarktes, wodurch viele Kunden ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen können.
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An den Finanzmärkten machte sich Erleichterung breit. Die Risikoaufschläge für spanische Staatsanleihen sanken und lagen mit 6,8 Prozent unter der kritischen Sieben-Prozent-Marke.
Spanien zeigte sich zufrieden. „Ich denke, mit Blick auf die Rekapitalisierung Äder BankenÜ ist das ehrlich eine gute Einigung“, sagte Wirtschaftsminister Luis de Guindos. Er erwarte „sehr niedrige Zinsen“ für die Notkredite aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF. Im Gespräch seien Raten von drei bis vier Prozent – etwa halb so viel, wie Spanien derzeit Investoren an den Märkten bieten muss.
Als Gegenleistung muss Madrid Auflagen erfüllen und seinen Bankensektor von Grund auf reformieren. Laut Schäuble geht es dabei auch um Grenzen für die Gehälter von Bankmanagern. Seine österreichische Amtskollegin Maria Fekter sagte, die Vereinbarung mit Spanien (Memorandum of Understanding) enthalte „eine Fülle von Auflagen und Regularien, die Spanien einhalten muss“.
Zum hochverschuldeten Griechenland gab es keine konkreten Entscheidungen. Das im Frühjahr vereinbarte Hilfsprogramm von 130 Milliarden Euro soll nachgebessert werden. Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker stellte fest, die Finanzierung Griechenlands über den Sommer sei gesichert. Auch das Programm für das wirtschaftlich eng mit Griechenland verbundene Zypern war ein Thema. Mit Entscheidungen für beide Länder wird nicht vor September gerechnet.
EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier kündigte an, er werde bereits Anfang September einen Gesetzesvorschlag für eine europäische Bankenaufsicht machen. Bis Jahresende solle dann eine Einigung der EU-Staaten und des EU-Parlaments unter Dach und Fach sein. Diese Super-Behörde ist Voraussetzung, damit der Rettungsschirm ESM direkt Finanzspritzen an marode Banken geben kann. Ein Musterkandidat für diese Direkthilfen ist Spanien – damit würde die Schuldenlast und die letztliche Haftung für die Notkredite von den Schultern des spanischen Staates genommen.
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Die Euro-Kassenhüter präzisierten einen Beschluss des Gipfels, wonach die Krisenfonds EFSF und ESM in bestimmten Fällen Anleihen von Eurostaaten kaufen können. Damit soll der Druck der Märkte von Ländern wie Italien und Spanien genommen werden. Schäuble sagte: „Wir haben ermutigt, dass man die Instrumente gegebenenfalls nutzt, um sie einmal zu testen, ohne dies im Einzelnen anzukündigen. (...) Das nennt man intelligentes Schuldenmanagement.“ Die EZB kann laut einer neuen Vereinbarung dem Krisenfonds helfen, Staatsanleihen von Investoren zu kaufen.
(dpa)